Wilhelm Kienzl
Wilhelm Kienzl (* 17. Januar 1857 in Waizenkirchen, Oberösterreich; † 3. Oktober 1941 in Wien) war ein österreichischer Komponist.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wilhelm Kienzl war Sohn des Rechtsanwalts und späteren Grazer Bürgermeisters Wilhelm Kienzl und dessen Frau Anna geb. Kafka.[1] Die Familie zog im Jahr 1860 nach Graz und Wilhelm erhielt dort Violinunterricht bei Ignaz Uhl sowie Klavierunterricht bei Johann Buwa und ab 1872 bei dem Chopin-Schüler Louis Stanislaus Mortier de Fontaine.[2] Ab 1874 studierte er in Wien Komposition bei W. A. Rémy, Musikästhetik bei Eduard Hanslick und Musikgeschichte bei Friedrich von Hausegger. Sein Studium setzte er 1876 in Prag bei Josef Krejčí fort, dann 1877 in Leipzig und kurz bei Franz Liszt in Weimar. In diesen Jahren begannen auch seine Besuche der Bayreuther Festspiele, und er blieb sein Leben lang ein Bewunderer der Musik Richard Wagners. So gründete Kienzl 1873 gemeinsam mit Dr. Friedrich von Hausegger und Friedrich Hofmann den „Grazer Richard-Wagner-Verein“ (heute: „Österreichische Richard-Wagner-Gesellschaft, Sitz Graz“).
Nach seiner Promotion bei Eduard Hanslick im Jahr 1879[1] reiste er als Pianist und Dirigent durch ganz Europa. 1883 wurde er Direktor der Deutschen Oper in Amsterdam, kehrte aber bald nach Graz zurück, wo er 1886 die Leitung des Steiermärkischen Musikvereins und Aufgaben am Konservatorium übernahm. Im selben Jahr heiratete er die Sängerin Pauline Hoke (* 13. Februar 1859 Linz; † 3. November 1919 Bad Aussee/St), die er in Bayreuth kennen gelernt hatte.[2] Für die Spielzeit 1890–91 war er von Bernhard Pollini als Kapellmeister am Stadt-Theater in Hamburg verpflichtet, aber bereits im Januar 1891 wurde er entlassen, weil die Kritiken über ihn sehr schlecht waren (sein Nachfolger war Gustav Mahler), und bald darauf auch in München. 1894 schrieb er seine dritte und berühmteste Oper Der Evangelimann, deren Erfolg er mit Don Quixote (1897) nicht wiederholen konnte. Lediglich Der Kuhreigen – uraufgeführt am 23. November 1911 in der Wiener Volksoper – wurde vergleichsweise häufig nachgespielt.
Im Jahr 1917 zog Kienzl nach Wien. Zwei Jahre später verstarb seine Frau Pauline in Bad Aussee und wurde auf dem dortigen Ortsfriedhof beigesetzt. Er heiratete 1921 Henny Bauer, die Librettistin seiner drei letzten Opern.[2]
1920 komponierte er die Melodie zu einem von Karl Renner geschriebenen Gedicht Deutschösterreich, du herrliches Land, welches bis 1929 als inoffizielle Nationalhymne der Ersten Österreichischen Republik galt. Seine Selbstbiografie Meine Lebenswanderung veröffentlichte er 1926 in Stuttgart.
Unter dem Eindruck der modernen Musikströmungen schrieb er ab 1926 keine großen Werke mehr und gab 1936 das Komponieren aus Krankheitsgründen ganz auf. Im Jahr 1937 erhielt er den Ehrenring der Stadt Wien.[3]
Im Jahr 1932, als Kienzl seinen 75. Geburtstag beging, erschien in der Vossischen Zeitung eine Hommage für ihn, in welcher insbesondere sein Evangelimann gerühmt wurde. Auch viele andere Werke wurden hervorgehoben.[4] Neben Engelbert Humperdinck und Siegfried Wagner, den Komponisten von Märchenopern, ist Wilhelm Kienzl der wichtigste Opernschöpfer der romantischen Wagner-Nachfolge. Zwar enthält der Evangelimann, bekannt durch die Arie Selig sind, die Verfolgung leiden, schon Elemente des aufkommenden Verismus, doch liegen Kienzls Stärken eher in volkstümlichen Szenen. In den letzten Jahren findet auch sein umfangreiches Liedschaffen wieder Beachtung.
