Wenn alle untreu werden

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Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu“ ist die Auftaktzeile eines deutschen Volks- und Studentenliedes von Max von Schenkendorf aus dem Jahre 1814.

Das Lied unter dem Titel Erneuter Schwur in einem alten Kommersbuch

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schenkendorf versah das Lied mit der Widmung „Erneuter Schwur, an den Jahn, vonwegen des heiligen teutschen Reiches“. Ein Anstoß ging von einem gleichnamigen geistlichen Lied Novalis’ (gedruckt 1802) aus[1]. Die Melodie wurde in leicht abgewandelter Form von Pour aller à la chasse faut être matineux (Wer jagen will, muss früh aufstehen), einem französischen Jagdlied von 1724, übernommen. Sie ist durch das Trinklied Es saßen die alten Germanen zu beiden Ufern des Rheins populär geblieben.

Theodor Fontane zitiert das Lied in seinem Roman Vor dem Sturm und stellt den Bezug auf Novalis her.

Seit 1923 existiert auch eine Fassung mit einer Weise, die der niederländischen Nationalhymne (dem Wilhelmus) entlehnt worden ist.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Lied als „Treuelied“ von der Schutzstaffel (SS) verwendet. Im SS-Liederbuch war es „nach dem Deutschlandlied und dem Horst-Wessel-Lied […] exponiert an dritter Stelle“[2] aufgeführt. Die Fassung im SS-Liederbuch entspricht weitgehend dem Text Schenkendorfs, wobei die dritte Strophe entfiel. Laut dem Historiker Karsten Wilke wurde Treue innerhalb der SS als „wichtigste Tugend überhöht“, was sich auch im Wahlspruch Meine Ehre heißt Treue reproduziere. In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Lied von der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) intern und öffentlich weitergenutzt.[3]

Mit dem Lied wurde in der NS-Zeit jedoch auch Widerstand gegen das Regime zum Ausdruck gebracht. So berichtet Heinrich Böll in seinen Lebenserinnerungen, dass er Wenn alle untreu werden mit einem Freund aus Widerstand gegen das von der Hitlerjugend gesungene Horst-Wessel-Lied anstimmte – und deswegen Schwierigkeiten bekam.[4]

Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Geistliche Lieder. VI.
(Novalis)[5]

Wenn alle untreu werden,
So bleib’ ich dir doch treu;
Daß Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sey.
Für mich umfing dich Leiden,
Vergingst für mich in Schmerz;
Drum geb’ ich dir mit Freuden
Auf ewig dieses Herz.

Oft muß ich bitter weinen,
Daß du gestorben bist,
Und mancher von den Deinen
Dich lebenslang vergißt.
Von Liebe nur durchdrungen
Hast du so viel gethan,
Und doch bist du verklungen,
Und keiner denkt daran.

Du stehst voll treuer Liebe
Noch immer jedem bey,
Und wenn dir keiner bliebe,
So bleibst du dennoch treu;
Die treuste Liebe sieget,
Am Ende fühlt man sie,
Weint bitterlich und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.

Ich habe dich empfunden,
O! lasse nicht von mir;
Laß innig mich verbunden
Auf ewig seyn mit dir.
Einst schauen meine Brüder
Auch wieder himmelwärts,
Und sinken liebend nieder,
Und fallen dir ans Herz.

Erneuter Schwur. Junius 1814. An Friedrich Ludwig Jahn.
Max von Schenkendorf. 1814.[6]

Wenn alle untreu werden,
So bleib ich euch doch treu,
Daß immer noch auf Erden
Für euch ein Streiter sey.
Gefährten meiner Jugend,
Ihr Bilder beß’rer Zeit,
Die mich zu Männertugend
Und Liebestod geweiht.

Wollt nimmer von mir weichen,
Mir immer nahe seyn,
Treu wie die deutschen Eichen,
Wie Mond- und Sonnenschein.
Einst wird es wieder helle
In aller Brüder Sinn,
Sie kehren zu der Quelle
In Lieb’ und Reue hin.

Es haben wohl gerungen
Die Helden dieser Frist,
Und nun der Sieg gelungen
Uebt Satan neue List.
Doch wie sich auch gestalten
Im Leben mag die Zeit,
Du sollst mir nicht veralten,
O Traum der Herrlichkeit.

Ihr Sterne seyd mir Zeugen
Die ruhig niederschau’n,
Wenn alle Brüder schweigen
Und falschen Götzen trau’n;
Ich will mein Wort nicht brechen
Und Buben werden gleich,
Will predigen und sprechen
Von Kaiser und von Reich.

Erneuter Schwur. Von wegen
des heil. deutschen Reichs.
– An Jahn. Nach Max von
Schenkendorf. Textfassung um 1900.[7]

Wenn alle untreu werden,
so bleiben wir doch treu,
daß immer noch auf Erden
für euch ein Fähnlein sei.
Gefährten unsrer Jugend,
ihr Bilder bess’rer Zeit,
die uns zu Männertugend
und Liebestod geweiht.

Wollt nimmer von uns weichen,
uns immer nahe sein,
treu wie die deutschen Eichen,
wie Mond und Sonnenschein!
Einst wird es wieder helle,
in aller Brüder Sinn,
sie kehren zu der Quelle
in Lieb und Reue hin.

Es haben wohl gerungen
die Helden dieser Frist,
und nun der Sieg gelungen,
übt Satan neue List.
Doch wie sich auch gestalten
im Leben mag die Zeit,
Du sollst uns nicht veralten,
o Traum der Herrlichkeit.

Ihr Sterne seid uns Zeugen,
die ruhig niederschaun,
wenn alle Brüder schweigen
und falschen Götzen traun:
Wir wolln das Wort nicht brechen
und Buben werden gleich,
wolln predigen und sprechen
von Kaiser und von Reich!








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  Wenn al -- le un -- treu wer -- den, so blei -- ben wir doch treu,
  Ge -- fähr -- ten un -- srer Ju -- gend, ihr Bil -- der bess -- rer Zeit,
  die uns zu Män -- ner -- tu -- gend und  Lie -- bes -- tod ge -- weiht.
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Abweichend existieren für die letzte Zeile folgende unterschiedliche Versionen:

  • vom heil’gen deutschen Reich (bzw.: vom heil’gen teutschen Reich)
  • von unserm Österreich
  • von Gottes Himmelreich.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Wenn alle untreu werden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Novalis: Wenn alle untreu werden (zeno.org)
  2. Karsten Wilke: Die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit (HIAG) 1950–1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn / Wien 2011, ISBN 978-3-506-77235-0, S. 192 (zugleich Dissertation, Universität Bielefeld, 2010).
  3. Karsten Wilke: Die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit (HIAG) 1950–1990. Veteranen der Waffen-SS in der Bundesrepublik. Schöningh, Paderborn / Wien 2011, ISBN 978-3-506-77235-0, S. 194 (zugleich Dissertation, Universität Bielefeld, 2010).
  4. Heinrich Böll: Werke. Hrsg.: Árpád Bernáth. Kiepenheuer & Witsch, 2006, S. 431.
  5. In: Musen-Almanach für das Jahr 1802. Herausgegeben von A. W. Schlegel und L. Tieck. Tübingen 1802, S. 200ff. (Digitalisat)
  6. Max von Schenkendorf, Gedichte, 1815
  7. Textfassung bei Friedrich Silcher und Friedrich Erk in Schauenburgs Allgemeinem Deutschen Kommersbuch. 55.–58. Auflage, Moritz Schauenburg, Lahr [o. J.] [um 1900], S. 112. (Wikisource)