Der große Schlaf

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Der große Schlaf (engl. Originaltitel: The Big Sleep), im deutschsprachigen Raum zunächst auch als Der tiefe Schlaf (1950) veröffentlicht, ist ein 1939 erschienener Kriminalroman von Raymond Chandler, mit dem erstmals die Figur des Detektivs Philip Marlowe eingeführt wird. Die Romanhandlung ist komplex – zahlreiche der Romanfiguren spielen ein Doppel-Spiel, und die Beziehungen der Figuren zueinander und ihre jeweiligen Geheimnisse offenbaren sich erst allmählich im Verlauf der Handlung. Der Roman, der in Los Angeles spielt, wurde zwei Mal verfilmt; 1946 spielte Humphrey Bogart in Tote schlafen fest und 1978 Robert Mitchum in Tote schlafen besser jeweils den Philip Marlowe.

Der Roman gilt heute als ein Klassiker der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts: Die französische Zeitung Le Monde wählte ihn 1999 zu den 100 prägenden Romanen des 20. Jahrhunderts und das US-amerikanische Magazin Time wählte ihn zu den besten englischsprachigen Romanen, die zwischen 1923 – dem Gründungsjahr von Time – und 2005 erschienen sind.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Privatdetektiv Philip Marlowe wird zum Haus des alten, wohlhabenden und kränklichen General Sternwood gerufen. Er möchte, dass Marlowe einem Erpressungsversuch nachgeht: Ein Buchhändler namens Arthur Geiger versucht von Sternwoods jüngerer Tochter Carmen Geld zu erhalten. Es ist nicht der erste Erpressungsversuch – Carmen ist zuvor bereits von einem Joe Brody erpresst worden. Sternwood erwähnt während der Unterhaltung mit Marlowe, dass seine ältere Tochter Vivian mit einem Rusty Regan verheiratet ist, der verschwunden ist. Auch wenn die Heirat zwischen Vivian und Regan sich schon nach einem Monat Ehe als unglückliche Verbindung erwies, vermisst Sternwood seinen Schwiegersohn, der ihm häufig Gesellschaft geleistet hat. Als Marlowe das Haus des Generals verlässt, begegnet ihm Vivian, die von ihm vergeblich zu erfahren versucht, ob ihr Vater ihn mit der Suche nach Rusty beauftragt hat.

Marlowe beobachtet Geigers Buchladen und lernt dort Agnes kennen, die sich um die Kunden kümmert. Es wird ihm sehr schnell klar, dass es sich bei der Buchhandlung um eine illegale Leihbücherei für pornographische Werke handelt. Er folgt Geiger nach Hause. Während er das Haus beobachtet, sieht er, wie Carmen Sternwood Geiger aufsucht. Wenig später hört er einen Schrei, gefolgt von Pistolenschüssen, und sieht wenig später zwei Wagen kurz nacheinander wegfahren. Er dringt in das Haus ein, wo er Geiger erschossen vorfindet. Die offensichtlich unter Drogen stehende Carmen posiert nackt in einem Sessel vor einer Kamera, in der sich keine Fotoplatte mehr befindet.

Marlowe bringt Carmen nach Hause. Als er zu Geigers Haus zurückkehrt, ist die Leiche verschwunden, und er verlässt schnell den Tatort, weil er vermutet, dass bald die Polizei auftauchen wird. Am nächsten Tag wird er zur Polizei gerufen, die ihm mitteilt, dass man Sternwoods Wagen im Hafen gefunden habe. Der Chauffeur der Sternwoods sitzt tot hinter dem Steuer. Es scheint, als sei der Chauffeur niedergeschlagen worden, bevor der Wagen ins Wasser fiel. Auch die Polizei will wissen, ob Marlowe damit beauftragt wurde, nach Regan zu suchen.

Marlowe beginnt den Buchladen zu überwachen und bemerkt, dass die pornographischen Bücher gerade verpackt und zu Joe Brodys Haus gebracht werden. Vivian sucht wenig später Marlowe in seinem Büro auf, um ihm mitzuteilen, dass es einen weiteren Erpressungsversuch gibt: Carmen soll Geld zahlen, um die Nacktfotos der letzten Nacht zurückzuerhalten. Vivian berichtet auch, dass sie regelmäßig in Eddie Marsʼ Spielcasino spiele, und erwähnt nebenbei, dass Eddies Frau Mona mit Rusty Regan durchgebrannt sei. Marlowe fährt zu Geigers Haus und findet dort Carmen vor, die versucht, in das Haus einzudringen. Marlowe und Carmen suchen gemeinsam nach den Fotos. Carmen erwähnt auch, dass sie sich an nichts erinnern kann, was in der vorangegangenen Nacht passiert ist. Plötzlich taucht Eddie Mars auf – er behauptet, Geigers Vermieter zu sein und ihn zu suchen. Mars möchte auch wissen, warum Marlowe vor Ort ist.

