Benutzer:Martin Unterholzner/Arbeitsseite (Martin Unterholzner)

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Die Rivers-of-Blood-Rede wurde am 20. April 1968 von Enoch Powell bei einer Sitzung des Conservative Political Centre in Birmingham gehalten. Der konservative Politiker warnte darin eindringlich vor den Folgen der Immigration aus den ehemaligen Kolonien des Commonwealth of Nations ins Vereinigte Königreich.

Der Ausdruck „Rivers of Blood“ kam in der eigentlichen Rede nicht vor. Diese Bezeichnung stammt von einer Anspielung auf Virgils Aeneis, in der Powell behauptete, wenn er in die Zukunft blicke, sehe er wie ein Römer den Fluss Tiber vor Blut schäumen. [1]

Die Rede erzeugte massive Aufmerksamkeit, wurde kontrovers diskutiert und gehört zu den bekanntesten politischen Reden des Vereinigten Königreichs nach dem zweiten Weltkrieg. [2]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Enoch Powell 1987

Seit dem British Nationality Act 1948 war es Angehörigen von Commonwealth-Staaten möglich ohne größere Hindernisse ins Vereinigte Königreich zu emigrieren. Obwohl Umfragen in den 1960er Jahren zeigten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung für strengere Regulierung war, hielten sowohl die Labour Party als auch die Conservative Party großteils an den Bestimmungen fest. [3] 1968 schließlich verabschiedete die Labour-Regierung nach vermehrten Ankünften von afrikanisch-asiatischen Einwanderern und feindseligen Reaktionen von Presse und Öffentlichkeit den Commonwealth Immigrants Act. Das Gesetz erschwerte erstmals die Einwanderung für Besitzer eines Britischen Passes, deren Eltern oder Großeltern nicht im Vereinigten Königreich geboren waren und wurde vom linken Parteiflügel sowie der linken Presse als rassisch diskriminierend verurteilt. Um dieser Kritik entgegenzuwirken brachte die Labour-Führung die Race Relations Bill im Parlament ein, ein Anti-Diskriminierungsgesetz, das das Benachteiligen von Personen bei Wohnungs- und Arbeitssuche oder in öffentlichen Diensten aufgrund von Hautfarbe, Rasse oder Herkunft unter Strafe stellte. Dies wiederum stieß auf Widerstand bei der konservativen Partei und brachte insbesondere Enoch Powell dazu, sich an der Debatte zu beteiligen. Seine bekannte Rede hielt er auf der jährlichen Generalversammlung des West Midlands Area Conservative Political Centre im Midlands Hotel in Birmingham, drei Tage vor der zweiten Lesung der Race Relations Bill im Parlament.[4][5] Vertretern der Presse hatte Powell vorab den Text seiner Rede zukommen lassen, um bereits über das Wochenende ein breites Medienfeedback zu erzielen. [2]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die einleitenden Worte der Rede betrafen die Pflicht der Politik, sich nicht allein mit gegenwärtigen Themen zu beschäftigen, sondern vorauszuschauen, zukünftige Probleme anzusprechen und nach Möglichkeit zu verhindern. Powell fuhr fort mit der ersten von zwei Anekdoten, die in der Rede Erwähnung finden. Er berichtete von einem Gespräch mit einem Industriearbeiter, der das Land aufgrund der hohen Einwanderung am liebsten verlassen würde, da er glaubte dass in 15 bis 20 Jahren Schwarze die Oberhand (im Original „whip hand“/„Peitschenhand“) über Weiße haben würden. Powell nahm die Empörung, die diese Aussage verursachen würde, vorweg, behauptete aber, es sei seine Pflicht sie wiederzugeben.

