Meeresströmung

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Band 11 der 4. Ausgabe von Meyers Konversations-Lexikon, 1885–1890, Artikel Meer, Karte Meeres-Strömungen und neuere Tieflothungen
Ocean currents (USA, 1911)[1]
Ocean Currents and Sea Ice from Atlas of World Maps (Meeresströmungen und Meereis vom Atlas der Weltkarten, United States Army Service Forces, 1943)[2]
Globale Karte aller Oberflächen-Meeresströmungen (US Navy, 2004)

Als Meeresströmungen (engl. current, Strom) bezeichnet man die systemimmanenten waagerechten und senkrechten Transporte von Wassermassen in dem Weltmeer bzw. Ozeanen: Sie werden u. a. durch die Erdrotation,[3] Gezeiten, unterschiedliche Wasserdichten aufgrund unterschiedlicher Salzgehalte und Wassertemperaturen sowie Winde (Driftströmung) beeinflusst bzw. verursacht. Von großer Bedeutung ist dabei die Thermohaline Zirkulation.[4]

(Kleinräumigere) Wasserwirbel (engl. eddy) sind Teile bzw. Auswirkungen der Meeresströmungen, während diese wiederum Teile der großen ozeanischen Wirbel sind (engl. gyre).[3]

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meeresströmungen sind Massenströme des Meerwassers. Dabei gibt es sowohl regionale und in kurzen Perioden wechselnde wie die Gezeitenströme, als auch kontinuierliche Wasserbewegungen globalen Ausmaßes wie den Golfstrom. Diese großräumigen Meeresströmungen werden zusammen auch als globales Förderband bezeichnet.

Zahlreiche Antriebseffekte und Einflussgrößen bestimmen den Transport von Wassermassen in den Ozeanen: Die Bewegungen in den oberflächennahen Schichten sind oft schon lange bekannt, die in den tieferen Schichten Objekt jüngerer Forschungen. Im Normalfall handelt es sich hierbei um thermohalin bedingte Strömungen. Diese sind in der Regel und besonders bei den größeren Strömungsmustern des globalen Förderbandes recht verlässlich in ihrem Auftreten, können jedoch auch bedingt durch meteorologische und ozeanologische Einflussfaktoren variieren. Meist folgt diese Varianz einem Rhythmus, der sich den Jahreszeiten anpasst und damit von der Variabilität der Sonneneinstrahlung abhängt.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Strömungen werden hauptsächlich durch Temperaturunterschiede und unterschiedliche Salzgehalte des Meerwassers (je salzhaltiger das Wasser ist, desto größer ist seine Dichte) erzeugt, die von der Erwärmung von Wassermassen, durch die Sonneneinstrahlung und ihrer Abkühlung herrühren. Allerdings liefert auch die Windreibung an der Oberfläche des Meeres (Ekman-Spirale, Upwelling) einen entscheidenden Beitrag. Die Unterschiede der Wasserdichte wirken bei vertikalen Strömungen als antreibend.

Der örtliche Verlauf der Meeresströmungen wird, außer von den strömungserzeugenden Kräften, durch die sekundär wirkende Verteilung der Landmassen, die Topographie (Relief) des Meeresbodens, die Corioliskraft, die Zentrifugalkraft bei Rotationsbewegungen sowie die Reibungskraft beeinflusst. Die wichtigsten Größen sind hierbei die Wassertemperatur (Meeresoberflächentemperatur), die Salinität und hieraus resultierend die Dichte des Wassers.

Strömungsarten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meeresströmungen rund um die Antarktis

Meeresströmungen werden anhand verschiedener Merkmale unterschieden:

  • Temperatur und Salzgehalt
    • warm/kalt bzw. salzig/salzarm
  • Lage bzw. Vorkommen

Die Abgrenzungen dieser Einteilung überschneiden sich teilweise: in der Regel sind die großen Meeresströmungen eine Kombination aus verschiedensten Einflüssen.

