Sultanat der Rum-Seldschuken

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Das Sultanat der Rum-Seldschuken um 1190. Der Stern markiert die Hauptstadt Konya (griechisch Ikónion).

Das Sultanat der Rum-Seldschuken oder Sultanat Ikonion (auch Sultanat Rum genannt, arabisch السلاجقة الروم, DMG as-Salāǧiqa ar-Rūm, persisch سلجوقیان روم, DMG Salǧūqiyān-i Rūm, türkisch Anadolu Selçuklu Devleti ‚Anatolisch-Seldschukischer Staat‘) war der auf erobertem byzantinischen Territorium in Anatolien errichtete Herrschaftsbereich der oghusisch-türkischen Rum-Seldschuken, die sich – ebenso wie die Kerman-Seldschuken (1048) und die Seldschuken von Syrien (1078) – im Jahre 1077 vom Reich der Großseldschuken unabhängig machten und anschließend über ein bedeutendes Reich mit dem Zentrum Konya herrschten.[1] Nach der Schlacht am Köse Dağ (1243) geriet das Sultanat in Abhängigkeit vom Reich der mongolischen Ilchane und löste sich bis 1307 „sang- und klanglos“ auf.[2]

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name arabisch روم, DMG Rūm mit der Grundbedeutung „Rom“ wurde in der arabischen, persischen und osmanischen Literatur auf die Rhomäer (Eigenname der griechischsprachigen Byzantiner) angewandt. Rūm war somit der geographische Name für das vom Byzantinischen Reich beherrschte Kleinasien und wurde von den Rum-Seldschuken nach der Eroberung dieses Landes übernommen. Die auf die Seldschuken folgenden Osmanen leiteten davon auch den Namen Rumelien (Rūm-īlī / روم ايلى) ab und bezeichneten damit weitere Gebiete, die sie von Byzanz erobert hatten.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eroberung der Seldschuken

Nach der Niederlage gegen die Seldschuken in der Schlacht bei Manzikert 1071 ging das Innere Kleinasiens für das Byzantinische Reich endgültig verloren. Oghusisch-türkische Stämme, die im Gefolge der Seldschuken nach Anatolien eingewandert waren, gründeten in der Folgezeit mehrere Fürstentümer, so unter anderem die Saltukiden, deren Herrschaft bis 1202 Bestand hatte.[1] Suleiman, ein Sohn des abtrünnigen Seldschukenprinzen Qutalmisch, welcher ebenfalls mit seinen Anhängern nach Anatolien gekommen war, wurde 1074 von Sultan Malik Schah I. zum Gouverneur der nordwestlichen Provinzen des Seldschukenreiches ernannt. In dieser Funktion eroberte er 1075 die byzantinischen Städte Nikäa (İznik) und Nikomedia (İzmit). 1077 rebellierte Suleiman gegen Malik Schah und ernannte sich selbst zum „Sultan von Rum“. Im Jahr 1078 machte er Nikäa zu seiner Hauptstadt.[4]

Der Rote Turm in Alanya, 1221–1226

1084 eroberte Sultan Malik Schah I. mit Hilfe von Suleiman Antiochia (Antakya), das zu dieser Zeit durch Philaretos Brachamios gehalten wurde, in einem Überraschungsangriff. Die Bewohner flüchteten sich in die Zitadelle. Als Suleiman 1086 in Antiochia nach einer Niederlage gegen Tutusch I., den seldschukischen Sultan von Aleppo, Selbstmord beging (Anna Komnena) oder auf Befehl von Tutusch getötet wurde, geriet die Dynastie in eine ernste Krise: Suleimans Sohn Kılıç Arslan wurde Geisel am großseldschukischen Hof und kam erst nach dem Tode Malik-Schahs I. (1092) wieder frei.

Kılıç Arslan I. konnte große Teile des verlorenen Territoriums wieder einnehmen. Infolge einer Niederlage gegen die Kreuzfahrer des Ersten Kreuzzugs bei Nikäa und Doryläum (Dorylaion) im Jahre 1097 drängten ihn die Byzantiner jedoch nach Anatolien zurück. In der Folgezeit konnte er seine Macht wieder festigen. 1101 siegte er über die Kreuzzugteilnehmer, eroberte Ikonion (Konya) und machte es zum Zentrum seines Reiches. 1107 eroberte er Mossul, fiel aber im selben Jahr im Kampf gegen Muhammad I. Tapar, den Sohn Malik-Schahs I.

Das Sultanat befand sich in einem dauernden Konflikt mit dem Byzantinischen Reich, war aber auch ein Pufferstaat zwischen Byzanz und der muslimischen Welt. Zu wesentlichen Verschiebungen der Grenze mit Byzanz kam es nicht. Zwischen 1097 und 1176 befand sich das Sultanat auch im ständigen Konflikt mit den Danischmenden, bis die Seldschuken diese schließlich besiegten und deren Herrschaftsgebiet ihrem Reich einverleibten. Ikonion wurde für einige byzantinische Renegaten zum Exil, teilweise kam es auch zu Bündnissen mit dem Königreich Kleinarmenien und den Kreuzfahrerstaaten.

