Tuperssuatsiait

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Tuperssuatsiait
Faseriges, braungelbes Tuperssuatsiait-Büschel vom Wind Mountain, Cornudas Mountains, Otero County (New Mexico), USA (Sichtfeld 2 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1984-002[1]

IMA-Symbol

Tup[2]

Chemische Formel
  • Na2(Fe3+,Mn2+)3Si8O20(OH)2·4H2O[1]
  • NaFe3+3[OH|Si4O10]2·H2O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Schichtsilikate (Phyllosilikate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/H.33-010

9.EE.20
74.03.01a.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe C2/m (Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12
Gitterparameter a = 13,73 Å; b = 18,00 Å; c = 4,83 Å
β = 104,3°[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Zwillingsbildung nach {100}[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2 bis 3[5]
Dichte (g/cm3) berechnet: 2,28[4]
Spaltbarkeit gut nach {100}[4]
Bruch; Tenazität uneben; spröde[4]
Farbe farblos, braungelb bis braunrot[4] oder goldgelb bis orangegelb[6] selten auch blaugrün[7]
Strichfarbe bräunlichgelb[5]
Transparenz durchsichtig[4]
Glanz Glas- bis fast Metallglanz, in Aggregaten auch Seidenglanz bis matt[4][6]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,539[6]
nβ = 1,560[6]
nγ = 1,595[6]
Doppelbrechung δ = 0,056[6]
Optischer Charakter zweiachsig positiv[6]
Achsenwinkel 2V = 103° bis 103° (gemessen), 78° (berechnet)[6]

Tuperssuatsiait (IMA-Symbol Tup[2]) ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung Na2(Fe3+,Mn2+)3Si8O20(OH)2·4H2O[1] und damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Natrium-Eisen-Silikat mit zusätzlichen Hydroxidionen. Zudem ist bei natürlichen Tuperssuatsiaiten überwiegend ein geringer Anteil des Eisens durch Mangan vertreten (Substitution, Diadochie), wobei beide Anteile gemeinsam jedoch immer im selben Mengenverhältnis zu den anderen Bestandteilen des Minerals stehen.

Tuperssuatsiait kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und gehört strukturell zu den Schichtsilikaten. Das Mineral entwickelt meist nadelige bis klingenförmige Kristalle, die nach der c-Achse [001] gestreckt sind und bis etwa zwei Zentimeter[4] lang werden können. Die Oberflächen der durchsichtigen Kristalle weisen einen glas- bis fast metallähnlichen Glanz auf. Typischerweise findet sich Tuperssuatsiait allerdings in eher durchscheinend wirkenden und radialstrahligen bis kugelförmigen, feinfaserigen Mineral-Aggregaten mit seidig schimmernden bis matten Oberflächen.

In reiner Form ist Tuperssuatsiait farblos. Durch Fremdbeimengungen nimmt er jedoch meist eine braungelbe bis braunrote oder goldgelbe bis orangegelbe Farbe an. Selten wurden auch blaugrüne Tuperssuatsiaite gefunden.[7]

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entdeckt wurde Tuperssuatsiait erstmals in einer Bucht am Küstenabschnitt Tupersuatsiaat (nach alter Rechtschreibung Tuperssuatsiait; deutsche Übersetzung: ziemlich große Zelte), genauer in den Pegmatiten des dort entlang streichenden „Ilimmaasaq-Komplexes“ (auch Ilimaussaq-Komplex oder englisch Ilímaussaq complex) an der Südküste des Fjords Tunulliarfik 12 km westlich von Narsaq im Süden Grönlands. Die Analyse und Erstbeschreibung erfolgte durch Sven Karup-Møller (* 1936)[8] und Ole Valdemar Petersen (1939–2020)[9], die das Mineral nach dessen Typlokalität benannten.

Karup-Møller und Petersen reichten ihre Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 1984 zur Prüfung bei der International Mineralogical Association ein (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1984-002[1]), die den Tuperssuatsiait als eigenständige Mineralart anerkannte. Die Publikation der Erstbeschreibung folgte noch im gleichen Jahr in den Monatsheften des Fachmagazins Neues Jahrbuch für Mineralogie. Die Anerkennung wurde 1985 bei der Publikation der New Mineral Names im Fachmagazin American Mineralogist nochmals bestätigt.

Das Typmaterial des Minerals wird in der Mineralogischen Sammlung der Universität Kopenhagen in Dänemark sowie im National Museum of Natural History in Washington, D.C. in den USA unter der Sammlungs-Nr. 162402 aufbewahrt.[4]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der Tuperssuatsiait erst 1984 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet.

Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/H.33-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort der Abteilung „Schichtsilikate“, wobei in den Gruppen VIII/H.29 bis H.37 die Schichtsilikate mit anderen Einfachschichten [Si6O15]6− und andere eingeordnet sind. Tuperssuatsiait bildet hier zusammen mit Falcondoit, Ferrisepiolith, Kalifersit, Loughlinit, Palygorskit, Sepiolith, Windhoekit und Yofortierit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe (Stand 2018).[5]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Tuperssuatsiait ebenfalls in die Abteilung der „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Schichten, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Einfache tetraedrische Netze aus 6-gliedrigen Ringen, verbunden über oktaedrische Netze oder Bänder“ zu finden ist, wo es zusammen mit Palygorskit und Yofortierit die „Palygorskitgruppe“ mit der System-Nr. 9.EE.20 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Tuperssuatsiait in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Schichtsilikate: modulierte Lagen“ ein. Hier ist er zusammen mit Kalifersit, Palygorskit und Yofortierit in der „Palygorskit-Sepiolithgruppe (Palygorskit-Untergruppe)“ mit der System-Nr. 74.03.01a innerhalb der Unterabteilung „Schichtsilikate: modulierte Lagen mit verbundenen Streifen“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tuperssuatsiait kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/m (Raumgruppen-Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12 mit den Gitterparametern a = 13,73 Å; b = 18,00 Å; c = 4,83 Å und β = 104,3° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Modifikationen und Varietäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein ursprünglich als Ferripalygorskit beschriebenes Mineral stellte sich bei späteren Untersuchungen als Varietät von Tuperssuatsiait heraus.[11][12]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goldgelber, haarförmiger Tuperssuatsiait aus dem Steinbruch Demix-Varennes, Kanada
Rötlichbraune Tuperssuatsiait-Aggregate aus den Aris-Steinbrüchen, Namibia (Sichtfeld 3 cm)
Goldgelbe Tuperssuatsiait-Büschel aus dem gleichen Fundort