Großräumige Meeresströmungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die großen ozeanischen Meeresdriftströme mit Flussrichtung;
blau = kalt, rot = warm
Thermohaline Zirkulation (Zirkumpolarstrom fehlt)

Die großen ozeanischen Wirbel (engl. gyre, von gyrate, rotieren, kreiseln, wirbeln, Meereswirbel) sind:

Großräumige Meeresströmungen
Name Ozean (Meer) Temperatur

(w = warm; k = kalt)

Agulhasstrom Indischer Ozean (Südostafrikanische Küste) w
Antarktischer Zirkumpolarstrom Atlantik, Pazifik und Indischer Ozean k
Antillenstrom Atlantik w
Äquatorialstrom Pazifik w
Äquatorialer Gegenstrom jeweils im Pazifik und Indischen Ozean w
Azorenstrom Atlantik (Azorenschwelle) w
Benguelastrom Atlantik (Südwestafrikanische Küste) k
Brasilstrom Atlantik (Ostbrasilianische Küste) w
Chinesischer Küstenstrom Pazifik (Ostchinesisches Meer, Südchinesisches Meer) w
Falklandstrom Atlantik (Falklandinseln) k
Floridastrom Atlantik (Golf von Mexiko, Floridastraße) w
Golfstrom Atlantik (Amerikanische Ostküste, Nordatlantik) w
Guineastrom Atlantik (Golf von Guinea) w
Humboldt-Strom/Peru-Strom Pazifik (Südamerikanische Westküste) k
Irmingerstrom Atlantik (Europäisches Nordmeer) w
Kalifornienstrom Pazifik (Amerikanische Westküste) k
Kanarenstrom Atlantik (Westeuropäische und Westafrikanische Küste) k
Kap-Hoorn-Strom Pazifik, Atlantik (Südspitze Südamerikas) k
Karibische Strömung Atlantik (Karibisches Meer, Golf von Mexiko) w
Kuroshio Pazifik (Westpazifik, Japanisches Meer) w
Labradorstrom Atlantik (Atlantik, Neufundlandbecken) k
Mosambikstrom Indischer Ozean (Straße von Mosambik) w
Nordäquatorialstrom jeweils im Atlantik, Pazifik und im Indischen Ozean w
Nordatlantischer Strom Atlantik w
Nordpazifikwirbel Pazifik w
Norwegischer Strom Atlantik (Nordsee, Europäisches Nordmeer) w
Ostaustralstrom Pazifik (Tasmansee) w
Ost- und Westgrönlandstrom Atlantik (Atlantik, Europäisches Nordmeer) k
Oyashio-Strom Pazifik (Beringmeer) k
Portugalstrom Atlantik (portugiesische Küste) w
Somaliströmung Indischer Ozean (Nordostafrikanische Küste) w
Südäquatorialstrom jeweils im Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean w
Westaustralstrom Indischer Ozean (Westaustralische Küste) k

Wasserwirbel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Randbereich der Meeresströmungen kommt es zu Turbulenzen, wobei unter der Mitwirkung der Corioliskraft Wirbel (englisch: eddy) mit einem Durchmesser zwischen 20 und 200 km entstehen: Sie können einige Wochen bis zu mehreren Monaten bestehen und dabei Distanzen von vielen hundert Kilometern zurücklegen. Mit den Wirbeln wird Meerwasser aus dem Entstehungsgebiet eingeschlossen; so kann beispielsweise warmes Golfstrom-Wasser und salziges, schweres Mittelmeer-Wasser, welches über die Gibraltarschwelle in den Atlantik strömt, in der Fläche verteilt werden. Ein solcher salzreicher Wasserwirbel aus dem Mittelmeer (ein MeddyMediterranean eddy) befindet sich typischerweise ungefähr 600 m unterhalb der Meeresoberfläche und hat einen Durchmesser von ca. 100 km.[5]

Kalte und warme Wasserwirbel können mit Satelliten beobachtet werden, da sie sich durch Änderungen in der Höhe des Meeresspiegels bemerkbar machen. Ebenfalls wurde beobachtet, dass Wasserwirbel, bei denen kaltes, nährstoffreiches Meerwasser aus der Tiefe an die Meeresoberfläche gefördert wird, wie ein kurzzeitig bestehendes Auftriebsgebiet wirken: Dadurch vermehrt sich dort explosionsartig Phytoplankton, was ebenfalls mit Satelliten beobachtet werden kann.

Bis vor Kurzem unbekannte, spontan auftretende sowie rasch um die eigene Achse rotierende, temporäre Meereswirbel mit einem Radius von wenigen Kilometern in der Ostsee werden seit Sommer 2016 im Zuge eines umfangreichen Forschungsprojekts des Helmholtz-Zentrums Geesthacht untersucht (Expedition Uhrwerk Ozean).[6]

Bedeutung der Meeresströmungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klima[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf das Klima können Meeresströmungen großen Einfluss haben. Der IPCC AR5 Report stellt fest, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit 90 % der zusätzlichen Energie-Ansammlung durch die globale Erwärmung von 1971 bis 2010 vom Ozean aufgenommen wurden.[7] Diese Beobachtung basiert auf La-Niña-Jahren, wenn durch wechselnde Windzirkulation vermehrt wärmere Wassermassen über Meeresströmungen in tiefere Meeresschichten gelangen, was den Wärmeinhalt der Ozeane beeinflusst.[8] Dies wird von Klimatologen im Zusammenhang mit dem anthropogenen Klimawandel erforscht.