Kurz danach sucht Marlowe Brody in seinem Zuhause auf und trifft dort auch auf Agnes. Er macht ihnen klar, dass er weiß, dass sie die illegale Leihbücherei übernehmen, und vermutet auch, dass sie Carmen mit den Nacktfotos erpressen. Wenig später dringt Carmen gewaltsam in die Wohnung ein und verlangt nach den Fotos. Marlowe gelingt es, ihr die Waffe zu entwinden, und bringt sie dazu, die Wohnung wieder zu verlassen. Marlowe befragt Brody weiter und kennt damit die Abläufe. Geiger erpresste Carmen. Der Chauffeur, der Carmen heimlich liebte, brachte daraufhin Geiger um und nahm die Fotoplatte an sich. Brody, der Geigers Haus überwachte, verfolgte den Fahrer, stahl die Fotoplatten, schlug den Chauffeur nieder und schob den Wagen möglicherweise vom Hafenpier, wobei der bewusstlose Chauffeur ertrank. Plötzlich klingelt es an der Tür. Brody, der die Tür öffnet, wird erschossen. Marlowe verfolgt den Täter, der sich, als Marlowe ihn stellt, als Geigers Liebhaber herausstellt. Er hat Brody deshalb erschossen, weil er ihn für den Mörder Geigers hält. Er war auch derjenige, der Geigers Leiche versteckte, um ausreichend Zeit zu haben, seinen persönlichen Besitz aus dem Haus zu räumen.

Der Fall scheint gelöst, aber Marlowe denkt immer noch über Regans Verschwinden nach. Die Polizei ist überzeugt davon, dass er einfach nur mit Mona Mars durchgebrannt ist, denn diese ist gleichfalls verschwunden. Die Polizei ist außerdem davon überzeugt, dass Eddie Mars nicht einen Mord begehen würde, bei dem er so offensichtlich der Verdächtige sei. Mars lädt Marlowe in sein Kasino ein, wo er sich gänzlich unbeeindruckt von möglichen Verdächtigungen zeigt. Vivian ist ebenfalls im Kasino anwesend und Marlowe bemerkt, dass es eine engere Verbindung zwischen Mars und ihr zu geben scheint. Marlowe fährt Vivian nach Hause und sie versucht ihn zu verführen; er lehnt ihre Annäherungsversuche jedoch ab. Als er nach Hause kommt, findet er die nackte Carmen in seinem Bett vor. Auch ihren Annäherungsversuchen widersteht er.

Ein Mann namens Harry Jones, der Agnes’ neuer Lebensgefährte ist, nimmt Kontakt zu Marlowe auf und bietet ihm an, ihm gegen Geld den Ort zu verraten, an dem sich Mona Mars versteckt hält. Marlowe plant, ihn später zu treffen. Marsʼ Handlanger Canino scheint jedoch Jonesʼ und Agnesʼ Intentionen zu erraten und tötet Jones, noch bevor dieser die Chance hat, mit Marlowe zu sprechen. Marlowe gelingt es, Agnes noch vor Canino zu finden, und erhält die Informationen von ihr. Mona Mars hält sich in einer Autowerkstatt in Realito versteckt, aber als Marlowe sie aufsucht, wird er von Canino abgefangen, der ihn niederschlägt. Als Marlowe wieder aufwacht, ist er gefesselt und Mona Mars sitzt bei ihm. Mona Mars erzählt Marlowe, dass sie Regan seit Monaten nicht mehr gesehen hat. Sie habe sich nur versteckt, um ihrem Mann zu helfen, und besteht darauf, dass er Regan nicht umgebracht habe. Mona Mars löst Marlowes Fesseln, und er tötet Canino.