Tuperssuatsiait bildet sich als späte Ausfällung in Hohlräumen niedriggradiger Adern. An seiner Typlokalität in der Tuperssuatsiat-Bucht fand sich das Mineral in Paragenese mit Aegirin, Albit, Natrolith, Orthoklas, Sodalith und Steenstrupin.

Als seltene Mineralbildung konnte Tuperssuatsiait bisher nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher etwas mehr als 10 Fundstätten dokumentiert sind (Stand 2021).[13] Außer an der genannten Typlokalität trat das Mineral in Grönland noch am Nordufer des Tunulliarfik-Fjords sowie in den Lilleelv-Pegmatiten im Kangerdluarssuq-Fjord (auch Kangerluarsuk) in der gleichen Kommune auf.

Bekannte Fundstätten für gut ausgebildete Tuperssuatsiaite sind die „Aris-Steinbrüche“ (Ariskop Quarry und Railway Quarry) mit Phonolithen und trachybasaltischen Gängen nahe dem gleichnamigen Ort etwa 25 km südlich von Windhoek in Namibia mit fast seeigelähnlich rötlichbraunen, aber auch goldgelben Aggregaten. Hier traten neben einigen der bereits genannten noch weitere Begleitminerale wie Analcim, Apophyllit, Aragonit, Bastnäsit, Eudialyt, Makatit, Mikroklin, Villiaumit und Titanit hinzu.[4]

Innerhalb von Europa fand sich Tuperssuatsiait bisher nur in einem pegmatitischen Natrolith-Stock am Berg Karnassurt im Lowosero-Tundra-Massiv auf der Halbinsel Kola in der russischen Oblast Murmansk.

Weitere bisher bekannte Fundorte sind der Steinbruch Bortolan bei Poços de Caldas im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, die Steinbrüche Poudrette am Mont Saint-Hilaire und Demix-Varennes nahe Varennes und Saint-Amable in der kanadischen Provinz Québec mit ebenfalls goldgelben, haarförmigen Tuperssuatsiaitfunden und der Wind Mountain im Otero County des US-Bundesstaates New Mexico.[14]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • S. Karup-Møller, O. V. Petersen: Tuperssuatsiaite, a new mineral species from the Ilímaussaq intrusion in South Greenland. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Monatshefte. 1984, S. 501–512 (englisch).
  • Pete J. Dunn, James A. Ferraiolo, Michael Fleischer, Volker Gobel, Joel D. Grice, Richard H. Langley, James E. Shigley, David A. Vanko, Janet A. Zilczer: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 70, 1985, S. 1329–1335 (englisch, rruff.info [PDF; 731 kB; abgerufen am 6. Januar 2021]).
  • John Leslie Jambor: New Mineral Names. New Data. In: American Mineralogist. Band 77, 1992, S. 1305–1309 (englisch, rruff.info [PDF; 548 kB; abgerufen am 6. Januar 2021]).
  • Fernando Cámara, Laurence A. J. Garvie, Bertrand Devouard, Thomas L. Groy, Peter R. Buseck: The structure of Mn-rich tuperssuatsiaite: a palygorskite-related mineral. In: American Mineralogist. Band 87, 2002, S. 1458–1463 (englisch, rruff.info [PDF; 152 kB; abgerufen am 6. Januar 2021]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tuperssuatsiaite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2022, abgerufen am 27. Januar 2023 (englisch).
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 27. Januar 2023]).
  3. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 681 (englisch).
  4. a b c d e f g h i j Tuperssuatsiaite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 83 kB; abgerufen am 6. Januar 2021]).
  5. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b c d e f g h Tuperssuatsiaite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. Januar 2021 (englisch).
  7. a b Bild blaugrünen Tuperssuatsiait-Büscheln aus den Aris Steinbrüchen, Aris, Windhoek Rural, Region Khomas, Namibia. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. Januar 2021 (englisch).
  8. Karupmøllerite-Ca. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Januar 2021 (englisch).
  9. Ole Johnsen, Robert A. Gault, Joel D. Grice, William D. Birch: Ole Valdemar Petersen (1939–2020). In: Mineralogical Magazine. Band 84, Nr. 3, Juni 2020, S. 491–492, doi:10.1180/mgm.2020.34 (englisch).
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 27. Januar 2023 (englisch).
  11. Glossary of Obsolete Mineral Names – F. (PDF 398 kB) Mineralogical Record, 14. August 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Januar 2021; abgerufen am 6. Januar 2021 (englisch).
  12. M. H. Hey, P. G. Embrey: Twenty-Eighth List of New Mineral Names. In: Mineralogical Magazine. Band 39, Nr. 308, Dezember 1974, S. 903–932 (englisch, rruff.info [PDF; 2,0 MB; abgerufen am 6. Januar 2021]).
  13. Localities for Tuperssuatsiaite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 6. Januar 2021 (englisch).
  14. Fundortliste für Tuperssuatsiait beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 6. Januar 2021.