Das Sultanat geriet durch die Niederlagen in der Schlacht am Köse Dağ (1243) und der Schlacht bei Aksaray (Oktober 1256) gegen den mongolischen Befehlshaber Baiju unter die Herrschaft der Ilchane und löste sich während der Herrschaft des Ilchans Öldscheitü (ab 1304) auf.

Die aufstrebenden Osmanen aus dem nordwestanatolischen Fürstentum des Osman Bey traten zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Erbe der Seldschuken in Anatolien an und eroberten 1386 Konya, das Hauptstadt des Karaman-Beyliks geworden war. 1402 nach der Schlacht bei Ankara verloren die Osmanen Konya zwar wieder, das Beylik der Karamanoğulları wurde durch Timur nochmals wiederhergestellt, doch 1466 fiel Konya dann endgültig an das Osmanische Reich.

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In dem feudalen Iqta-System wurden die einheimischen Bauern zu Untertanen der seldschukischen Emire, die das Land weiter an ihre Gefolgsleute und Soldaten vergaben. Der Inhaber eines Iqta erhielt die Abgaben seines Lehens, konnte es aber nicht vererben. Im 14. Jh. wurde das Iqta-System durch Landvergaben an Soldaten ersetzt, die steuerfrei waren.

Auch die städtische Oberschicht bestand nun aus Seldschuken. Im Heer dienten die nicht steuerpflichtigen Turkomanen sowie Araber, später auch gefangene Christen sowie georgische und fränkische Söldner. Die Nomaden wurden an den Grenzen zum Kampf gegen die „Ungläubigen“ eingesetzt, es gab jedoch auch ständige Versuche, sie zur Ansiedlung zu zwingen und in die unfruchtbaren Gebirgsgegenden zurückzudrängen, eine Politik, die sich in osmanischer und türkischer Zeit fortsetzte bzw. weitgehend zum Abschluss kam.

Stammbaum der Rum-Seldschuken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 
 
 
 
1. Suleiman ibn Kutalmiş
(1081–1086)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
2. Kılıç Arslan I.
(1092–1107)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
3. Malik Schah I.
(1110–1116)
 
4. Mas'ud I.
(1116–1156)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
5. Kılıç Arslan II.
(1156–1192)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
7. Suleiman II.
(1196–1204)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kai Chosrau I.
6. (1192–1197)
9. (1205–1211)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
8. Kılıç Arslan III.
(1204–1205)
 
 
 
 
 
10. Kai Kaus I.
(1211–1220)
 
11. Kai Kobad I.
(1220–1237)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
12. Kai Chosrau II.
(1237–1246)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
13. Kai Kaus II.
(1246–1257)
 
 
 
14. Kılıç Arslan IV.
(1248–1265)
 
 
 
 
 
15. Kai Kobad II.
(1249–1257)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Feramürz
 
Mas'ud II.
17. (1282–1284)
19. (1284–1293)
21. (1294–1301)
23. (1303–1307)
 
16. Kai Chosrau III.
(1265–1282)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Kai Kobad III.
18. (1284)
20. (1293–1294)
22. (1301–1303)
 
Mas'ud III.
24. (1307)
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Claude Cahen: Pre-Ottoman Turkey, übersetzt von J. Jones-Williams, New York 1968.
  • Claude Cahen: The Formation of Turkey – The Seljuk Sultanate of Rum: Eleventh to Fourteenth Century, translated and edited by P. M. Holt from: Claude Cahen: La Turquie Pré-Ottomane, Paris 1988; Pearson Exducation, Harlow, Essex 2001, ISBN 0-582-41491-1.
  • Carter Vaughn Findley: The Turks in World History. Oxford 2005, ISBN 0-19-517726-6.
  • Fazli Konuş: Selçukular Bibliyografyası, Erciyeş Üniversitesi, Konya 2006
  • Andrew C. S. Peacock und Sara Nur Yıldız (Hrsg.): The Seljuks of Anatolia. Court and Society in the Medieval Middle East. Tauris, London 2013, ISBN 978-1-84885-887-9

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Clifford Edmund Bosworth Saldjukids, Abschnitt The Saldjuks of Rum in Encyclopaedia of Islam
  2. Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann Kleine Geschichte der Türkei, 2009, S. 47
  3. Clifford Edmund Bosworth Rum in Encyclopaedia of Islam und Halil İnalcık Rumeli in Encyclopaedia of Islam.
  4. Michael Neumann-Adrian, Christoph K. Neumann: Die Türkei. Ein Land und 9000 Jahre Geschichte, List, München 1990, ISBN 3-471-78225-7, S. 155.