Am nächsten Tag sucht Marlowe ein letztes Mal den schwerkranken General Sternwood auf, der immer noch über Regans Verschwinden rätselt. Auf dem Weg aus dem Haus sieht Marlowe Carmen und nutzt die Gelegenheit, ihr die kleine Pistole zurückzubringen, die er ihr in Brodys Wohnung entwunden hat. Er bietet Carmen an, ihr Schießunterricht zu geben. Um unbeobachtet zu bleiben, suchen sie ein abgelegenes Ölfeld in der Nähe von General Sternwoods Haus auf. Dort versucht Carmen Marlowe zu töten, doch er hat die Pistole mit Schreckschusspatronen geladen. Marlowe bringt Carmen ins Haus zurück und erzählt Vivian dort, dass er jetzt weiß, wieso Regan verschwunden ist. Carmen hatte versucht, Rusty zu verführen, und so wie Marlowe hatte auch er ihre Annäherungsversuche abgelehnt. Carmen hat daraufhin Regan erschossen. Eddie hat Vivian geholfen, den Mord ihrer Schwester zu vertuschen, indem er die Geschichte in Umlauf brachte, dass seine Frau mit Regan durchgebrannt sei. Danach begann er Vivian zu erpressen. Vivian macht Marlowe klar, dass sie alles getan habe, um ihren sterbenskranken Vater zu schonen, und verspricht ihm, ihre Schwester in eine psychiatrische Anstalt einzuliefern.

Figuren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Philip Marlowe zählt zu den sogenannten „hardboiled“ Privatdetektiven, einer Figur des angloamerikanisch geprägten Kriminalromans, die eine illusionslose bis zynische Sicht auf die Welt hat und wenig Rücksicht auf geltende Gesetzesformen nimmt. Er macht skrupellos von der Schusswaffe Gebrauch und lebt in latentem Konflikt mit der Polizei. Letzteres nicht zuletzt deshalb, weil er früher Assistent des Bezirksstaatsanwalts (District Attorney) war, der ihm Insubordination vorwarf.
  • General Sternwood ist der Auftraggeber von Philip Marlowe. Nach einem Reitunfall ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Schwerkrank und gezeichnet wird er offenbar nicht mehr lange leben. Er hat zwei Töchter, die mit Rusty Regan verheiratete Vivian und Carmen.
  • Rusty Regan ist der vermisste Schwiegersohn von General Sternwood. Zwischen dem General und seinem Schwiegersohn bestand ein enges Verhältnis. Regan hat in Irland aufständische Truppen angeführt, kam danach in die USA und hat ein offenbar nicht immer gesetzestreues Leben geführt.
  • Vivian Regan ist Regans Ehefrau und älteste Tochter von General Sternwood. Die Ehe mit Regan war bereits nach kurzer Zeit nicht sonderlich glücklich. Sie scheint kaum davon verletzt zu sein, dass Regan sie verlassen hat. Vivian versucht vergeblich, Marlowe zu verführen; sie ist wohl eine Spielerin, die häufig in dem Casino von Eddie Mars verkehrt und mit ihm offensichtlich auf gutem Fuß steht.
  • Carmen Sternwood ist die jüngere Tochter von General Sternwood, die ein ungezügeltes Leben führt. Ihr Verhalten deutet auf ein Drogen- und ein psychisches Problem hin. Die von ihr gemachten Nacktaufnahmen führen zu einem weiteren Erpressungsversuch.
  • Arthur Geiger wird zu Beginn der Romanhandlung ermordet, als er Nacktaufnahmen von Carmen Sternwood macht. Er betreibt in Los Angeles scheinbar ein Antiquariat, bei dem es sich jedoch in Wirklichkeit um eine Leihbücherei handelt, die Bücher pornographischen Inhalts verleiht.
  • Eddie Mars ist ein Spielcasinobetreiber in Los Angeles, dessen Frau Mona möglicherweise mit Regan durchgebrannt ist. Zu seinen Handlangern gehört unter anderem auch Canino.
  • Canino ist ein Handlanger von Eddie Mars, der skrupellos tötet. Er ist für den Mord an Harry Jones verantwortlich.
  • Harry Jones ist ein Kleinkrimineller, der bereit ist, gegen Geld den Aufenthaltsort von Mona Mars zu verraten. Dies kostet ihn das Leben. Marlowe ist Zeuge des Mordes, kann jedoch nicht mehr eingreifen.
  • Mona Mars ist die Ehefrau des Spielcasinobetreibers Eddie Mars und angeblich seit Wochen verschwunden, weil sie mit Rusty Regan durchgebrannt sein soll. In Wirklichkeit hat sie sich auf Bitten ihres Mannes versteckt, damit eine plausible Geschichte konstruiert werden kann, die das Verschwinden von Rusty Regan erklärt. Mona löst die Fesseln des von Canino niedergeschlagenen Marlowe, weil sie nicht Handlanger eines weiteren Mordes sein will. Marlowe ist dadurch in der Lage, Canino eine Falle zu stellen und ihn zu töten.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chandler schrieb Der große Schlaf, indem er – wie bei den meisten seiner Romane – seine zuvor publizierten Kurzgeschichten kannibalisierte.[1] Chandler nutzte dabei Geschichten, die er zuvor in dem Pulp-Magazin Black Mask veröffentlicht hatte, und überarbeitete sie so, dass sie eine kohärente Geschichte ergaben. Die zwei wichtigsten Geschichten, die Chandler für Der große Schlaf verarbeitete, sind Killer in the Rain (erschienen 1935) und The Curtain (veröffentlicht 1936). Die beiden Geschichten bauen nicht aufeinander auf und weisen auch keine gemeinsamen Figuren auf. Sie haben jedoch gemeinsame Charakteristiken, die es logisch erscheinen ließen, sie miteinander zu kombinieren: In beiden Geschichten gab es einen einflussreichen Vater, der über seine ungebärdige Tochter beunruhigt war. Chandler verschmolz die beiden Väter in eine neue Figur und machte dasselbe für die zwei Töchter. Dies führte zu den Figuren des General Sternwood und seiner ungebärdigen, drogenabhängigen und offensichtlich psychotischen Tochter Carmen. Chandler übernahm auch Elemente aus zwei anderen seiner Kurzgeschichten: Finger Man und Mandarinʼs Jade.[2]

