Yascha Mounk

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Yascha Mounk (2016)

Yascha Mounk (* 10. Juni 1982 in München) ist ein deutsch-US-amerikanischer Publizist und Politikwissenschaftler, der als Associate Professor für Internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University in Baltimore lehrt. Er ist Senior Fellow am SNF Agora Institute derselben Universität, Senior Fellow im Council on Foreign Relations und seit April 2023 Mitglied des Herausgeberrates der Wochenzeitung Die Zeit.[1][2]

Als freier Publizist schreibt er unter anderem für die New York Times, The Wall Street Journal, Foreign Affairs, Slate, The Atlantic und Zeit Online. Er unterhält auch einen Podcast „The Good Fight“. Mounk nahm 2017 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.[3] Seine Tätigkeiten im Herausgeberrat der Zeit und als Artikelschreiber für The Atlantic ruhen seit Februar 2024 aufgrund strafrechtlich relevanter Vorwürfe.[4][5]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Yascha Mounk ist der Sohn einer polnisch-jüdischen Mutter, die im Jahr 1969 mit ihren Eltern auf Grund einer Säuberungswelle in der Kommunistischen Partei Polen verlassen hatte. Er wuchs in verschiedenen kleinen Städten in Deutschland auf. Aufgrund von Mounk sowohl anti- als auch philosemitisch wahrgenommenen Erfahrungen fühlte er sich nach eigener Darstellung in seinem Buch Stranger in My Own Country: A Jewish Family in Modern Germany immer als Fremder und nicht als Deutscher in seinem Geburtsland Deutschland.[6]

Nachdem Yascha Mounk bereits im Alter von 13 Jahren in die SPD eingetreten war, verließ er diese im Jahr 2015 öffentlichkeitswirksam mit einem offenen Brief an den damaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Als Gründe nannte er unter anderem die mangelnde Hilfsbereitschaft deutscher Institutionen Flüchtlingen gegenüber, die passive Haltung führender SPD-Politiker und von Teilen der Partei während der Annexion der Krim durch Russland 2014 sowie die Griechenlandpolitik der SPD, die er einen „Verrat am sozialdemokratischen Traum eines vereinten Europas“ nannte.[7][8]

Im Jahr 2005 ging Mounk zum Studium in die Vereinigten Staaten und erwarb dort einen Ph.D. in Regierungswissenschaften an der Harvard University in Cambridge/Massachusetts. Als er im März 2017 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft annahm, begründete er diesen Schritt unter anderem damit, dass er so der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten besser entgegentreten könne.[9] Mounk lebt in New York.[10]

Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nationalismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung erklärte Mounk im Februar 2018, dass er seine Position zum Nationalismus geändert habe. Während er diesen früher als Relikt der Vergangenheit angesehen habe, das überwunden werden müsse, sprach er sich nun für einen „inklusiven Nationalismus“ aus, da ansonsten das brachliegende Feld des Nationalen von Menschen besetzt werde, denen ein aggressiver Nationalismus vorschwebe.[11] In den Tagesthemen äußerte er, dass „wir“ hier ein „historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln“.[12] In der Haaretz riet er dem „liberalen Lager“, sich den so verstandenen Nationalismus zu eigen zu machen, damit es den Menschen leichter falle, in einer multiethnischen und demokratischen Gesellschaft zu leben. „Der Schlüssel“ dazu sei, merkt er mit „einem ironischen Lächeln“ an, die Übernahme der populistischen Forderung, Menschen und Nationen sollten wieder das Gefühl bekommen, die Kontrolle über ihr Leben bzw. ihr Schicksal zu haben.[13]

Migration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Migrationsfrage begrüßt Mounk die Zuwanderung aus fremden Kulturen nach Europa und die damit verbundenen Veränderungen ausdrücklich. Gegner einer multiethnischen Gesellschaft, die mit Hass darauf reagieren, sollen nach Mounk vom Staat wegen Hassverbrechen bestraft werden.[14]

„Es ist ein historisch einzigartiges Experiment, eine Demokratie zu nehmen, die diese monoethnische Vorstellung von sich selber hatte, und sie in eine multiethnische Gesellschaft umzuwandeln.

Nun gibt es große Bevölkerungsteile, ich zähle mich da hinzu, die das willkommen heißen, die das wunderbar finden, die das richtig finden. Aber es gibt natürlich auch Teile der Gesellschaft, denen das Ängste bereitet und die sich dann dagegen aufbäumen. Das […] müssen wir offen anerkennen.“

Yascha Mounk: Deutschlandfunk[15]

„In Westeuropa läuft ein Experiment, das in der Geschichte der Migration einzigartig ist: Länder, die sich als monoethnische, monokulturelle und monoreligiöse Nationen definiert haben, müssen ihre Identität wandeln. Wir wissen nicht, ob es funktioniert, wir wissen nur, dass es funktionieren muss.“

Yascha Mounk: Der Spiegel 40/2015[16]

Europäische Union[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mounk empfiehlt, das Demokratiedefizit der EU anzugehen, indem das Europäische Parlament gegenüber dem Europäischen Rat und der EU-Kommission „viel mehr Macht“ bekommt und gleichzeitig Entscheidungen, die ebenso gut in nationalen Parlamenten getroffen werden könnten, an die Mitgliedstaaten zurückgegeben werden. Von der Idee einer „immer engeren Union“ sei abzurücken.[17]

Identitätspolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mounks Buch Im Zeitalter der Identität: Der Aufstieg einer gefährlichen Idee (2024) untersucht kritisch die Dynamiken und Konsequenzen von Identitätspolitik und Wokeness und stellt dabei heraus, wie aus anfänglich noblen Überzeugungen sektiererische Ideologien entstehen können.[18] Mounk analysiert die theoretischen Grundlagen der Identitätspolitik, darunter postmoderne Machttheorien und postkoloniale Ansätze, und zeigt auf, wie diese in ihrer Radikalisierung zu einer Spaltung der Gesellschaft und der Unfähigkeit zur Bildung von Allianzen führen.[18] Er kritisiert, dass die Identitätspolitik in ihrer extremen Form zu einer unfalsifizierbaren Ideologie mutiert, in der abweichende Meinungen nicht nur als sachlich falsch, sondern als moralisch verwerflich abgetan werden.[18] Das Buch bietet eine maßvolle Auseinandersetzung mit den Übertreibungen der Identitätspolitik und plädiert für eine differenziertere Betrachtung.[18]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stranger in My Own Country. A Jewish Family in Modern Germany. Farrar, Straus and Giroux, New York 2014, ISBN 0-374-53553-1
    • Echt, du bist Jude? Fremd im eigenen Land. Kein & Aber, Zürich 2015, ISBN 978-3-0369-5727-2 (vom Autor stark überarbeitete Fassung der Originalausgabe; deutsche Übersetzung der aus der Originalausgabe übernommenenen Teile von Simone Jakob).
  • The Age of Responsibility: Luck, Choice and the Welfare State. Harvard University Press, 2017, ISBN 978-0-674-23767-4
  • The People vs. Democracy: Why Our Freedom Is in Danger and How to Save It. Harvard University Press, 2018, ISBN 978-0-674-97682-5
    • Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht. Droemer, München 2018, ISBN 978-3-426-27735-5
  • Das große Experiment. Wie Diversität die Demokratie bedroht und bereichert, Droemer Knaur, München 2022, ISBN 978-3-426-27850-5
  • The Identity Trap: A Story of Ideas and Power in Our Time, Allen Lane, London 2023, ISBN 978-0-241-63829-3.
    • Im Zeitalter der Identität: Der Aufstieg einer gefährlichen Idee. Aus dem Amerikanischen von Sabine Reinhardus und Helmut Dierlamm, Klett-Cotta, Stuttgart 2024, ISBN 978-3-608-98699-0.

Essays

Interviews

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Yascha Mounk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Yascha Mounk wird Mitglied des ZEIT-Herausgeberrats. In: Zeit Verlagsgruppe. Abgerufen am 3. November 2022 (deutsch).
  2. Yascha Mounk. zeit.de, abgerufen am 4. Oktober 2023.
  3. Yascha Mounk: How Did I Celebrate Becoming American? Protesting Trump. New York Times, 24. März 2017, abgerufen am 26. September 2017.
  4. Aurelie von Blazekovic: Vorwurf der Vergewaltigung: Yascha Mounk zieht sich aus "Zeit"-Herausgeberrat zurück. Süddeutsche Zeitung (online), 8. Februar 2024; abgerufen am 6. April 2024
  5. Marc Bartl: Vergewaltigungsvorwurf: Yasha Mounk lässt sein Amt im Zeit-Herausgeberrat ruhen. kress.de, 8. Februar 2024; abgerufen am 6. April 2024
  6. Stranger in My Own Country: A Jewish Family in Modern Germany, jewishbookcouncil.org
  7. Hiermit trete ich aus der SPD aus, zeit.de, 15. Juli 2015
  8. Waarom ik uit de SPD stap, dewereldmorgen.be, 17. Juli 2015
  9. How Did I Celebrate Becoming American? Protesting Trump, nytimes.com, 24. März 2017
  10. Yascha Mounk wird Mitglied des ZEIT-Herausgeberrats. In: Zeit Verlagsgruppe. Abgerufen am 3. November 2022 (deutsch).
  11. „Die liberale Demokratie bricht gerade auseinander“ , sueddeutsche.de, 15. Februar 2018
  12. Sendung vom 20. Februar 2018, Tagesthemen/ARD-aktuell, 20. Februar 2018, ab Minute 24:45
  13. Does the Political Scientist Who Foresaw the Trump Era Still Believe Democracy Has a Future? (Memento vom 18. Februar 2018 im Webarchiv archive.today)/Memento bei archive.is, Anshel Pfeffer, Haaretz, 29. März 2017; “The key, says Mounk with an ironic smile, is in the slogan often used by populists, also popular among Brexit supporters: to give people a feeling they have a control over their lives and that your own nation has control over its destiny. In order for people to feel that, they have to be convinced that they can live in a multi-ethnic and democratic society and still be better off materially and the liberal camp must learn how to embrace nationalism.
  14. Yascha Mounk – Presseclub vom 8. Juli 2018. Abgerufen am 3. August 2019.
  15. Deutschlandfunk: POLITIKWISSENSCHAFTLER YASCHA MOUNK Der Prophet des Untergangs der Demokratie
  16. „Einzigartiges Experiment“. In: Der Spiegel. Nr. 40, 2015, S. 126 (online).
  17. Yascha Mounk: Nur radikale Reformen können die EU retten. In: Zeit Online. 1. Februar 2020, abgerufen am 9. Februar 2020.
  18. a b c d Robert Misik: Buch über Identitätspolitik: Zwischen Woke und Wahnsinn. In: taz.de. 18. März 2024, abgerufen am 19. März 2024.