Zum Inhalt springen

Violins of Hope

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Vier Violins of Hope, ausgestellt bei einem Konzert in Buenos Aires, 2023

Violins of Hope (hebräisch כינורות של תקווה; Geigen der Hoffnung) ist ein Projekt, das sich der Sammlung, Restaurierung und Aufführung von Streichinstrumenten widmet, die den Holocaust überstanden haben. Initiiert wurde es von dem israelischen Geigenbauer Amnon Weinstein.

Entstehung und Zielsetzung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1980er Jahren entdeckte Amnon Weinstein (1939–2024) in der Geigenbauwerkstatt seines Vaters Moshe in Tel Aviv eine Reihe verstaubter eingelagerter Instrumente. Viele Überlebende der Shoah, die nach Israel eingewandert waren, hatten Moshe Weinstein ihre Violinen für wenig Geld überlassen oder ihm geschenkt, da die mit ihnen verbundenen Erinnerungen schwer zu ertragen waren. Der aus Litauen stammende Moshe Weinstein, der während der Shoah zahlreiche Angehörige verloren hatte und der nationalsozialistischen Verfolgung rechtzeitig entkommen war, bewahrte die Instrumente zunächst lediglich auf.[1]

Amnon Weinstein begann in den 1990er Jahren, in der Werkstatt seines Vaters diese oft stark beschädigten Instrumente zu restaurieren und sie systematisch zu erfassen. Einen wichtigen Anstoß dazu erhielt er durch den sächsischen Bogenbauer Daniel Schmidt, der ihn ermutigte, ihre Herkunft zu erforschen und die damit verbundenen Geschichten öffentlich zu machen.[1] Über mehrere Jahrzehnte hinweg baute Weinstein so eine Sammlung auf, die vorwiegend aus Violinen, aber auch aus Violoncelli besteht. Er bezeichnete seine Arbeit als seinen persönlichen Beitrag zum Gedenken an die Opfer der Shoah. Sein Ziel war, die historischen Instrumente in Konzerten wieder hörbar zu machen, um ihre Geschichten weiterzugeben und das Andenken an ihre früheren Besitzer wachzuhalten.[2]

Weinsteins Kollektion umfasst inzwischen über 70 Instrumente (Stand 2025).[1] Viele von ihnen wurden unter extremen Bedingungen erhalten, etwa versteckt in Kellern jüdischer Ghettos, aus Deportationszügen geworfen oder in Konzentrationslagern gespielt. Streichinstrumente, insbesondere Geigen, hatten während des Holocausts eine besondere Bedeutung: Sie waren zentrale Instrumente der Klezmer-Musik, galten als Symbole von Hoffnung und kultureller Identität und boten Musikern in Konzentrationslagern mitunter einen Weg zum Überleben. Jüdische Musiker wurden dort auch gezwungen, bei der Ankunft neuer Häftlinge oder bei Veranstaltungen der SS zu spielen; in Auschwitz existierten zeitweise bis zu acht Orchester. In Weinsteins Sammlung ist unter anderem die Geige der österreichischen Violinistin Alma Rosé enthalten, die das sogenannte Mädchenorchester von Auschwitz leitete.[3]

Einige Instrumente tragen Identifikationsmerkmale wie eingravierte Davidsterne oder die Namen ihrer früheren Besitzer. Deshalb betrieb Weinstein neben der restauratorischen Arbeit umfangreiche Provenienzforschung. Dabei nutzte er digitale Ressourcen sowie ein internationales Netzwerk von Informanten. Die Rekonstruktion der Besitz- und Nutzungsgeschichte der Instrumente bildet einen wesentlichen Bestandteil des Projekts. Viele Instrumente stammen aus Deutschland oder der ehemaligen Tschechoslowakei.[2]

Die restaurierten Instrumente werden unter der Bezeichnung Violins of Hope regelmäßig in Gedenkkonzerten weltweit eingesetzt und so einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Bedeutende Aufführungen waren das Konzert der Berliner Philharmoniker im Jahr 2015 anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz-Birkenau sowie Konzertreisen in Israel, europäischen Hauptstädten und den Vereinigten Staaten. Das Projekt gastierte unter anderem in Jerusalem, Paris, Madrid, Rom und Cleveland.[1]

Zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz fand am 27. Januar 2025 in der Berliner Philharmonie ein weiteres Gedenkkonzert statt. Unter der Leitung von Wladimir Jurowski spielte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin drei Werke, die sich mit dem musikalischen Erbe des Holocaust auseinandersetzen. Das Konzert eröffnete die Uraufführung der Komposition Aus Geigen Stimmen von Berthold Tuercke, geschrieben für 53 Violinen, eine Bratsche, ein Cello und Chor, die auf den Violins of Hope erklang. Der RIAS Kammerchor ergänzte die Aufführung mit gesungenen und gesprochenen Texten. Darüber hinaus standen das Streichtrio des tschechischen Komponisten Gideon Klein, das 1944 im Ghetto Theresienstadt entstanden war, sowie das Streichquartett Nr. 5 von Mieczysław Weinberg aus dem Jahr 1945 auf dem Programm.[1]

Musiker erklärten, das Spiel auf diesen Instrumenten sei mit einer besonderen emotionalen Intensität verbunden.[2] Guy Braunstein, langjähriger Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, äußerte nach einem Konzert der Violins of Hope in Israel, bei dem er auf der Violine von Auschwitz gespielt hatte:

„Ich habe tausende Konzerte gegeben, aber nie war ich so aufgewühlt wie in dem Moment, als ich die Geige aus Auschwitz in meiner Hand hielt.“[2]

Fortführung und Rezeption

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Amnon Weinstein wurde 2016 vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Steinmeier sagte: „Hinter jeder Ihrer kostbaren Geigen verbirgt sich eine menschliche Seele.“ Die Geigen stünden für sechs Millionen Opfer des Holocaust und seien eine Ermahnung, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Das Gedenkkonzert mit den Geigen der Hoffnung im Januar 2015 in Berlin bezeichnete Steinmeier als einen der bewegendsten Momente seiner Amtszeit.[3]

Auch in der Literatur wurde das Projekt thematisiert. Der Musikwissenschaftler James A. Grymes, Professor für Musikgeschichte an der University of North Carolina, veröffentlichte 2014 in den Vereinigten Staaten das Buch Violins of Hope, in dem er die Geschichten von sieben besonderen Geigen und ihren jüdischen Besitzern schildert und zugleich das Lebenswerk Amnon Weinsteins würdigt. Es wurde mit dem National Jewish Book Award ausgezeichnet und erschien 2017 unter dem Titel Die Geigen des Amnon Weinstein auch in deutscher Übersetzung.

Unter dem Titel Geigen der Hoffnung erschien 2016 zudem ein Buch des deutschen Schriftstellers Titus Müller, das er gemeinsam mit der Journalistin Christa Roth herausgab. Darin wechseln sich fiktive Erzählungen Müllers mit dokumentarischen Texten Roths ab, die für ihre Recherchen zu diesem Buch mehrfach Amnon Weinstein in Tel Aviv besuchte.

Seit dem Tod Amnon Weinsteins im Frühjahr 2024, über den auch die New York Times berichtete,[4] wird das Projekt von seinem ältesten Sohn Avshalom, Geigenbauer in dritter Generation, fortgeführt.[2]

  • James A. Grymes: Violins of Hope. Violins of the Holocaust – Instruments of Hope and Liberation in Mankind’s Darkest Hour. Harper Perennial, New York 2014, ISBN 978-0-06-224683-7 (englisch).
    • James A. Grymes: Die Geigen des Amnon Weinstein. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Reuß. Open House, Leipzig 2017, ISBN 978-3-944122-32-8.
  • Titus Müller, Christa Roth: Geigen der Hoffnung. Damit ihr Lied nie verklingt. adeo, Asslar 2016, ISBN 978-3-86334-117-6.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e Christine Schmitt: Berliner Philharmonie: Uraufführung mit den »Violins of Hope«. In: Jüdische Allgemeine. 8. Januar 2025, abgerufen am 30. September 2025.
  2. a b c d e Sammler Amnon Weinstein: Die Geige von Auschwitz. In: tagesspiegel.de. 27. Juli 2016, abgerufen am 30. September 2025 (mit Foto von Amnon Weinstein).
  3. a b Die „Geigen der Hoffnung“ und ihr Sammler. In: Deutsche Welle. 14. Dezember 2016, abgerufen am 30. September 2025.
  4. Michael S. Rosenwald: Amnon Weinstein, Who Restored Violins From the Holocaust, Dies at 84. In: The New York Times. 21. März 2024 (englisch, online (hinter Bezahlschranke)).