Standarddatenbogen
Der Standarddatenbogen (SDB) englisch Standard Data Form (SDF) ist ein standardisiertes und offizielles Formular, welches von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die Meldung der Gebiete des Natura 2000-Netzes an die Europäische Kommission verwendet wird. Form und Inhalt sind von der EU in den Richtlinien 92/43/EWG für FFH-Gebiete und 2009/147/EG für Vogelschutzgebiete verbindlich festgelegt und entsprechend vereinheitlicht.
Für die nachstehenden Erläuterungen wird auf den von der EU-Kommission erlassenen Durchführungsbeschluss 2011/484/EU zur Übermittlung von Informationen zu Natura-2000-Gebieten in der deutschen[1] und englischen[2] Fassung Bezug genommen.[Anm. 1] Die frühere Entscheidung 97/266/EG der Kommission[3] wird nicht mehr berücksichtigt.
Verwendete Abkürzungen:
- GIS – Geografisches Informationssystem englisch Geographical Information System
- GGB – Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung englisch Sites of Community Importance (SCI)
- INSPIRE – Geodateninfrastruktur in Europa englisch Infrastructure for Spatial Information in Europe
- BEG – Besonderes Erhaltungsgebiet englisch Special Area of Conservation (SAC)
- BSG – Besonderes Schutzgebiet englisch Special Protection Area (SPA)
- vGGB – vorgeschlagenes Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung englisch proposed Site of Community Importance (pSCI)
Vorgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Standardisierung der EU-Kommission im SDB gehen zurück auf die Verabschiedung der FFH-Richtlinie[4] gemeinsam mit dem LIFE-Programm am 21. Mai 1992,[5] welche zusammen mit der bereits 1979 verabschiedeten EU-Vogelschutz-Richtlinie die Grundlage für das EU-Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 bildet.
Bis 2021 waren EU-weit ca. 27.000 Natura 2000-Gebiete von den Mitgliedsstaaten an die EU-Kommission gemeldet[6] und um diese Anzahl an Daten erfassen und verwalten zu können, war es von Beginn an ein zentrales Anliegen eine einheitliche verbindliche Grundlage zu schaffen um ein europäisches Datenbanksystem aufzubauen und dessen Funktion sicherzustellen. Gleichzeitig wird durch die bestimmte Art der Erfassung der Daten (z. B. in Deutschland[7]) eine gesamtheitliche Datenanalyse möglich. So wurde für die deutschen Schutzgebiete eine INSPIRE Datenspezifikation[8] entwickelt, wonach z. B. die Relevanz bestimmter Angaben in die Datensätze des SDB einfließen[9].
Im Zuge der Vorschlagslisten der Mitgliedsländer sollen gem. Artikel 4 Abs. 1 der FFH-Richtlinie[10] die auszuweisenden Gebiete bei der Meldung entsprechende Angaben enthalten, welche mit einem SDB zu differenzieren sind. Der 1994 eingerichtete Habitat-Ausschuss (Mitglieder der verschiedenen nationalen Umweltämter und Wissenschaftler)[11] legte die Kriterien erstmals in der EUR15-Version fest, welche 2003 durch die EUR25-Version und 2007 durch die EUR27-Version[12] erweitert wurden. Die z. Zt. gültige Version EUR28 von 2013[13] war durch die EU-Erweiterung, neue Erkenntnisse und Beitritt weiterer Mitgliedsländer notwendig geworden und etabliert es als wissenschaftliches Referenzhandbuch für das Netzwerk.
Verwendung und Zweck
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für jedes vorgeschlagene, ausgewiesene oder eingestufte Gebiet im Natura 2000-Netz soll ein separater SDB ausgefüllt werden. Überschneiden sich Gebiete oder liegt ein Gebiet innerhalb eines anderen, sind jeweils eigene SDB auszufüllen. Nur wenn 2 Gebiete deckungsgleich zusammenfallen können die Daten auf einem gemeinsamen SDB angegeben werden (siehe auch Kap.1: Gebietskennzeichnung).:
- Hauptziel ist die Bereitstellung von Daten, welche die EU-Kommission benötigt, um die Maßnahmen zur Schaffung und Erhaltung eines kohärenten NATURA-2000-Netzes zu koordinieren und die Wirksamkeit für die Erhaltung der Lebensräume und Arten (gem. Richtlinien 92/43/EWG und 2009/147/EG) zu bewerten.
- Erstellen und Aktualisieren der EU-Referenz-Verzeichnisse von GGB/BEG im Rahmen der gem. der Richtlinien sowie Schaffung einer verlässlichen Bezugs- und Informationsquelle
- Bereitstellung von Informationen für andere Entscheidungen (z. B. bei Agrar-, Energie- und Verkehrspolitik) der EU-Kommission, um sicherzustellen das auf die Ansprüche der Gebiete im NATURA-2000-Netz berücksichtigt werden
- Unterstützung der EU-Kommission und ihrer Ausschüsse bei der Auswahl von Vorhaben zur finanziellen Förderung (z. B. durch LIFE)
- Schaffung einer nützlichen Form für den Austausch von Informationen über Natura-2000-Gebiete (gem. der INSPIRE-Verordnung oder im Sinne der Aarhus-Konvention)
- Bereitstellung der Daten für Forschung und Wissenschaft sowie für Statistik und Planung von weiteren Maßnahmen oder Beschlüssen
Aufbau und Übersicht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das vollständige Ausfüllen eines Standard-Datenbogens stellt einen erheblichen Aufwand in der praktischen Anwendung für die Landesbehörden dar, deshalb wurde vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Abstimmung mit der EU-Kommission zugestanden, einige Felder vorerst nicht auszufüllen und das die Angaben in bestimmten Feldern zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden können. Vom BfN wurde für die Landesämter ein spezielles FFH-Eingabeprogramm entwickelt, welches die bundeseinheitlichen Vorgaben beinhaltet und zusätzlich die Erstellung des eigentlichen Meldeformulars an die EU ermöglicht sowie einen zusammenfassenden Bericht der vollständigen Gebietsdaten für die Weiterverwendung enthält.
