Stadtpalais Liechtenstein

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Stadtpalais Liechtenstein hinter dem Burgtheater, Bankgasse / Löwelstraße
Blick zum Stadtpalais Liechtenstein, Bankgasse
Prunkstiege

Das Stadtpalais Liechtenstein ist ein Palais im 1. Wiener Gemeindebezirk, Innere Stadt, zwischen Minoritenplatz, Abraham-a-Sancta-Clara-Gasse, Bankgasse (ältere Ortsangabe: vordere Schenkenstraße) und Löwelstraße. Es ist das Majoratshaus der Fürsten von Liechtenstein und befindet sich nach wie vor im Besitz der Familie. Das Gebäude gilt als erstes bedeutendes hochbarockes Bauwerk in Wien.

Geschichte und Gestaltung

Der Bau des Palais begann 1691 im Auftrag von Dominik Graf Kaunitz unter der Leitung von Domenico Martinelli und unter Verwendung von Plänen von Enrico Zuccalli. Steinmetzaufträge erhielten der Wiener Meister Michael Khöll sowie aus dem kaiserlichen Steinbruch Hof-Steinmetzmeister Ambrosius Ferrethi und dessen Schwiegersöhne Giovanni Battista Passerini und Martin Trumler.

Fürst Johann Adam I. von Liechtenstein kaufte das noch unfertige Palais 1694, bestimmte es als Majoratshaus und ließ den Bau durch Gabriele di Gabrieli und Martinelli bis 1711 vollenden. An der Frontseite zur Bankgasse wurde von Martinelli das erste monumentale Barockportal Wiens errichtet. Das Seitenportal am Minoritenplatz und das Stiegenhaus werden mit Johann Lucas von Hildebrandt in Verbindung gebracht. Die skulpturale Ausstattung an den Portalen, an der Attika und in den Innenräumen stammt von Giovanni Giuliani, der Stuck von Santino Bussi. Die Hauptstiege aus Kaiserstein wurde 1699 von den Wiener Meistern Michael Khöll und Wolfgang Steinböck errichtet, wobei die Stiegenstaffeln aus Kaisersteinbruch kamen.

Bis 1806 befand sich im Haus eine Liechtensteinische Bildergalerie, dann wurde es an die Erzherzöge Johann und Ludwig vermietet; später war die russische Gesandtschaft einquartiert.[1]

Fürst Alois II. wollte wieder selbst darin wohnen und ließ das Haus im Biedermeier in den Jahren 1836 bis 1847 (Innengestaltung: Carl Leistler, Michael Thonet) von Grund auf restaurieren[2]. Die Kosten der Restaurierung sollen an die elf Millionen Gulden betragen haben. Im Palais wurden nun im Auftrag des Fürsten technische Vorrichtungen angebracht, die Aufsehen erregten. Unter anderen gab es Türen, die auf einer Seite verspiegelt waren und die man hochziehen und wenden konnte[2], Aufzüge und Vorrichtungen zum Verschieben von Wänden und Böden sowie im zweiten Stock (= drittes Geschoß) einen Saal, der mittels einer Zugvorrichtung in den ersten Stock hinabgesenkt werden konnte. Diese Einrichtungen waren sehr reparaturanfällig; ständig war daher viel Reparatur- und Ausstattungspersonal engagiert, weswegen das Palais im Volksmund auch Künstlerversorgungshaus hieß.

Fürstin Nora Fugger (1864–1945) beschrieb das Palais in ihrer Biographie:

Das Palais hat, was Schönheit und Großartigkeit betrifft, wohl kaum seinesgleichen in Europa. Der Ballsaal ist von ungeheurer Höhe. Wenn die Lichter in den Armleuchtern an den Wänden, in den großen Girandolen und in dem riesigen Glasballon, dem Luster über der Saalmitte, entzündet wurden, mußte der herrliche Raum wie in Licht gebadet erscheinen. An den Ballsaal stoßen zwei Seitengemächer, die durch hohe Glaswände vom Saale geschieden sind. An den anderen Seitenwänden sind hohe Spiegel angebracht, welche Konstruktion einen wahrhaft märchenhaften Eindruck macht. In dem einem der Salons ist mitten im Raum ein Bassin mit einem Springbrunnen. Unmittelbar vor Ausbruch der Revolution gab Fürst Liechtenstein den ersten Ball in seinem Prachtpalais. Im Jahre 1851 – nach den Revolutionsjahren – wieder den ersten, den vorher geschilderten.[3]

Bekannt war das Palais wegen der bedeutenden Gemäldesammlung der Fürsten, deren bedeutendste barocke Werke heute im Gartenpalais Liechtenstein (dem nunmehrigen Liechtenstein-Museum) in der Rossau im 9. Bezirk zu sehen sind. Derzeit (Stand November 2009) erfolgt unter der Planung des Wiener Architekturbüros Wehdorn Architekten eine Generalsanierung des Palais, wobei der Innenhof zusätzlich um einen dreigeschoßigen, 17 Meter tiefen unterirdischen Speicher für Kunstwerke erweitert wird. Nach der für das Jahr 2012 geplanten Eröffnung soll die Kunst des Biedermeiers aus den fürstlichen Sammlungen auf 1.200 Quadratmetern im neuen zweiten Liechtensteinmuseum im Stadtpalais zu sehen sein werden.[4]

Belege

  1. Gerhard Robert Walter von Coeckelberghe-Dützele, Anton Köhler (Hrsg.): Curiositäten- und Memorabilien-Lexicon von Wien: ein belehrendes und unterhaltendes Nachschlag- und Lesebuch in anekdotischer, artistischer, biographischer, geschichtlicher, legendarischer, pittoresker, romantischer u. topographischer Beziehung. II. Band. Realis, 1846, S. 151: Liechtenstein'sches Majoratshaus (in der vorderen Schenkenstrasse). (Online-Version bei Google Books)
  2. a b Henriette Horny: Wir legen Wert auf jedes Fuzerl Patina. Interview mit Johann Kräftner, Leiter des Liechtenstein Museums in Wien. In: Kurier. Wien, 4. Jänner 2009, S. 29
  3. Fürstin Nora Fugger: Im Glanz der Kaiserzeit, Amalthea, Wien 1932, S. 107–108
  4. Stadtpalais Liechtenstein als Prunkmuseum (ORF Wien, 22. März 2009)

Weblinks

Commons: Palais Liechtenstein (Bankgasse) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 12′ 36″ N, 16° 21′ 45″ O