Er ruht in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 C, Nummer 20).[5] Nach ihm benannt sind u. a. der Wilhelm-Kienzl-Park in Wien-Leopoldstadt, die Wilhelm Kienzl Gassen in Graz, Seiersberg und Leibnitz, die Dr. Wilhelm-Kienzl-Straße in Vöcklabruck. Wilhelm Kienzl Museen befinden sich in Paudorf und im Kienzl-Geburtshaus in Waizenkirchen. Die österreichische Post hat anlässlich seines 10. Todestages (1951)[6] und seines 150. Geburtstages (2007)[7] Sonderbriefmarken aufgelegt.
Wilhelm Kienzl war Mitglied des Akademischen Gesangsvereins Graz (heute Akademischen Sängerschaft „Gothia“ zu Graz).[8]
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Opern:
- Urvasi op. 20 (1884; UA 1886)[9]
- Heilmar der Narr op. 40 (1891; UA 1892)
- Der Evangelimann op. 45 (1894; UA 1895)
- Don Quixote op. 50 (1897; UA 1898)
- In Knecht Ruprechts Werkstatt. Weihnachtsmärchen op. 75 (1907)
- Der Kuhreigen op. 85 (1911)
- Das Testament op. 90 (1916)
- Hassan der Schwärmer op. 100 (1921; UA 1925)
- Sanctissimum. Melodramatische Allegorie op. 102 (1922: UA 1925)
- Hans Kipfel. Singspiel op. 110 (1926)
Melodramen:
- Die Brautfahrt op. 9
- 2 Melodramen op. 97
- Die Jungfrau und die Nonne op. 98
- Eine Marienballade von François Villon op. 119
Orchesterwerke:
- Abendstimmungen für Streichorchester und Harfe op. 53 (ursprünglich für Klavier 4hd.)
- Symphonische Variationen über das Straßburglied aus der Oper Der Kuhreigen op. 109a (Klavierfassung als op. 109b)
Kammermusik:
- 3 Phantasiestücke für Violine und Klavier op. 7
- Klaviertrio f-Moll op. 13
- Streichquartett Nr. 1 b-Moll op. 22
- Streichquartett Nr. 2 c-Moll op. 99
- Streichquartett Nr. 3 E-Dur op. 113
- Waldstimmungen für 4 Hörner op. 108
Klavierwerke:
- Skizzen op. 3
- Kahnszene op. 5
- Bunte Tänze op. 10
- Aus alten Märchen op. 12
- Aus meinem Tagebuch op. 15
- 30 Tanzweisen op. 21 (1881)
- Scherzo a-Moll op. 29
- Kinderliebe und -leben op. 30
- Romantische Blätter op. 34
- Tanzbilder op. 41
- Daheim! op. 43
- Dichterreise op. 46
- Carneval op. 51
- Bilder aus dem Volksleben op. 52
- Neue Klavierstücke op. 62
- O schöne Jugendtage! op. 80
- 20 Stücke in Ländlerform op. 95
Lieder:
- 2 Lieder op. 1
- 4 Lieder op. 2
- 2 Gedichte (A. Grün) op. 4
- 9 Lieder im Volkston op. 6
- 8 Lieder der Liebe op. 8 (1877)
- Liebesfrühling. Zyklus (F. Rückert) op. 11
- Süßes Verzichten. Zyklus op. 16
- Geliebt-Vergessen. Zyklus op. 18
- 3 Albumblätter op. 24
- 3 Lieder op. 25
- Abschied op. 27
- Kuriose Geschichte op. 28
- 3 Volkslieder op. 31
- 3 Lieder op. 32
- Frühlingslieder op. 33
- 2 Lieder aus Osten op. 35
- je 2 Lieder op. 37, op. 38, op. 39, op. 42
- 4 Lieder op. 44 (1894)
- 4 japanische Lieder op. 47
- Bonapartes Heimkehr op. 48 (1896)
- Waldmeister op. 49
- 6 Lieder op. 55
- Verwelkte Rosen op. 56
- 4 volkstümliche Gesänge op. 57
- 4 Lieder op. 61
- Pamphilische Hirtenlieder, 3 Lieder, op. 66
- 3 Lieder op. 69a
- Moderne Lyrik op. 71
- Aus Onkels Liedermappe op. 73 (1906)
- Weihnacht op. 74
- 5 Lieder op. 81
- 5 Lieder op. 82
- Ein Weihnachtslied op. 83
- 3 Duette op. 84
- Nachsommerblüten op. 87
- Das Lied vom Weltkrieg op. 91
- 7 Lieder op. 94
- Aus des Volkes Wunderhorn op. 96 (1919)
- 7 Lieder op. 106 (1926)
- 6 Lieder vom Glück op. 111
- 6 Lieder op. 114 (1930)
- 7 Lieder op. 120
- 3 Lieder op. 121
- 4 Lieder op. 123
Chorwerke:
- 2 Lieder op. 14
- 3 Stücke für Männerchor op. 17
- 3 Lieder für Frauenchor op. 19
- 5 Tanzweisen für Frauenchor op. 21b
- Landsknechtlied für Männerchor und Orchester op. 23
- Zur Trauung op. 26
- 3 Lieder für Männerchor op. 36
- 3 Stücke für Männerchor op. 54