Die Verarbeitung unterschiedlicher Kurzgeschichten führte bei Chandler mehrfach zu Romanhandlungen, in denen nicht alle Fragen geklärt sind. Im Fall von Der große Schlaf bleibt letztlich ungeklärt, wer eigentlich den Chauffeur ermordet hat. Als Howard Hawks 1946 Tote schlafen fest verfilmte, war das Drehbuchteam nicht in der Lage, darauf die Antwort zu finden. Hawks kontaktierte Chandler und Chandler antwortete ihm, dass auch er keine Ahnung habe.[3] Für Chandler war die Handlung nahezu nebensächlich. Was für ihn im Vordergrund stand, waren die Atmosphäre und Figuren, die in einer glaubwürdigen Weise agierten.

Ausgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • The Big Sleep, 1939
    • Der tiefe Schlaf, 1950: Übersetzt von Mary Brand, erschienen im Nest Verlag, Nürnberg
    • Der große Schlaf, 1974: Übersetzt von Gunar Ortlepp, erschienen im Diogenes-Verlag, Zürich
    • Der große Schlaf, 2013: Übersetzt von Gunar Ortlepp, illustriert von Thomas M. Müller, Edition Büchergilde, Frankfurt am Main
    • Der große Schlaf, 2019: Übersetzt von Frank Heibert, erschienen im Diogenes-Verlag, Zürich

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gene D. Phillips: Creatures of Darkness: Raymond Chandler, Detective Fiction, and Film Noir. University of Kentucky, Lexington, KY 2000, ISBN 0-8131-9042-8.
  • Armin Jaemmrich: Hard-boiled Stories und Films noirs: Amoralisch, zynisch, pessimistisch? Eine Analyse zu Dashiell Hammett, Raymond Chandler, James M. Cain, Cornell Woolrich, W.R. Burnett und anderen Autoren sowie zu maßgeblichen Films noirs. Frankfurt 2011, ISBN 978-3-00-039216-0.

Einzelbelege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. F. MacShane: The life of Raymond Chandler. 1st ed. E.P. Dutton, New York 1976, ISBN 0-525-14552-4, S. 67.
  2. F. MacShane: The life of Raymond Chandler. 1st ed. E.P. Dutton, New York 1976, ISBN 0-525-14552-4, S. 68.
  3. T. Hiney, F. MacShane: "The Raymond Chandler Papers", Letter to Jamie Hamilton, 21. März 1949, S. 105, Atlantic Monthly Press, 2000.