Vollständige Anlage

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Vollständige Anlage am Beispiel der Dorfkirche Marienfelde
Vollständige Anlage: Der Bau des ursprünglichen Westquerturms der Dorfkirche Mariendorf ist erst nach dem Mittelalter fortgesetzt worden.

Die vollständige Anlage ist einer der vier Grundrisstypen im Dorfkirchenbau der Romanik. Sie besteht aus dem schiffsbreiten Westquerturm, dem einschiffigen Langhaus mit anschließendem eingezogenem Chor und Apsis, also aus vier Bauteilen. Nicht selten werden dreiteilige Apsiskirchen, denen der Westquerturm fehlt, ebenfalls als „vollständige Anlage“ bezeichnet, obwohl sie mangels Turms eben nicht „vollständig“ sind. Für eine eindeutige Definition bezeichnet man die „vollständige Anlage“ daher besser als „vierteilige Apsiskirche“.

Unter den drei anderen romanischen Grundrisstypen im Dorfkirchenbau befindet sich neben der Chorturmkirche und dem Apsissaal auch die Chorquadratkirche, die aus einschiffigem Langhaus und eingezogenem Chor besteht. Da der Chorquadratkirche die Apsis fehlt, ist sie oft als Reduktionstyp der vierteiligen Apsiskirche interpretiert worden, die sich also an die „vollständige Anlage“ zeitlich anschließt und in die Frühgotik gehört. Dies ist jedoch nicht richtig, weil die Chorquadratkirche zeitlich parallel zur vollständigen Anlage schon in der Romanik erscheint, aber auch noch später in der Frühgotik.

Vollständige Anlagen in Brandenburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vierteilige Apsiskirche zählt aufgrund der großen Quaderzahl des Westquerturms und des gestaffelten Grundrisses zu den kostenaufwändigsten Grundrisstypen auf dem Barnim. Dieser Kostenaufwand ist nur möglich, wenn das Dorf möglichst hohe Einnahmen aus Ernteerträgen hat, die aus einer großen Gemarkung und guter Bodenqualität resultieren. Wie wichtig dieser „ökonomische Faktor“ ist, zeigt sich daran, dass von den 169 Siedlungen auf dem Barnim ein Drittel im Mittelalter ohne Steinkirche geblieben ist.

Oft hat der Westquerturm eine Bauunterbrechung in Höhe der Traufe des Langhauses erfahren, einerseits aus statischen Gründen, weil der Bodendruck des Turms wesentlich höher war als der der restlichen Kirche, um den oft beobachtbaren Riss zwischen Turm und Langhaus zu vermeiden. Andererseits haben sicherlich auch die erheblichen Baukosten für den Westquerturm eine Rolle gespielt. In den meisten Fällen ist aber der Turm nach dem Mittelalter in anderer Form vollendet worden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erich Bachmann: Kunstlandschaften im romanischen Kleinkirchenbau Deutschlands. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Band 8, 1941, S. 159–172.
  • Ulrich Waack: Bautypen mittelalterlicher Dorfkirchen in Berlin und der Mittelmark. In: Bernd Janowski, Dirk Schumann (Hrsg.): Dorfkirchen. Beiträge zur Architektur, Ausstattung und Denkmalpflege (= Kirchen im ländlichen Raum. Band 3). Lukas-Verlag, Berlin 2004, DNB 969352832, S. 121–138.
  • Ulrich Waack: Kirchenbau und Ökonomie. Zur Beziehung von baulichen Merkmalen mittelalterlicher Dorfkirchen auf dem Barnim und dessen Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte (= Kirchen im ländlichen Raum. Band 4). Lukas-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-936872-73-6.