Der SDB ist demnach in 8 Kapitel und bis zu 5 Anhängen (abhängig vom jeweiligen Gebiet) gegliedert:
- Kapitel 1: Gebietskennzeichnung
- Angaben zu Typ, Kennziffer, Datum und Beziehung zu anderen Gebieten
- Kapitel 2: Lage des Gebiets
- Angaben zu Gebietsmittelpunkt, Fläche, Höhe über NN, Verwaltungsgebiet und biogeographischer Region
- Kapitel 3: Ökologische Angaben
- Angaben zu vorhandenen Lebensräumen und ihre Beurteilung (Aufführung der Lebensräume im Anhang I)
- Angabe zu vorkommenden Arten und ihre Beurteilung (Aufführung der Arten in Anhang II und III)
- das Vorkommen von bedeutenden Arten z. B. endemische oder von der jeweiligen nationalen Roten Liste
- Kapitel 4: Gebietsbeschreibung
- mit Angaben zu Gebietscharakter (nach Biotop- und Vegetationsvorkommen)
- weitere Angaben zu Besitzverhältnissen, Güte und Bedeutung sowie Verletzbarkeit des Gebiets
- wichtig sind hier die Quellennachweise der für das Ausfüllen verwendeten Materialien
- z. B. langjährige Beobachtungen, wissenschaftliche Forschungsergebnisse und Berichte der Unteren Naturschutzbehörden
- Kapitel 5: Schutzstatus des Gebietes und Zusammenhang mit CORINE-Biotopen
- Ausweisung als Schutzgebiete (nach Kennziffern, z. B. DE01 für Nationalpark[14])
- Zusammenhang des Gebiets zu anderen Gebieten (Art und Anteil der Überdeckung)
- Angabe zu bisherigen Meldung zu Corine-Biotopen
- Kapitel 6: Einflüsse und Nutzungen im Gebiet
- Angaben zu Nutzung und Einflüssen und der davon betroffenen Flächen, sowie vorhandener Managementplan
- Kapitel 7: Karte des Gebiets
- Angaben zu verwendeten Karten und Gebietsabgrenzung, sowie für Deutschland das verwendete Messtischblatt (TK25)
- Kapitel 8: Fotodokumentation/Luftbilder
- diese sind freiwillig und können nachgereicht werden
- Anhang I: Aufführung der Lebensraumtypen aus Kapitel 3 (gem. Anhang I der FFH-Richtlinie)
- Anhang II: Aufführung der Arten aus Kapitel 3 (gem. Anhang II der FFH-Richtlinie)
- Anhang III: Aufführung der Arten aus Kapitel 3 (gem. Anhang I der Vogelschutzrichtlinie)
- Anhang IV: Auflistung der Einflüsse und Nutzungen des Natura 2000 Gebiets aus Kapitel 6 (gem. EU-Code-Tabelle)
- Anhang V: (nur in Deutschland) Erfassung der vollständigen Gebietsdaten für Verarbeitung im BfN
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- verweisende Richtlinien und Erläuterungen:
- Natura 2000 Viewer mit den Standarddatenbogen der Gebiete
- Landesämter für Umwelt und Naturschutz:
- Formblätter und Erläuterungen des Umweltministeriums Baden-Württemberg
- Kartendaten der FFH-Gebiete im Landesamt für Umwelt Brandenburg
- Downloads zu Natura 2000 in Niedersachsen
- Berichte über die Natur in NRW (03/2019)
- Arbeitshilfen zu Natura 2000 der Naturschutzverwaltung in Rheinland-Pfalz
- Download-Bereich des Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz in Thüringen
- Beispiele für Standarddatenbogen und Schutzgebiete:
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Auf später beschlossene Änderungen und Durchführungsbestimmungen der einzelnen deutschen Bundesländern bzw. der nationalen zuständigen Stellen der EU-Mitgliedsländern wurde vorerst keinen Bezug genommen.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Durchführungsbeschluss der Kommission vom 11. Juli 2011 über den Datenbogen für die Übermittlung von Informationen zu Natura-2000-Gebieten (2011/484/EU)
- ↑ Commission Implementing Decision of 11 July 2011 concerning a site information format for Natura 2000 sites (2011/484/EU)
- ↑ 97/266/EG: Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular für die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von NATURA 2000 vorgeschlagenen Gebieten
- ↑ Schutz der biologischen Vielfalt in Europa (Natura 2000). Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, abgerufen am 3. August 2022.
- ↑ Natura 2000 Day and Logo
- ↑ Aktuelle Zahlen des Stand im Natura 2000-Barometer
- ↑ FFH-Bericht 2019 des Landes Nordrhein-Westfalen
- ↑ Steckbrief des Datenmodells bei INSPIRE
- ↑ INSPIRE-relevante Datensätze der Schutzgebiete
- ↑ Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) in der konsolidierten Fassung vom 1. Juli 2013
- ↑ Begriffserklärung der Natura 2000-Begriffe ( des vom 23. Oktober 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Interpretation manual of european union habitats (2007)
- ↑ Interpretationshandbuch der Habitate der Europäischen Union – EUR28
- ↑ Umsetzung der Schutzgebietskategorien der IUCN in Deutschland (pdf)