Zweckgesellschaft
Eine Zweckgesellschaft ist eine juristische Person, die für einen klar definierten Betriebszweck gegründet wird. Nach Erreichen ihres Zwecks kann die Gesellschaft aufgelöst werden.
Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gebräuchliche internationale Bezeichnungen (englisch Special Purpose Company (SPC), Special Purpose Vehicle (SPV), Special Purpose Entity (SPE)) im Sinne von Einzweckgesellschaft (auch englisch Single Purpose Entity (SPE), Limited Purpose Entity (LPE)) werden vorzugsweise in Verträgen benutzt. Hierin ist ihr Betriebszweck genau definiert.
Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Eingesetzt werden Zweckgesellschaften vor allem für Private-Equity-Transaktionen und strukturierte Finanzierungen.[1] So soll ein Zugriff finanzierender Gläubiger auf Vermögenswerte des Investors vermieden werden – sogenannte non- oder limited recourse-Finanzierungen – und der Finanzierungsgegenstand gegen Insolvenzrisiken aus der Sphäre des Investors abgeschirmt werden (englisch bankruptcy-remote, deutsch „insolvenzfern“ oder englisch ring fenced, deutsch „abgeschirmt“). In diesen Fällen werden Zweckgesellschaften in der Regel in der Rechtsform der GmbH oder einer ähnlichen im jeweiligen Staat üblichen Form gegründet. Befinden sich Zweckgesellschaften im Ausland, besteht neben einem Rechtsrisiko auch ein politisches Risiko.
Arten von Zweckgesellschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Es gibt folgende Hauptarten von Zweckgesellschaften:
- Verbriefungstransaktionen: Conduits und Structured Investment Vehicles (SIVs) sind Zweckgesellschaften zur Refinanzierung. Sie kaufen einmalig oder laufend Forderungen (englisch assets) an und refinanzieren den Kaufpreis im Wege der Verbriefung durch die Emission von Wertpapieren (Asset-Backed Security). SPVs werden von Banken auch eingesetzt, um Finanzrisiken an den Kapitalmarkt weiterzugeben oder aus ihren Jahresabschlüssen auszugliedern. Das gelingt, wenn die gesetzliche Schwelle der Konsolidierungsvorschriften nicht überschritten wird. So kann der Zweckgesellschaft entweder ein ausfallrisikobehaftetes Kreditportfolio übertragen werden oder sie schließt mit einer Bank einen Credit Default Swap ab, in dem sie als Sicherungsgeber Ausfallrisiken für das Kreditportfolio übernimmt. Dadurch trägt die Zweckgesellschaft oder ihre Gläubiger gegen eine Risikoprämie das Kreditrisiko der Bank, die diese Risiken dadurch nicht mehr bilanzieren muss. Eine neue Form des Risikotransfers bieten Katastrophenanleihen, mit denen Versicherungsgesellschaften Risiken für Naturkatastrophen über Zweckgesellschaften an den Kapitalmärkten verkaufen können.
- Bei Projektfinanzierungen übernimmt eine Projektgesellschaft das Projektmanagement bis hin zur Finanzierung bestimmter großer Infrastrukturprojekte wie Energieversorgung, Informationstechnologie, Telekommunikation oder Verkehrsinfrastruktur. Der eigentliche Investor (Sponsor) belastet hierdurch nicht seine Bilanz, da Projektgesellschaften als sich wirtschaftlich selbst tragende Wirtschaftssubjekte (Selbstfinanzierung, Cashflow-Finanzierung) fungieren.[2] Dadurch lässt sich das Finanzrisiko der Kreditgeber und der Unternehmer auf dieses Projekt eingrenzen.
- Akquisitionsfinanzierungen (englisch Leveraged Buy-out) werden marktüblich über Zweckgesellschaften vorgenommen.
- Arbeitsgemeinschaft (Arge), im Baugewerbe übliche Form der Zusammenarbeit zur Durchführung von Großprojekten, bei denen jeder Partner für definierte Teilleistungen verantwortlich ist.