„I can already hear the chorus of execration. How dare I say such a horrible thing? How dare I stir up trouble and inflame feelings by repeating such a conversation? The answer is that I do not have the right not to do so. Here is a decent, ordinary fellow Englishman, who in broad daylight in my own town says to me, his Member of Parliament, that his country will not be worth living in for his children.“

[1]
Enoch Powell 1987


Powell zitierte offizielle Zahlen, laut denen sich die Anzahl der Immigranten aus dem Commonwealth und ihrer Nachkommen in 15 bis 20 Jahren auf dreieinhalb Millionen belaufen würde und warnte vor einem zu starken Anstieg im Verhältnis zur restlichen Bevölkerung. Weiters beschäftigte er sich mit Möglichkeiten, diesen Anstieg zu begrenzen und erwähnte hierbei insbesondere zwei Ansätze des konservativen Partieprogramms: Die Reduktion von Immigration sowie die Ermutigung zur Re-Emigration. Dabei griff er zu drastischen sprachlichen Mitteln:

„Those whom the gods wish to destroy, they first make mad. We must be mad, literally mad, as a nation to be permitting the annual inflow of some 50,000 dependants, who are for the most part the material of the future growth of the immigrant-descended population. It is like watching a nation busily engaged in heaping up its own funeral pyre.“

[1]

Im folgenden sprach sich Powell entschieden gegen Anti-Diskriminierungsgesetze aus, die Immigranten vor Ungleichbehandlungen bei Wohnungs- oder Arbeitssuche schützen würden. Der Grundsatz, dass jeder Bürger vor dem Gesetz gleich sei, schließe mit ein, dass ein Bürger andere Bürger nach eigenem Ermessen ungleich behandeln dürfe, und nicht eine Gruppe durch Schutz vor solcher Ungleichbehandlung in eine privilegierte Position gebracht werde. Powell wies daraufhin, dass im Unterschied zu den USA, wo Schwarzen nach der Aufhebung der Sklaverei erst schrittweise Rechte zugekommen waren, in Großbritanien Commonwealth-Immigranten sofort sämtliche Bürgerrechte genossen. Eventuelle Nachteile, mit denen Einwanderer zu kämpfen hatten, seien somit nicht durch Gesetze und Verwaltung entstanden, sondern aufgrund persönlicher Umstände und Zufälle. Die Folgen, die die Einwanderung auf die heimische Bevölkerung habe, seien hingegen schwerwiegend:

„But while, to the immigrant, entry to this country was admission to privileges and opportunities eagerly sought, the impact upon the existing population was very different. For reasons which they could not comprehend, and in pursuance of a decision by default, on which they were never consulted, they found themselves made strangers in their own country. They found their wives unable to obtain hospital beds in childbirth, their children unable to obtain school places, their homes and neighbourhoods changed beyond recognition, their plans and prospects for the future defeated; at work they found that employers hesitated to apply to the immigrant worker the standards of discipline and competence required of the native-born worker; they began to hear, as time went by, more and more voices which told them that they were now the unwanted.“

[1]

Um dies zu untermauern verwies Powell auf die Menge an zustimmender Post, die er seit seinen letzten Äußerungen zu diesem Thema erhalten habe. Die zweite Anekdote der Rede stammt aus einem dieser Briefe und handelt von einer älteren Dame, die als letzte Weiße in einer ansonsten nur von Schwarzen bewohnten Straße in Wolverhampton leben würde. Zuvor habe sie Zimmer vermietet, sei nun jedoch aus Mangel an Mietern verarmt. In Folge ihrer Weigerung, Räume an Schwarze zu vermieten, würde sie nun beschimpft, als Rassistin bezeichnet und durch Exkremente im Briefschlitz drangsaliert.

Weiters behauptete Powell, dass die Integration der Immigranten nicht nur aufgrund von Umständen und Hintergründen nicht erfolge, sondern dass inzwischen Gruppen von Einwanderern wie die Sikhs einer Integration in die Gesellschaft durch ein Beharren auf ihren Bräuchen aktiv entgegenwirkten. Dabei zitierte er John Stonehouse, einen Abgeordneten der Labourpartei und Minister der damaligen Regierung, der sich kritisch über die Sikhs geäußert hatte.

