Krautrock

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Unter dem Genre Krautrock wurde ab Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre die Rockmusik primär westdeutscher Bands eingeordnet, die teilweise auch international bekannt wurden. Die britische Musikpresse hatte den Begriff Krautrock insbesondere für bestimmte Formen der experimentellen und elektronischen Musik aus Deutschland geprägt.[1] Allen klassischen Krautrockbands ist außer der geographischen Herkunft der Hang zur experimentellen improvisationsgeprägten Rockmusik gemein.

Bezeichnung und Selbstverständnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff geht auf das Wort „Sauerkraut“ und die Bezeichnung „Krauts“ für die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zurück. Der Ursprung des Wortes Krautrock geht auf eine Werbeanzeige der deutschen Firma Popo Music Management zurück, die in der US-amerikanischen Zeitschrift Billboard das Wort 1971 erstmals benutzte,[2] um für Platten von Bacillus Records zu werben. Dieser Begriff wurde von der britischen Presse aufgegriffen und häufig benutzt.

Im Mai 1973 nahm die Hamburger Gruppe Faust ihre vierte LP auf, deren erstes Stück „Krautrock“ hieß. Virgin Records übernahm diesen Begriff als Genre-Bezeichnung für Rockmusik aus Deutschland.

In Deutschland wurde Krautrock oft als selbstironische Bezeichnung für die eigene Musik verwendet, um damit auszudrücken, dass man Deutschland für ein popkulturelles Entwicklungsland hielt. Krautrock war zu Beginn mehr als Sammelbegriff für Musik aus Deutschland zu sehen. Es gab weder eine einheitliche Bewegung noch weitreichende stilistische Gemeinsamkeiten.

Abgesehen von der Verwendung des nicht schmeichelhaft gemeinten Wortes „Kraut“ wird durch diese Zusammenfassung verschiedenster Stilrichtungen und die Reduzierung auf ihre geographische beziehungsweise nationale Herkunft der Begriff Krautrock auch oft als eine abwertende Bezeichnung verstanden. So waren beispielsweise Amon Düül und Agitation Free dem Psychedelic Rock verpflichtet, Tangerine Dream neigten eher dem Bereich der elektronischen Musik zu, Guru Guru praktizierten zunächst Space Rock à la Hawkwind, Birth Control waren dem Hardrock zuzuordnen, während Can eine nahezu avantgardistische Kompositionshaltung wählten. Insgesamt zeichneten sich die Bands oft durch eigene Interpretationen der anglo-amerikanischen Muster aus, was auch internationale Anerkennung mit sich brachte.

Zwar gab es bereits früh Bands, die völlig selbstverständlich auf Deutsch sangen (Ihre Kinder, Prof. Wolfff), jedoch galten deutsche Texte in der damaligen Rockmusik noch keineswegs als selbstverständlich und statt auf das Englische auszuweichen, entschieden sich einige Krautrockbands dafür, nahezu oder gänzlich auf Texte zu verzichten (so z. B. Ash Ra Tempel). Bemerkenswert ist die Nähe vieler Bands zum außerparlamentarischen Widerstand und zu linken Gruppierungen (Floh de Cologne, Ton Steine Scherben, Lokomotive Kreuzberg). Agitation Free hatten ihren Übungsraum in der K1 und spielten oft bei Aktionen der Haschrebellen. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Gruppen wie Omega (Ungarn) und Nektar (GB/USA) aufgrund ihres Erfolgs in der BRD oft zu den Krautrockern gezählt werden.

Als einzig gemeinsame Grundtendenz wäre die Neigung zu komplexeren Strukturen zu nennen, wodurch eine enge Verwandtschaft zu Progressive Rock/Artrock und Jazzrock besteht. Aus heutiger Sicht ist hervorzuheben, dass hier auffällig viele Musiker mit der damals neuartigen Synthesizer-Technik experimentierten. Dies gilt neben Can vor allem für Tangerine Dream und deren Umfeld (Klaus Schulze, Ash Ra Tempel), die so möglicherweise die Basis für den späteren Welterfolg von Kraftwerk (Autobahn, 1974) lieferten.

Österreichische Krautrockbands sind z. B. Ixthuluh und Gypsy Love (mit Karl Ratzer und Harri Stojka).

Da sich angefangen vom Hip-Hop-Pionier Afrika Bambaataa bis hin zu Techno-„Originator“ Juan Atkins international viele Musiker der folgenden Generationen explizit auf diesen „elektronischen“ Bereich bezogen, kommt dem Krautrock rückblickend eine durchaus große pop-historische Bedeutung zu, auch wenn dies seinerzeit weder beabsichtigt noch absehbar gewesen ist. Deutliche Krautrock-Einflüsse sind bei Indie-Bands wie Sonic Youth (vor allem Can) und Stereolab (vor allem Neu!) zu bemerken.

Um die Jahrtausendwende kam es zu einer Renaissance alter Krautrock-Bands, zunächst in den USA, in der Folge auch in Deutschland. Diese Entwicklung hielt an und führte dazu, dass es zu Wiedervereinigungen kam, dass vergriffene Tonträger neu aufgelegt wurden und dass auch neue Bands, wie die 2001 gegründeten Space Debris, ihre Musik als „Krautrock“ bezeichneten.

