Tiopronin

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Strukturformel
Tiopronin-Enantiomere
1:1-Gemisch aus (R)-Tiopronin (oben) und (S)-Tiopronin (unten)
Allgemeines
Freiname Tiopronin
Andere Namen
  • (RS)-N-(2-Mercapto-1-oxopropyl)glycin
  • (RS)-N-(2-Mercaptopropionyl)glycin
  • (RS)-α-Mercaptopropionylglycin
  • DL-N-(2-Mercapto-1-oxopropyl)glycin
  • DL-N-(2-Mercaptopropionyl)glycin
  • DL-α-Mercaptopropionylglycin
  • rac-N-(2-Mercapto-1-oxopropyl)glycin
  • rac-N-(2-Mercaptopropionyl)glycin
  • rac-α-Mercaptopropionylglycin
Summenformel C5H9NO3S
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 217-778-4
ECHA-InfoCard 100.016.163
PubChem 5483
ChemSpider 5283
DrugBank DB06823
Wikidata Q414456
Arzneistoffangaben
ATC-Code

R05CB12

Wirkstoffklasse

Urologikum, Lebertherapeutikum, Antidot

Eigenschaften
Molare Masse 163,19 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

95–97 °C[1]

Löslichkeit

löslich in Wasser[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[2]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tiopronin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Chelatbildner, der in der Behandlung von Schwermetallvergiftungen – insbesondere Quecksilber, Kupfer und Eisen – eingesetzt wird. Die Arzneiwirkung entfaltet sich durch eine funktionelle Thiolgruppe (SH-Gruppe) im Molekül, die Schwermetalle über eine Chelatkomplexbildung abfängt, wodurch eine renale Ausscheidung möglich wird.[3] Dieser Wirkmechanismus kommt auch bei der krankhaft gesteigerten Einlagerung von Kupfer (Morbus Wilson) und Eisen (Hämochromatose) zum Tragen.

Ein weiteres Anwendungsgebiet von Tiopronin ist Cystinurie. Bei dieser Erbkrankheit kommt es zu einer erhöhten Ausscheidung der schwer löslichen Aminosäure Cystin und damit verbunden zu einem erhöhten Risiko für Urolithiasis (Harnsteinbildung).[4][5] Tiopronin reduziert die Disulfidbrücke des Cystins und überführt es in einen gut löslichen Cystein-Tiopronin-Komplex.[5] In der Folge sinkt das Risiko für die Bildung von Cystinsteinen: In Studien wurde die Steinrate unter Behandlung mit Tiopronin um 60 % gesenkt, die Anzahl chirurgischer Eingriffe um 72 %.[6] Tiopronin ist hierfür die einzige, in der Leitlinie für Urolithiasis der Deutschen Gesellschaft für Urologie empfohlene Therapie.[5]

In Deutschland wird Tiopronin unter dem Handelsnamen Thiola® in einer Dosierung von 100 bzw. 250 mg vertrieben.[3] Es handelt sich um überzogene Tabletten, welche über den Tag verteilt etwa eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten unzerkaut und mit reichlich Flüssigkeit geschluckt werden sollten. Die Dosierung variiert dabei nach Alter, Indikation und Körpergewicht. An Cystinurie erkrankte Kinder können z. B. bereits ab zehn bis zwölf kg bzw. ein bis zwei Jahren mit Tiopronin behandelt werden.[4]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Eintrag zu Tiopronin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 10. November 2014.
  2. a b Datenblatt N-(2-Mercaptopropionyl)glycine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 5. Februar 2018 (PDF).
  3. a b Gelbe Liste Online: Tiopronin. In: Gelbe Liste Pharmindex. Abgerufen am 30. März 2022.
  4. a b Gebrauchsinformation: Information für Patienten, Thiola® 100 mg überzogene Tabletten. Desitin Arzneimittel GmbH, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. März 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.desitin.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  5. a b c S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Arbeitskreis Harnsteine der Akademie der Deutschen Urologen, Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., 1. Mai 2019, abgerufen am 30. März 2022.
  6. A. Lindell, T. Denneberg, E. Hellgren, J. -O. Jeppsson, H. -G. Tiselius: Clinical course and cystine stone formation during tiopronin treatment. In: Urological Research. Band 23, Nr. 2, Mai 1995, S. 111–117, doi:10.1007/BF00307941.