- Fünf volkstümliche Lieder für Frauenchor op. 58
- 6 volkstümliche Lieder op. 59
- 6 volkstümliche Männerchöre op. 60
- 5 Lieder für Frauenstimmen und Harfe oder Klavier op. 63
- Wach‘ auf, mein Volk! für Männerchor und Orchester op. 64
- Das Volkslied für Männerchor op. 65
- Fasching für Tenor, Bariton, Bass, Männerchor und Orchester op. 67
- 4 Lieder für Männerchor op. 68
- 6 Lieder für Männerchor op. 72
- 8 Lieder für Frauenchor op. 76
- 3 Stücke für Männerchor op. 78
- 2 Geschichtsbilder für Männerchor und Orchester op. 79
- Deutsche Ritterlieder für Männerchor und Orchester op. 86
- Das Lied vom Kaiser Arnulf für Männerchor und Orchester op. 88
- 3 Stücke für Männerchor op. 89
- Im Schlachtendonner für Männerchor op. 92
- Ostara für Männerchor und Orchester op. 93
- Deutsch-Österreich. Nationalhymne op. 101 (1918)
- 5 Stücke für Männerchor op. 103
- Arbeiterlied für Männerchor op. 104
- 4 Lieder für Männerchor op. 105
- 2 Stücke für Männerchor op. 107
- 5 Lieder für Männerchor op. 112
- Spar-Hymne für gemischten Chor und Orchester op. 115
- Chor der Toten für gemischten Chor und Orchester op. 118
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gerhard J. Winkler: Kienzl, Wilhelm. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9.
- Kienzl, Wilhelm. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1965, S. 326.
- Wilhelm Pfannkuch: Kienzl, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 587 f. (Digitalisat).
- Festschrift, 1917.
- H. A. Yoshida: Wilhelm Kienzls Bühnenwerke, Dissertation, Wien 1983.
- Julia Kirnbauer: Wilhelm Kienzl und seine Beziehung zur Universal Edition, Diplomarbeit, Wien 2005.
- Stefan Schmidl: „Anmerkungen zu Österreichs republikanischen Hymnen“, in: Thomas Hochradner (Hrsg.): Salzburgs Hymnen von 1816 bis heute. Wien 2017, S. 125–134.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag zu Wilhelm Kienzl im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Werkeverzeichnis von Wilhelm Kienzl auf Klassika.info
- Literatur von und über Wilhelm Kienzl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Österreichische Richard-Wagner-Gesellschaft – Die von Wilhelm Kienzl gegründete Gesellschaft
- Noten und Audiodateien von Wilhelm Kienzl im International Music Score Library Project
- Lied-Portal
- Wilhelm Kienzl zum 75. Geburtstag, Vossische Zeitung, 15. Januar 1932.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Birgit Scholz: Wilhelm Kienzl. In: Literatur– und kulturgeschichtliches Handbuch der Steiermark im 19. Jahrhundert. lithes.uni-graz.at abgerufen am 22. März 2021
- ↑ a b c Gerhard J. Winkler: Kienzl, Wilhelm. In: Oesterreichisches Musiklexikon online; abgerufen am 22. März 2021.
- ↑ Ehrenring der Stadt Wien – Liste der ausgezeichneten Persönlichkeiten im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- ↑ Wilhelm Kienzl. Zum 75. Geburtstag, Voss. Zeitg., 14. Januar 1932.
- ↑ Ehrengrab von Wilhelm Kienzl auf dem Wiener Zentralfriedhof
- ↑ Eintrag zu 10. Todestag von Dr. Wilhelm Kienzl im Austria-Forum (als Briefmarkendarstellung)
- ↑ Eintrag zu 150. Geburtstag von Wilhelm Kienzl im Austria-Forum (als Briefmarkendarstellung)
- ↑ Katholisches Farbstudententum in Österreich 1933–1983, Hrsg. Wiener Stadtverband des MKV. S. 12
- ↑ Libretto der Oper von Alfred Gödel (abgerufen am 21. Juni 2022)
Personendaten | |
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NAME | Kienzl, Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Komponist |
GEBURTSDATUM | 17. Januar 1857 |
GEBURTSORT | Waizenkirchen |
STERBEDATUM | 3. Oktober 1941 |
STERBEORT | Wien |