Im Schlussteil stellte sich Powell erneut gegen die Race Relations Bill, da diese jenen Gruppen von Immigranten seiner Meinung nach Mittel zur Organisation und Agitation bereitstellen und letztlich zu Kontrolle und Dominanz über den Rest der Bevölkerung verhelfen würde. Die oben erwähnte Virgil-Referenz sowie ein Aufruf zu schnellem und entschlossenem Handeln bilden den Abschluss der Rede. [1]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Powells Rede erlangte breite öffentliche Aufmerksamkeit. Die Presse hielt die Rede mehrheitlich für rassistisch und inakzeptabel; auch den Konservativen sonst wohlgesonnene Zeitungen wie The Times übten Kritik. [2] Als unmittelbare Reaktion entließ Edward Heath Powell aus dem Schattenkabinett der Konservativen Partei. Powell sollte danach nie wieder einen hohen Posten innehaben, jedoch hatte ihn die Rede praktisch über Nacht zu einem der bekanntesten und kontroversesten Politiker des Landes gemacht. [6] In der Bevölkerung stieß Powell auf Unterstützung. Im Folgemonat erhielt er über 100.000 briefliche Rückmeldungen, der Großteil davon positiv. [7] Bei ethnischen Minderheiten und Einwanderergruppen führte die Rede hingegen zu Angst und Verunsicherung.[2]

Nach Ansicht von Kommentatoren trug Powells Position bezüglich der Commonwealth-Immigration trotz seines Konflikts mit der Parteiführung entscheidend zum unerwarteten Wahlsieg der konservativen Partei 1970 bei. [8] Der Einfluss der Rivers-of-Blood-Rede geht jedoch darüber hinaus. Taylor beispielsweise ist der Ansicht, Powell habe durch seine Rede die extreme Rechte im Vereinigten Königreich gestärkt und rechtsextreme Rhetorik normalisiert.[9] Auch heute noch wird Powell von Rechten zitiert; der von Rechtsextremen verwendete Slogan „Enoch was right" zum Beispiel behauptet, Powell habe mit seinen Vorhersagen recht behalten. [10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Enoch Powell's 'Rivers of Blood' speech. 6. November 2007, ISSN 0307-1235 (telegraph.co.uk [abgerufen am 20. August 2019]).
  2. a b c d Kevin Hickson: Enoch Powell's ‘Rivers of Blood’ Speech: Fifty Years On. In: The Political Quarterly. Band 89, Nr. 3, September 2018, S. 352–357, doi:10.1111/1467-923X.12554 (wiley.com [abgerufen am 20. August 2019]).
  3. Esteves, Olivier,, Porion, Stéphane (M. Stéphane),: The lives and afterlives of Enoch Powell : the undying political animal. Abingdon, Oxon, ISBN 978-0-429-44115-8, S. 13.
  4. Nicholas Hillman: A ‘chorus of execration’? Enoch Powell's ‘rivers of blood’ forty years on. In: Patterns of Prejudice. Band 42, Nr. 1, Februar 2008, ISSN 0031-322X, S. 83–104, doi:10.1080/00313220701805927 (tandfonline.com [abgerufen am 24. August 2019]).
  5. Esteves, Olivier,, Porion, Stéphane (M. Stéphane),: The lives and afterlives of Enoch Powell : the undying political animal. Abingdon, Oxon, ISBN 978-0-429-44115-8, S. 16 f.
  6. Gillian Peele: Enoch Powell and the Conservative Party: Reflections on an Ambiguous Legacy. In: The Political Quarterly. Band 89, Nr. 3, September 2018, S. 377–384, doi:10.1111/1467-923X.12551 (wiley.com [abgerufen am 25. August 2019]).
  7. Amy Whipple: Revisiting the “Rivers of Blood” Controversy: Letters to Enoch Powell. In: Journal of British Studies. Band 48, Nr. 3, Juli 2009, ISSN 0021-9371, S. 717–735, doi:10.1086/598214 (doi.org [abgerufen am 25. August 2019]).
  8. Iain McLean: Rational Choice and British Politics. Oxford University Press, 2001, ISBN 978-0-19-829529-7, doi:10.1093/0198295294.001.0001 (oxfordscholarship.com [abgerufen am 25. August 2019]).
  9. Harry Taylor: ‘Rivers of Blood’ and Britain's Far Right. In: The Political Quarterly. Band 89, Nr. 3, September 2018, S. 385–391, doi:10.1111/1467-923X.12550 (wiley.com [abgerufen am 25. August 2019]).
  10. James Poulter: We Tried to Ask Far-Right Groups About the Enoch Powell Paedophilia Allegations. In: Vice. 2. April 2015, abgerufen am 25. August 2019 (englisch).