Decisiones quinquaginta

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Decisiones quinquaginta („Fünfzig Entscheidungen“) ist der Titel einer Sammlung von Konstitutionen, die auf den spätantiken Kaiser Justinian I. zurückgehen. Die Rechtssammlung selbst ist nicht erhalten, die Bestimmungen flossen zumeist aber in die kaiserlichen Novellae ein, diese wiederum sind Bestandteil der justinianischen Kompilation des heute so genannten Corpus iuris civilis.

Die Regelungen galten für fünf Jahre. Sie knüpften – ebenfalls 529 fertiggestellt – an die erste Fassung des von Justinian veranlassten Codex an. Der Codex war eine Zusammenstellung des überlieferten klassischen Rechts (iura), das aufgrund simplifizierender Maßgaben auf die Zitierjuristen konzentriert und zugeschnitten war. Um den rechtsalltäglichen Umgang mit den Schriften noch weiter zu vereinfachen, sollte das Juristenrecht durch zusätzliche Kaisergesetze moderiert werden.[1] Dabei wurden alte – bei den klassischen Juristen aufgeworfene und von ihnen abschließend nicht beigelegte – Streitfragen nunmehr entschieden, veraltete Rechtsinstitute wurden aussortiert und auch Rechtssätze beseitigt, von denen befürchtet wurde, dass sie zu Anschlusskontroversen führen würden. Da Justinian im Jahr 534 dann eine rundum erneuerte Version des Codex auf den Weg brachte, verlor die Entscheidungssammlung im selben Jahr unmittelbar ihre Gültigkeit.

Ob die Decisionen planmäßig eine Regelauslegungshilfe des frühen Codex waren,[2] oder ob sie als Vorarbeit zum und damit Bestandteil des späteren Gesetzeswerk zu verstehen sind,[3] muss nach aktuellem Forschungsstand offen bleiben. Mit der Schaffung des jüngeren Codex blieben jedenfalls vereinzelte Bezugnahmen auf die Decisionensammlung bestehen, so in den Institutionen,[4] auch im Codex selbst.[5] Auch die etwas später entstandene Kommentarliteratur des Florentiner Rechtsbuchs erwähnt noch deren Existenz.[6]

Die Decisionen stehen im Mittelpunkt der neueren Forschung von Constantin Willems, der Justinian in seiner Habilitationsschrift als Wirtschaftssubjekt untersuchte. Mittels ökonomischer Analysetools beleuchtete er die rechtsökonomische Perspektive zu den Entscheidungsgründen und Entscheidungsmustern bei Justinian. Die aufgeworfene Frage lautet, inwieweit Justinian seiner Zeit möglicherweise soweit voraus war, dass er als „Ökonom avant la lettre“ bezeichnet werden kann.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sigmund Wilhelm Zimmern: Geschichte des römischen Privatrechts bis Justinian. Band I, Abteilung 1: Geschichte der Quellen und ihrer Bearbeitung. Heidelberg 1826, S. 176 f.
  • Otto Karlowa: Römische Rechtsgeschichte. Band 1: Staatsrecht und Rechtsquellen. Leipzig 1885. Als Reprint: Keip, Goldbach 1997, ISBN 978-3-8051-0677-1, S. 1006 ff.
  • Paul Krüger: Geschichte der Quellen und Litteratur des römischen Rechts. Leipzig 1888, S. 325 f.
  • Paul Jörs: Decisiones quinquaginta. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,2, Stuttgart 1901, Sp. 2275–2277.
  • Carmela Russo Ruggeri: Studi sulle Quinquaginta decisiones. Mailand 1999.
  • Mario Varvaro: Contributo allo studio delle Quinquaginta decisiones. In: Annali del Seminario giuridico dell’Università di Palermo 46, 2000, S. 359–539.
  • Constantin Willems: Justinian als Ökonom: Entscheidungsgründe und Entscheidungsmuster in den quinquaginta decisiones. Böhlau, Köln u. a. 2017, ISBN 978-3-41250898-2.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wolfgang Kaiser: Zur äußeren Gestalt der Novellen Justinians (2011) S. 170.
  2. Friedrich August Biener: Geschichte der Novellen Justinian’s. Berlin 1824, S. 4 f. (Digitalisat).
  3. Georg Friedrich Puchta: Cursus der Institutionen Band 1. Einleitung in die Rechtswissenschaft und Geschichte des Rechts bey dem römischen Volk. Verlag von Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1841. 10 § 139 (Digitalisat).
  4. Institutiones I 5, 3; IV 1, 16.
  5. Codex VII 5 (Jahr 530); VI 2, 22 (Jahr 530); VI 30, 20 (Jahr 531).
  6. Paul Krüger, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte VII 66 Nr. 241.