Bedeutende Vertreter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musiker und Bands der Elektronischen Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jan Reetze: Der Sound der Jahre. Westdeutschlands Reise von Jazz und Schlager zu Krautrock und darüber hinaus – Ein Trip durch fünf Musikjahrzehnte. Halvmall Verlag, Bremen 2022, ISBN 978-3-9822100-2-5.
  • Christoph Dallach: Future Sounds. Wie ein paar Krautrocker die Popwelt revolutionierten. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-518-46598-1.
  • Ulrich Klatte: Cosmic Price Guide to original KRAUTROCK records. 4. Auflage. CPG-Verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-9810109-4-7.
  • Henning Dedekind: Krautrock – Underground, LSD und kosmische Kuriere. Hannibal Verlag, Höfen 2008, ISBN 978-3-85445-276-8.
Neuauflage: Leipzig: Zweitausendeins 2021 ISBN 978-3-96318-117-7 (EPUB ISBN 978-3-96318-139-9)
  • Julian Cope: KrautRockSampler. One Heads Guide To The Grosse Kosmische Musik. Übers. von Clara Drechsler und Ronald Rippchen. Werner Pieper’s MedienXperimente, Löhrbach 1996 (= Der Grüne Zweig 186), ISBN 3-925817-86-7.
  • Ingeborg Schober: Tanz der Lemminge. Verlag Sonnentanz, 1994, ISBN 3-926794-20-8 (Autobiografisches aus dem Umfeld von Amon Düül; zuerst 1982 erschienen beim Rowohlt Taschenbuch Verlag).
  • Pascal Bussy, Andy Hall: Das Can Buch. Verlag Sonnentanz, 1998, ISBN 3-926794-07-0.
  • Christian Graf: Rocklexikon Deutschland. Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2002, ISBN 3-89602-273-3.
  • Martin Büsser: Antipop. Ventilverlag, 2002, ISBN 3-930559-45-5 (Essays und Reportagen zur Popkultur in den 90ern, unter anderem ein Kapitel über den „Mythos Krautrock“ und ein ausführliches Interview mit dem ehemaligen Faust-Mitglied Arnulf Meifert).
  • Nikos Kotsopoulos: KRAUTROCK. Cosmic Rock And Its Legacy. Black Dog Publishing 2009, ISBN 978-1-906155-66-7.
  • Dag Erik Asbjørnsen: Cosmic Dreams at Play – A guide to German Progressive and Electronic Rock. Borderline Productions 2008, ISBN 1-899855-01-7.
  • Steven Freeman, Alan Freeman: The Crack in the Cosmic Egg. Ultima Thule 1996, ISBN 0-9529506-0-X (nur noch als CD-ROM verfügbar sowie als stark erweiterte Neuausgabe in 24 Heften mit dem dreifachen Umfang des Buchs).
  • Christoph Wagner: Klang der Revolte: die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground. Mainz u. a.: Schott 2013.
  • Alexander Simmeth: Krautrock transnational. Die Neuerfindung der Popmusik in der BRD, 1968–1978. Transcript Verlag, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3424-2.
  • Wolfgang Seidel: Wir müssen hier raus! Krautrock, Free Beat, Reeducation. Ventil Verlag, Mainz 2016, ISBN 978-3-95575-052-7.

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kraut und Rüben – Über die Anfänge deutscher Rockmusik, 6-teilige WDR-Rockpalast-Dokureihe (2006)
  • Roboter essen kein Sauerkraut, Regie: Stefan Morawietz, 90 min. Dokumentation (2008)
  • Klatschmohn, Dokumentation vom German Rock Super Concert in der Festhalle Frankfurt (1973)
  • Kraut-Rock – Zustand einer Musikprovinz, Autor: Michael Stefanowski, 47 min. Doku (1975)
  • Krautboys – Die einzig wahre Al Gringo Story , Regie: Hansjörg Thurn, Darsteller: Francesco Pahlevan, Nicka v. Altenstadt, Hans Uwe Bauer, Rolf Zacher, die Krautboys, u. a., Musik: Al Gringo and the Original Pschobilly Krautboys on Moonshine, 88 min., Farbe, 16 mm, Deutschland (1992), Komödie

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Krautrock – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Christoph Wagner: Kosmische Kuriere, in der taz. die tageszeitung vom 3. März 1995, S. 15.

Musikbeispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marc Spitz: Jagger. Rebel, Rock Star, Ramble, Rogue. 2011 (Gewidmet Brendan Mullen); deutsch: Mick Jagger. Rebell und Rockstar. Aus dem Amerikanischen von Sonja Kerkhoffs. Edel Germany, Hamburg 2012, ISBN 978-3-8419-0122-4, S. 205.
  2. Nielsen Business Media Inc: Billboard. Nielsen Business Media, Inc., 29. Mai 1971 (google.co.uk [abgerufen am 6. Februar 2021]).