Steiff-Fabrikhalle

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Steiff Fabrikhallen

Die Steiff-Fabrikhalle ist eine im Jahr 1903 errichtete Fabrikhalle der Margarete Steiff GmbH in Giengen an der Brenz in Baden-Württemberg. Die Halle ist auch unter der Bezeichnungen Osthalle und Jungfrauenaquarium bekannt, wobei dieser volkstümliche Name darauf verweist, dass in der verglasten Halle früher vorwiegend unverheiratete Frauen arbeiteten.

Bau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ansicht der Osthalle

Ideengeber für die Bauweise war wahrscheinlich Richard Steiff. Die Forschung geht davon aus, dass er bereits bei der Ausschreibung des Architekturauftrags die entscheidenden Details festlegte. Geplant wurde der Entwurf von anonym gebliebenen Münchener Architekten in Zusammenarbeit mit der Eisenwerk München AG.[1]

Die als eine der ersten sogenannten Vorhangfassaden in Deutschland (Curtain-wall-Konstruktion) architekturgeschichtlich bedeutsame Osthalle im Stil des Neuen Bauens ist ein Teil der „funktionalistischen Skelettbauten mit nahtlos rundum vorgehängter Glasfassade und sichtbaren Wandverbänden“.[2] Die offene Gestaltung der Arbeitsfläche im Inneren gilt als ihrer Zeit weit voraus. Die ehemalige Rampe an der Fassade sorgte für Barrierefreiheit, die für Margarete Steiff als Rollstuhlfahrerin essentiell war. Zudem lohnte sie sich auch aus finanzieller Sicht, da man auf mechanische und elektrische Lastenaufzüge verzichten konnte. Später wurden Rampen an der Fassade in der Architektur ein Zeichen für schnelles Wachstum, Dynamik und Innovation.[3]

Die Baugenehmigung für das Gebäude zu erlangen stellte sich ursprünglich als schwierig heraus, denn die Verantwortlichen befürchteten, dass jeder, der in einem vollverglasten Gebäude wie dem „Jungfrauenaquarium“ arbeiten würde, Gefahr laufen würde, sein Augenlicht zu verlieren. Nachdem dieses Risiko auf das Unternehmen übertragen wurde, wurde dennoch eine Baugenehmigung erteilt.[3]

1904 und 1908 wurde der Ostbau durch weitere Bauten in gleichem Stil ergänzt, bei denen die Metallkonstruktion allerdings durch eine Holzrahmenkonstruktion ersetzt wurde. Diese Änderung soll von Richards Bruder Hugo Steiff ausgedacht worden sein. So konnten die beiden Gebäude preiswerter gebaut werden. Außerdem war man nicht auf die Eisenwerk München AG angewiesen.[4]

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gebäude wurden lange Zeit als Fabrikhalle genutzt. Dabei wurden in den Anfangsjahren die Fassaden im Sommer häufig mit Kalkfarbe bestrichen, da sich die Gebäude ansonsten zu sehr aufheizten. Später im Jahr konnte die Farbe dann wieder abgewaschen werden.[4]

1980 wurde in der Jungfrauenhalle das erste Steiff-Museum eröffnet, das 2005 in einen Neubau umzog. Im Rahmen des zum 125-jährigen Firmenbestehen organisierten „Steiff-Sommers“ beherbergte das Gebäude die Raritätenausstellung. Nachdem das Gebäude nach einem Sturmschaden im Sommer 2011 aufwändig renoviert worden war, fanden seither 55 Mitarbeiter in ihren Büros hier Platz.[5]

Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude lassen laut dem Architekturkritiker Falk JaegerWalter Gropius’ berühmtes Fagus-Werk (Schuhleistenfabrik) in Alfeld an Konsequenz weit hinter sich“.[2]

2011 wurde der Ostbau von Axel Föhl im Jahresheft des ICOMOS als ein möglicher Kandidat für eine Welt- bzw. Europaerbe Nominierung vorgestellt.[1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernhard Niethammer und Anke Fissabre: Die Steiff Spielwarenfabrik in Giengen / Brenz. Ein unbekanntes Meisterwerk der frühen Moderne. Geymüller, Aachen 2014, ISBN 978-3-943164-03-9.
  • Rudolf Fischer: Licht und Transparenz. Der Fabrikbau und das Neue Bauen in den Architekturzeitschriften der Moderne. Band 2 der Studien zur Architektur der Moderne und industriellen Gestaltung. Hrsg.: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, Berlin 2012, S. 173–183, ISBN 978-3-7861-2665-2.
  • Axel Föhl: Bauten der Industrie und Technik, Bonn o. J., Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 47, S. 131, ISBN 3-922153-03-8.
  • Georg Dehio (Begr.): Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Baden-Württemberg I, bearb. v. Dagmar Zimdars u. a., München/Berlin: Deutscher Kunstverlag 1993, S. 261, ISBN 3-422-03024-7.
  • Herbert Brunner: Reclams Kunstführer Deutschland II. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 6. Aufl. o. J. (1971), S. 193, ISBN 3-15-008073-8.
  • Angelika Reiff: Architektur ohne Architekten. Die gläsernen Bauten der Spielwarenfabrik Steiff. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 21. Jg. 1992, Heft 3, S. 83–87. (PDF)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Steiff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Axel Föhl: Der Ostbau der Margarete Steiff GmbH. In: ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees. Band 51. Hendrik Bäßler Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-930388-26-4, S. 73, doi:10.11588/ih.2011.0.20152.
  2. a b Falk Jaeger 1985, zitiert nach Axel Föhl: Bauten der Industrie und Technik, o. J., Schriftenreihe des deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Bd. 47, S. 131
  3. a b Blanca Lleó: Steiff Factory, 1903. The story of a pioneer. In: Lucas Muñoz (Hrsg.): Material Oriented Ontology. Nr. 22, 1. Oktober 2020, S. 235–241, doi:10.15581/014.22.142-159 (englisch).
  4. a b Geschichte einer Spielwarenfabrik. Steiffs Tierleben. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Juli 2009, abgerufen am 22. April 2021.
  5. Dieter Reichl: Steiff. Neue Nutzung für das "Jungfrauenaquarium" in Giengen. Heidenheimer Zeitung, 8. Juni 2015, abgerufen am 22. April 2021.

Koordinaten: 48° 37′ 14,9″ N, 10° 14′ 26,8″ O