Internationales Komitee der Vierten Internationale

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Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (Kurzbezeichnung IKVI) ist eine zentralisierte trotzkistische Organisation, die im November 1953 bei der Spaltung der Vierten Internationale entstand und die World Socialist Web Site betreibt. In Deutschland gehört ihr die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) an.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der pablistischen Mehrheit der Vierten Internationale in den späten 40er und frühen 50er Jahren herrschte eine Vorstellung vor, nach kurzer wirtschaftlicher Erholung stünde eine schwere kapitalistische Wirtschaftskrise unmittelbar bevor, die zu einem Dritten Weltkrieg führen müsse.[1] Der Kongress von 1946 betrachtete die Nachkriegszeit lediglich als kurzes Zwischenspiel, währenddessen die USA bereits einen Angriffskrieg auf die UdSSR vorbereiten würden.[2]

Ungeachtet der Einhegung des Kapitalismus durch die Systemkonkurrenz mit den kommunistischen Staaten des Ostblocks sowie Chinas hielt dieser Alarmismus bis in die fünfziger Jahre an. So wurde auf dem 3. Weltkongress 1951 erneut von konkreten Vorbereitungen zu einem neuen Weltkrieg gesprochen. Da für den Aufbau starker trotzkistischer Parteien nun aber keine Zeit mehr sei, sollten die Mitglieder der Vierten Internationale ihr Glück stattdessen im Entrismus suchen, sei es dass sie den existierenden stalinistischen Kommunistischen Parteien beitreten, durchaus auch mit dem Ziel, diese zu beeinflussen, oder dort, wo die Arbeitsbedingungen in den sozialdemokratischen Parteien als besser angesehen wurden, den sozialdemokratischen Parteien.[3]

Abspaltung von der Vierten Internationale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sowohl die alarmistische Einschätzung der Lage als auch die geforderte Konsequenz der Aufgabe einer eigenständigen trotzkistischen Organisierung stieß in Teilen der Internationale auf erwartbaren Widerspruch. Insbesondere die impliziten Hoffnungen auf eine Veränderung der stalinistischen Parteien konnten viele nicht teilen, während der Entrismus in sozialdemokratische Parteien weit weniger kritisch gesehen wurde.[4]

Dennoch stellte sich 1951 zuerst nur die Mehrheit der französischen PCI offen gegen den vorherrschenden Kurs. Erst als 1953 weitere Sektionen auf Konfrontationskurs mit der Internationale gingen, kam es zum Bruch: Gemeinsam mit der von Pierre Lambert angeführten PCI-Mehrheit (der späteren OCI) spalteten sich die US-amerikanische (SWP), englische („The Club“ unter Führung von Gerry Healy), schweizerische, neuseeländische und argentinische (unter Führung von Nahuel Moreno[5]) Sektion von der Vierten Internationale ab und schlossen sich zum Internationalen Komitee der Vierten Internationale zusammen.[6] Die abgespaltene Tendenz wird gelegentlich nach dem Führer der SWP, James P. Cannon, „Cannonisten“ genannt.[7]

Teilweise Wiedervereinigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1963 vereinigten sich jedoch viele Anhänger des IKVI, unter anderem die SWP,[8] wieder mit der Vierten Internationale,[9] deren neue Leitung nun Vereinigtes Sekretariat der Vierten Internationale genannt wurde. Die führenden Gegner dieser Wiedervereinigung waren Gerry Healy in England und Pierre Lambert in Frankreich.[10]

1971 verließ auch Lamberts Partei OCI das Internationale Komitee.[10] 1985 führte der Bruch mit der Workers Revolutionary Party um Gerry Healy zu einer weiteren Zersplitterung des IKVI.[10]

Sektionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Sektionen des aktuell von David North geführten Internationalen Komitees tragen den Namen Socialist Equality Party. Nach eigenen Angaben soll damit der zentralisierte Charakter der Organisation und ihr Kampf für internationalen Sozialismus und soziale Gleichheit betont werden.[10]

Offizielle Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI)
Land Partei
Australien Australien Socialist Equality Party[11]
Deutschland Deutschland Sozialistische Gleichheitspartei[12]
Frankreich Frankreich Parti de l’égalité socialiste[13]
Kanada Kanada Socialist Equality Party[14]
Sri Lanka Sri Lanka Socialist Equality Party[15]
Turkei Türkei Sosyalist Eşitlik Partisi[16]
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Socialist Equality Party[17]
Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich Socialist Equality Party[18]

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) sind der weltweite Jugendverband des Internationalen Komitees.[19] Außerdem existieren dem Internationalen Komitee angeschlossene nationale Gruppen, die noch keinen vollwertigen Parteistatus erlangt haben, in folgenden Ländern:

Land Gruppe
Indien Indien ICFI Supporters[20]
Irland Irland Socialist Equality Group[21]
Neuseeland Neuseeland Socialist Equality Group[22]
Pakistan Pakistan Marxist Voice[23]
Russland Russland und