- Leasing-Objektgesellschaften fungieren als Leasing-Geber, um die Errichtung bzw. den Erwerb, die Finanzierung und das „Verleasen“ einer bestimmten Immobilie oder Großimmobilie durchzuführen. Alleiniger Geschäftszweck der Objektgesellschaft ist diese einzelne Transaktion, daher wird sie auch oft als Einzelobjektgesellschaft bezeichnet. Hierdurch ist für den Leasing-Nehmer gewährleistet, dass nicht durch andere Geschäfte bei der Objektgesellschaft Risiken auftreten, die vom Leasing-Nehmer selbst nicht beeinflusst werden können und auch nicht mit der einzelnen Transaktion im Zusammenhang stehen.
- Akquisitionszweckunternehmen sammeln zunächst Kapital über einen Börsengang, um dieses in einem zweiten Schritt in die Übernahme eines (vorher nicht fest bestimmten) Unternehmens zu investieren.[3]
Finanz-Zweckgesellschaften haben ihren Geschäftssitz oft in Ländern mit günstiger Steuergesetzgebung (Niedrigsteuerländer, Steueroasen) oder geringen Gründungshürden, sogenannten Off-shore-Finanzplätzen wie auf den Bahamas, den Kaimaninseln oder der Isle of Man. Dieser Sitz hat ihnen die abschätzige Bezeichnung Briefkastengesellschaft eingebracht.
Zweckgesellschaften im deutschen Recht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zweckgesellschaft ist kein feststehender definierter Begriff des deutschen Rechts. Er ist insbesondere im Gesellschaftsrecht unbekannt; dieses kennt nur eine gesetzlich genau festgelegte Auswahl von Gesellschaftsformen im Rechtssinne, wozu eine „Zweckgesellschaft“ nicht gehört. Der Begriff „Zweckgesellschaft“ dient daher lediglich als Umschreibung für den begrenzten Unternehmensgegenstand oder Einsatzzweck der Gesellschaft.
In § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB werden die Zweckgesellschaften benannt. Sie sind zwingend in die Konsolidierung mit einzubeziehen, sofern sie in enger wirtschaftlicher Beziehung zu dem konsolidierenden Mutterunternehmen stehen und dieses auch die Mehrheit der Risiken und Chancen bei wirtschaftlicher Betrachtung trägt.
Der Rechtsbegriff der Zweckgesellschaft findet in deutschen Gesetzen insbesondere im Kreditwesengesetz (§ 1 Abs. 26 KWG) und in der Kapitaladäquanzverordnung (CRR) Verwendung. Nach Art. 4 Nr. 66 CRR ist die Verbriefungszweckgesellschaft eine „Treuhandgesellschaft oder ein anderes Unternehmen, die/das kein CRR-Kreditinstitut ist und zur Durchführung einer oder mehrerer Verbriefungen errichtet wurde“.
