Theodor Hartwig (Philosoph)

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Theodor Hartwig (* 25. November 1872 in Wien als Theodor Herzl[1]; † 5. Februar 1958 in Brno[2]) war ein österreichischer Kulturphilosoph, Publizist und Funktionär in verschiedenen Organisationen der Freidenkerbewegung.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theodor Hartwig wurde 1872 als Theodor Herzl in eine jüdische Familie geboren. 1895, während seines Studiums der Soziologie, konvertierte er zum Katholizismus und änderte zugleich seinen Namen, letzteres, um nicht mit dem damals bekannten Zionisten Theodor Herzl verwechselt zu werden. Zwischen 1896 und 1920 war er mit Catharina Hess verheiratet[3], aus dieser Ehe entstammen die späteren Schriftstellerinnen Mela Spira und Grete Manschinger. Ein später geborener Sohn Kurt nahm sich 1924 das Leben.[4]

Ab 1902 war er Lehrer an der N.Ö. Landes-Oberreal- u. Gewerbeschule in Wiener Neustadt, ab 1905 Assistent an der technischen Anstalt in Berlin.[2]

Hartwigs Konversion zum Katholizismus war nur pro forma geschehen. Alle seine Schriften, mit denen er seit den 1920er Jahren hervortrat – inzwischen hatte er eine akademische Karriere zum Professor der Soziologie hinter sich – sind von einem entschiedenen Antiklerikalismus und Atheismus getragen. Hartwig trat nun als Funktionär und Organisator verschiedener Freidenkergruppierungen, insbesondere der „proletarischen Freidenker“, hervor. Er war zeitweiliger Herausgeber regionaler (z. B. Freier Gedanke. Organ des Bundes Proletarischer Freidenker in der CSR.) wie überregionaler (z. B. Der Atheist. Organ der Internationalen Freidenker-Union) Zeitschriften. Obwohl er bis Ende der 1930er Jahre Marxist war, hat er sich nie einer marxistischen Partei angeschlossen.

Obwohl Hartwig Professor war, waren seine Schriften keine professoral wissenschaftlichen, sondern auf wissenschaftlicher Basis geschriebene Popularisierungen der marxistischen Weltsicht. Ihr Zweck war es, die Menschen zu ermutigen, dem Marx’schen Satz gemäß zu handeln, wonach es darauf ankomme, die Welt zu verändern. Dabei knüpfte Hartwig, der die Einsichten der jungen Psychoanalyse rezipierte, nicht nur an die ökonomischen Probleme der Menschen an, sondern auch an die persönlichen, psychischen, deren tiefere Ursachen er ebenfalls aus der bestehenden Gesellschaftsordnung heraus erklärte und deshalb für deren Veränderung plädierte.[5] Obwohl er kein Psychologe war, kam er so den Bestrebungen der Sexpol-Bewegung sehr nahe, die der 1933 aus der KPD ausgeschlossene Psychoanalytiker Wilhelm Reich begründet hatte. Hartwig besprach die Massenpsychologie des Faschismus und andere Bücher Reichs sehr positiv in einigen freidenkerischen Zeitschriften und schrieb in den 1930er Jahren in Reichs Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie.[6]

Schon in seinen „Kritischen Bemerkungen zum VIII. internationalen Philosophen.Kongress 1934 in Prag“[7] ist eine Verlagerung von Hartwigs schriftstellerischen Ambitionen zu bemerken. Seine Zielgruppe sind nicht mehr die Massen, sondern die fortschrittlichen Intellektuellen, die durch den politischen Sieg des Nationalsozialismus und die stalinistische Entwicklung in der Sowjetunion orientierungslos zu werden drohen. Verstärkt ist Hartwigs Tendenz zur Philosophie in seinem ersten Buch nach dem Kriege zu bemerken. Doch ist er nach wie vor ein politischer Kopf, was schon der Untertitel zu seiner Abhandlung über den Existentialismus deutlich signalisiert: eine politisch reaktionäre Ideologie.

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der kosmopolitische Gedanke. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte und Kritik der Humanisierungsbestrebungen der Menschheit. Ludwigsburg: Verlag „Friede durch Recht“ 1924.
  • Jesus oder Karl Marx? Wien: Verlag Rudolf Cerny 1925, erw. Auflage 1926.
  • Mit oder ohne Gott? Eine Kapuzinerpredigt in sozialistischer Beleuchtung. Wien: Verlag Rudolf Cerny 1926.
  • Soziologie und Sozialismus. Einführung in die materialistische Geschichtsauffassung. Jena: Urania-Verlagsgesellschaft 1927.
  • Die Revolutionierung der Frau. Tetschen-Bodenbach/CSR: Bund proletarischer Freidenker 1927.
  • [mit Max Adler, Fritz Lewy u. a.]: Unsere Stellung zu Sowjet-Russland. Lehren und Perspektiven der russischen Revolution. Mit einem Vorwort von Max Seydewitz. Berlin: Marxistische Verlagsgesellschaft 1931.
  • Der Faschismus in Deutschland. Freidenkerbund von Nordamerika, Wisconsin 1933 (landete auf der Liste der von den Nationalsozialisten verbotenen Schriften).[8]
  • Die Krise der Philosophie. Kritische Bemerkungen zum VIII. Internationalen Philosophenkongress 1934 in Prag. Prag: Verlag Michael Kacha 1935.
  • Der Sinn der „religiös-sittlichen“ Erziehung. In: Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie, 4 (1937), Heft 3, S. 203–205 (online).
  • Die Tragödie des Schlafzimmers. Beiträge zur Psychologie der Ehe. Wien: Verlag Rudolf Cerny 1947.
  • Der Existentialismus. Eine politisch reaktionäre Ideologie. Wien: Verlag Rudolf Cerny 1948.
  • Hamlets Hemmungen. Eine psychologische Studie. Wien: Verlag Rudolf Cerny 1952.

Nachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Geburtenbuch IKG Wien, Band E, Nr. 4257 (Faksimile bei FamilySearch, kostenlose Registrierung erforderlich).
  2. a b Hartwig, Theodor. In: Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer und Gabriele Mauthe (Hrsg.): Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert. Band 1. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 508.
  3. Trauungsbuch Wien Rossau, tom. XIV, fol. 417 (Faksimile).
  4. Vgl. Hartwigs Buch Vorbei... Skizzen und Reflexionen. Wien: Anzengruber-Verlag Brüder Suschitzky 1927. Das Buch beginnt mit einem montierten Porträt von Hartwigs "Sohn, Freund und Kampfgenossen" Kurt, dem es auch gewidmet ist.
  5. Hartwig rechtfertigt dies im Vorwort zu Soziologie und Sozialismus: „Eigenartig mag es vielleicht berühren, dass ich der seelischen Entwicklung des Menschen ein besonderes Augenmerk zugewendet habe.“ Dies habe er getan, weil dem Marxismus — zu Unrecht — vorgeworfen werde, er sehe den Menschen nur als Marionette des Wirtschaftsgetriebes.
  6. Buchrezensionen und kleinere Artikel, z. B. Der Sinn der „religiös-sittlichen“ Erziehung. In: Zeitschrift für Politische Psychologie und Sexualökonomie, 4 (1937), Heft 3, S. 203–205.
  7. Die Krise der Philosophie 1935
  8. Eintrag in der Liste der verbotenen Bücher

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]