Ukraine Ukraine

Young Guard of Bolshevik-Leninists[24]
Brasilien Brasilien Socialist Equality Group[25]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Internationales Komitee der Vierten Internationale: Die Vierte Internationale und die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution 1986 - 1995, Mehring Verlag Essen, 2020, ISBN 978-3-88634-143-6
  • David North: Das Erbe, das wir verteidigen. Ein Beitrag zur Geschichte der Vierten Internationale. Zweite überarbeitete Auflage, Mehring Verlag, Essen 2019, ISBN 3-88634-051-1
  • Daniel Bensaïd: Was ist Trotzkismus? Ein Essay. ISP, Köln 2004, ISBN 978-3-89900-108-2 (frz. Originalausgabe: PUF: Paris 2002).
  • Frank Nitzsche: „Aus dem Schatten in die Reichweite der Kameras“. Die Entwicklung trotzkistischer Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der neuen Sozialen Bewegungen von 1968 bis heute. Diss. Uni Siegen, 2009; im internet unter: http://dokumentix.ub.uni-siegen.de/opus/volltexte/2009/390/pdf/Historie_Trotzkismus.pdf

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. speziell hierzu Bensaïd 2002, 58: „Die internationale Konferenz vom April 1946 in […] ging trotz einer kurzen Erholung von einer andauernden Wirtschaftskrise aus.“
  2. Bensaïd 2002, 54, 60, 66: „Die Haltung, die damals unter den Führungsmitgliedern der IV. Internationale […] vorherrschte, war […] die Nachkriegszeit als eine Pause oder ein Zwischenspiel in einem Krieg, der in anderer Form weitergehen würde, zu sehen.“ / „Man meinte, dass Washington einen Krieg gegen die UdSSR vorbereite, […].“ / „Die Orientierung, die sich damals in der Internationale herausbildete, war direkt verbunden mit der Vorhersage eines neuen und unmittelbar bevorstehenden Weltkrieges.“
  3. Bensaïd 2002, 79: „Der tiefgehende Entrismus von 1952/1953 in den kommunistischen Parteien war von einer anderen Art [als der von Trotzki selbst in den 30er Jahren teilweise vertretene Entrismus], sicherlich aus praktischen Gründen, insofern der Monolithismus der Kommunistischen Parteien und ihr virulenter Antitrotzkismus Heimlichkeit erzwangen. Aber er entsprach auch einer langfristigen Entscheidung: Er reagierte nicht auf das Aufkommen von Differenzierungen, die in den Massenorganisationen existierten, sondern antizipierte und setzte auf die Unvermeidbarkeit von Brüchen als Folge des zu erwartenden“ – oder vielmehr: erwarteten! – „Krieges.“
  4. Vgl. Nitzsche 2009, 31: Die „RCP wurde im gleichen Jahr durch Healy und Lawrence gespalten, die mit dem Argument, dass die ökonomische Krise die Arbeiterschaft massenhaft in die Labour Party treiben würde, in diese eintraten und dort den ‚Klub‘ bildeten“. Dieser wurde unter Führung Healys erst 1959, also sechs Jahre nach der Spaltung der IV. Internationale, in die Socialist Labour League (SSL) umgewandelt.
  5. S. speziell zu ihm Bensaïd 2002, 55: „Die Delegierten der britischen Sektion auf dem 2. Weltkongress der IV. Internationale 1948 stellten […] gemeinsame Änderungsanträge mit dem argentinischen Delegierten Nahuel Moreno vor, in denen die Auswirkungen der Marshall-Planes auf die Wiederankurbelung der Produktion und die Stabilisierung des Kräfteverhältnisses in Europa festgehalten wurden.“
  6. Siehe zum Vorstehenden: Nitzsche 2009, 33 [mit FN 116], 40. Vgl. Bensaïd 2002, 73: „Internationale[s] Komitee, dessen Hauptbestandteile die SWP in den Vereinigten Staaten, die Socialist Labour League in Großbritannien, die Organisation Communiste Internationaliste in Frankreich und die Gruppe von Nahuel Moreno in Argentinien waren“
  7. Nitzsche 2009, 72, 300.
  8. Nitzsche 2009, 34
  9. Bensaïd 2002, 76: „Eine paritätische Kommission bereitete den Vereinigungskongress von 1963 vor (VII. Weltkongress), der die Sektionen von 26 Ländern zusammenführte und ein Dokument über Die Dialektik der Weltrevolution annahm, das die Grundlagen der Einigung festhielt“
  10. a b c d Nitzsche 2009, 40.
  11. SEP Australia. Abgerufen am 23. August 2023.
  12. SGP. Abgerufen am 23. August 2023.
  13. PES France. Abgerufen am 23. August 2023.
  14. SEP Canada. Abgerufen am 23. August 2023.
  15. SEP Sri Lanka. Abgerufen am 23. August 2023.
  16. SEP Turkey. Abgerufen am 23. August 2023.
  17. SEP United States. Abgerufen am 23. August 2023.
  18. SEP United Kingdom. Abgerufen am 23. August 2023.
  19. Website der IYSSE. Abgerufen am 25. Juli 2018.
  20. ICFI Supporters India. Abgerufen am 23. August 2023.
  21. SEG Ireland. Abgerufen am 23. August 2023.
  22. SEG (New Zealand). Abgerufen am 24. August 2023.
  23. Build the Pakistani section of the ICFI. Abgerufen am 24. August 2023.
  24. YGBL Russia and Ukraine. Abgerufen am 23. August 2023.
  25. SEG Brazil. Abgerufen am 23. August 2023.