Internationale Rechnungslegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Sowohl nach IFRS als auch nach US GAAP werden nicht nur Tochtergesellschaften, sondern auch Zweckgesellschaften im Konzernabschluss unter bestimmten Voraussetzungen voll konsolidiert, denn sie werden insbesondere gegründet, um bestimmte Transaktionen außerhalb der Bilanz zu halten.[4] Im Rahmen der Rechnungslegung sind Zweckgesellschaften alleine durch die Regelungen des IAS 27 nicht zwingend in den Konzernabschluss einzubeziehen. Aus diesem Grund veröffentlichte das Standing Interpretations Committee (SIC) des IASB im Juni 1998 die SIC 12 „Consolidation – Special Purpose Entities“, die sich mit der Definition und etwaigen Konsolidierung einer Zweckgesellschaft befasst. Nach SIC 12.8 ist eine SPE zu konsolidieren, wenn das bilanzierende Unternehmen diese aus wirtschaftlicher Sicht beherrscht. Dieser Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (englisch substance over form) des IAS 27 wird in SIC 12 durch den „Risiko- und Belohnungsansatz“ (englisch risk and rewards approach) ergänzt. SIC 12.9 abstrahiert dabei von einer zur Beherrschung notwendigen Eigenkapitalbeteiligung sowie einer Stimmrechtsmehrheit. In SIC 12.10(a)-(d) werden alternativ zu erfüllende Umstände aufgelistet, die individuell auf eine Beherrschung hindeuten. Nach SIC 12.10(a) wird eine Beherrschung angenommen, wenn die Aktivitäten der SPE bei wirtschaftlicher Betrachtung zu Gunsten der speziellen Bedürfnisse eines Unternehmens ausgeführt werden, sodass dieses Nutzen aus der Geschäftstätigkeit der SPE ziehen könnte. Wenn das Unternehmen über die Leitungsmacht verfügt, die Mehrheit des Nutzens aus der Geschäftstätigkeit der SPE ziehen zu können, ist nach SIC 12.10(b) ebenfalls eine Beherrschung anzunehmen. Nach SIC 12.9 kann ein Unternehmen diese Leitungsmacht auch durch eine satzungsmäßige Vorherbestimmung der Geschäftstätigkeit (sog. Autopilot) delegieren, ohne dass dies einer Beherrschung entgegensteht. Ferner ist nach SIC 12.10(c) eine Beherrschung zu unterstellen, wenn ein Unternehmen berechtigt ist, die Mehrheit des Nutzens aus der Geschäftstätigkeit der SPE zu ziehen und gleichzeitig den immanenten Risiken der SPE-Aktivitäten ausgesetzt ist. Trägt das Unternehmen mehrheitlich die Residual- oder Eigentümerrisiken der SPE, um einen Nutzen aus der Tätigkeit der SPE zu ziehen, ist die SPE nach SIC 12.10(d) zu konsolidieren. Da diese Kriterien nicht abschließend sind und nur als Indikatoren einer Beherrschung gesehen werden, ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach SIC 12.9 eine einzelfallabhängige Gesamtwürdigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen.
Nach deutschem Bilanzrecht ist beherrschender Einfluss erforderlich (§ 290 Abs. 2 HGB), wenn die Muttergesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen einer Zweckgesellschaft trägt.
Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weitreichende öffentliche Kritik erfährt die Praxis, bedeutende Vermögenswerte und/oder Liquiditätsrisiken in Zweckgesellschaften konsolidierungsfrei auszugliedern (Conduit). Dies kann missbräuchlich dazu genutzt werden, um Jahresabschlüsse von Risiken zu befreien, die eine Unternehmenskrise auslösen oder verstärken würden. Derartige Verschleierungen wurden nach dem Unternehmenszusammenbruch bei Enron, Parmalat oder den Krisen bei der IKB Deutsche Industriebank und Sachsen LB aufgedeckt. Weltweit haben Finanzinstitute während der Finanzkrise ab 2007 diese Form der Bilanzverkürzung genutzt, um auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben weiterhin erfüllen zu können.
Abgrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zu unterscheiden ist die privatrechtliche Zweckgesellschaft vom Zweckverband, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Hans-Peter Bär: Asset Securitisation. Verlag Paul Haupt, Bern 2000, ISBN 3-258-05894-6, S. 104–109. (Funktionen und rechtliche Ausgestaltungsformen des Special Purpose Vehicles.)
- Wienand Schruff: Zur Konsolidierung von Special Purpose Entities im Konzernabschluss nach US-GAAP, IAS und HGB. In: Die Wirtschaftsprüfung. 2002, S. 755–765.
- Sighard Wilhelm: Casinos schließen! Die Lektion. In: Die Zeit. 47/2008.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Stephan Illenberger/Thomas A. Jesch/Harald Keller/Ulf Klebeck/Jörg Rocholl, Private-Equity-Lexikon, 2011, S. 184
- ↑ Tobias Kollmann, Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung, 2005, S. 236
- ↑ Manager Magazin vom 11. Juni 2008, Private Equity 2.0
- ↑ Gerald Preißler/German Figlin, IFRS-Lexikon, 2009, S. 155 f.