1,1-Dichlorethen

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Strukturformel
Strukturformel von 1,1-Dichlorethen
Allgemeines
Name 1,1-Dichlorethen
Andere Namen
  • Vinylidendichlorid
  • Vinylidenchlorid
  • 1,1-Dichlorethylen
Summenformel C2H2Cl2
Kurzbeschreibung

farblose bis gelbliche brennbare Flüssigkeit mit süßlichem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 75-35-4
EG-Nummer 200-864-0
ECHA-InfoCard 100.000.786
PubChem 6366
Wikidata Q161284
Eigenschaften
Molare Masse 96,95 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[1]

Dichte

1,25 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

−122 °C[1]

Siedepunkt

32 °C[1]

Dampfdruck
Löslichkeit

schlecht in Wasser (3,4 g·l−1 bei 25 °C)[1]

Brechungsindex

1,4249 (20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 224​‐​301​‐​332​‐​319​‐​351​‐​372​‐​373​‐​411
P: 210​‐​233​‐​273​‐​301+310​‐​304+340+312​‐​403+233[1]
MAK

DFG/Schweiz: 2 ml·m−3 bzw. 8 mg·m−3[1][4]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0
  • −23,9 kJ/mol (flüssig)[5]
  • 2,8 kJ/mol (gasförmig)[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

1,1-Dichlorethen (auch Vinylidenchlorid) ist ein ungesättigter Halogenkohlenwasserstoff, der in der Natur nicht vorkommt und als Ausgangsmaterial zur Herstellung des Kunststoffs Polyvinylidenchlorid (PVdC) dient.

Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die technische Darstellung ist aus dem Zwischenprodukt 1,1,1-Trichlorethan (CCl3–CH3) möglich, indem man mit Natronlauge (NaOH) Chlorwasserstoff abspaltet.

Synthese von 1,1-Dichlorethen
Synthese von 1,1-Dichlorethen

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Physikalische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1,1-Dichlorethen ist eine scharf riechende, farblose Flüssigkeit, die unlöslich in Wasser ist, gut löslich in Ethanol, Diethylether, Aceton, Benzol und Chloroform. Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in kPa, T in K) mit A = 4,10780, B = 1104,726 und C = −35,403 im Temperaturbereich von 244,79 K bis 305,6 K.[6]

Chemische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1,1-Dichlorethen kann eine Polymerisationsreaktion eingehen. Die Polymerisationswärme beträgt −70 kJ·mol−1 bzw. −722 kJ·kg−1.[7]

Sicherheitstechnische Kenngrößen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1,1-Dichlorethen bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei −25 °C.[1][8] Der Explosionsbereich liegt zwischen 6,57 Vol.‑% (260 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 15 Vol.‑% (6005 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[1][8] Die Grenzspaltweite wurde mit 3,91 mm bestimmt.[1][8] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA. Die Zündtemperatur beträgt 530 °C.[8][1] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1.

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptverwendung ist die Polymerisation zu Polyvinylidenchlorid (PVdC), meist als Copolymer mit anderen Monomeren wie Vinylchlorid oder Acrylnitril. Markennamen der Produkte sind Diophan, Vertan, Diorit, Saran und Saranex. Diese Thermoplaste werden zu Folien, Beschichtungen oder Fasern für Spezialgewebe, säurefeste Taue und Borsten weiterverarbeitet. Weiterhin wird es in der Halbleiterproduktion zur Herstellung von hochreinen Siliciumdioxidfilmen verwendet.

Sicherheitshinweise/Toxizität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1,1-Dichlorethen wirkt auf das zentrale Nervensystem und ruft Symptome wie Müdigkeit, Rauschzustände, Krämpfe und bei hohen Konzentrationen Bewusstlosigkeit hervor. Der MAK-Wert für Vinylidenchlorid beträgt 8 mg·m−3.[1]

Die IARC stufte 1,1-Dichlorethen im Jahr 2017 als möglicherweise krebserzeugend ein.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Beyer, Walter: Lehrbuch der org. Chemie. Hirzel Verlag Stuttgart, 23. Auflage S. 87.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p Eintrag zu 1,1-Dichlorethen in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  2. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-154.
  3. Eintrag zu 1,1-dichloroethylene im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 75-35-4 bzw. 1,1-Dichlorethen), abgerufen am 2. November 2015.
  5. a b W. M. Haynes (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 97. Auflage. (Internet-Version: 2016), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-13.
  6. Hildenbrand, D.L.; McDonald, R.A.; Kramer, W.R.; Stull, D.R., Thermodynamic and spectroscopic study of vinylidene chloride. I. Thermodynamic properties of the solid, liquid, and ideal gas. In: J. Chem. Phys. 30 (1959) 930–934; doi:10.1063/1.1730128.
  7. Brandrup, J.; Immergut, E.H.; Grulke, E.A.; Abe, A.; Bloch, D.R.: Polymer Handbook, 4th Edition, Wiley-VCH 2003, ISBN 978-0-471-47936-9, S. II/370.
  8. a b c d E. Brandes, W. Möller: Sicherheitstechnische Kenngrößen - Band 1: Brennbare Flüssigkeiten und Gase, Wirtschaftsverlag NW – Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bremerhaven 2003.
  9. Yann Grosse, Dana Loomis, Kathryn Z Guyton, Fatiha El Ghissassi, Véronique Bouvard, Lamia Benbrahim-Tallaa, Heidi Mattock, Kurt Straif: Some chemicals that cause tumours of the urinary tract in rodents. In: The Lancet Oncology. 18, 2017, S. 1003–1004, doi:10.1016/S1470-2045(17)30505-3.