Abhängig von den Meeresströmungen wachsen z. B. an der Südwestküste von England Palmen. Im Winter liegt die Temperatur hier meist über dem Gefrierpunkt, und damit deutlich höher als in anderen Gegenden auf ähnlichen Breitengraden: Der warme Golfstrom transportiert große Energiemengen und heizt insbesondere die angeströmten Küstenregionen Europas auf. Das warme Meerwasser neigt zu Verdunstung, die feuchte Luft regnet den Wasserdampfgehalt über der kälteren Landmasse wieder ab oder, wenn sie an Bergen hochsteigt und dabei abkühlt. Über Verdunstungskälte und Kondensationsenthalpie kommt es zu einem Transfer von thermischer Energie, soweit die feuchte Luft landeinwärts treibt und dort Niederschlag verursacht.

Auch die Westküste Norwegens ist im Winter weitgehend eisfrei, während die auf gleichen Breitengraden liegende Ostküste Grönlands (die vom Golfstrom kaum getroffen wird) verbreitet Eisberge und Gletscher aufweist. Ebenfalls auf den Golfstrom zurückzuführen ist das relativ milde Klima von Island. Im Vergleich zu dem kalten und schneereichen Klima Nordrusslands wird deutlich, wie groß die durch warme Meeresströmungen verursachten klimatischen Unterschiede sein können.

Durch kalte Meeresströmungen können sich andererseits auch deutlich rauere Gegenden bilden: So wird z. B. die Wüste Atacama durch den Humboldtstrom und die Namib durch den Benguelastrom verursacht. Grundlage hierfür ist die niedrige Oberflächentemperatur des in der Regel arktischen oder antarktischen Wassers. Dies verursacht meist vorzeitige Kondensation der Luftfeuchtigkeit und schränkt die Konvektion ein, weshalb in den angrenzenden Küstenregionen wenig Niederschlag fällt. Teilweise kann es zu jahrzehntelangen Trockenperioden kommen. Andererseits gibt es sehr häufig Nebel, was einige Lebewesen in diesen Regionen gezielt zur Deckung ihres Wasserbedarfs ausnutzen (siehe Nebelkondensation).

Mythos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der Weltkarte des Homer umfließt Oceanus die Erdscheibe bzw. Oikumene (bewohnte Welt)

Der altgriechische Begriff Ὠκεανός Okeanos (Ozean) bezeichnet in der Übersetzung den die Erdscheibe umfließende Weltstrom und wird in der griechischen Antike als Gott Okeanos personifiziert:[9] Er ist bei Homer (ca. 800 v. Chr.) sowohl Ursprung der Welt als auch der Strom, der die Welt umfließt und vom Meer unterschieden wird. Zugleich ist er Ursprung der Götter[10] sowie aller Flüsse, Meere, Quellen und Brunnen,[11] von denen jedoch nur Eurynome[12] und Perse[13] namentlich genannt werden. Seine Gattin ist die Meeresgöttin Tethys.

Im zwischen dem 13. bis 15. Jahrhundert schriftlich fixierten sulawesischen La Galigo-Epos bewegt der große Meereswirbel alle Wasser der Erde.

Transport[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ozeanforscher Curtis Ebbesmeyer mit Friendly-Floatees-Strandgut.
  • Energietransport (Wärme vom Äquator zu den Polen)
  • Ablation: Abtragung von Sedimenten durch Meeresströmungen
  • Anlandung: von Sediment – zusammen mit Wellenbewegung und Wind (z. B. Bungeland; Sandbank, Watt, Nehrung)
  • Verteilung von im Wasser enthaltenen, auch aufschwimmenden Stoffen, die sowohl natürlichen als auch anthropogenen Ursprungs sein können, zum Beispiel Sauerstoff, Nährstoffe, Plankton, Pollen, aber auch radioaktive Stoffe, Öl oder Plastikmüll. Dem Nordpazifikwirbel brachte die großflächige Ansammlung und Rotation von Plastikmüll und Mikroplastik den Spitznamen Great Pacific Garbage Patch (großer pazifischer Müllstrudel) ein; traurige Berühmtheit erlangten die „Friendly Floatees“ genannten Plastiktiere, die in diesem Strudel trieben.
  • Vereinfachung von Navigation und Schifffahrt
  • Eisdrift
  • Dämpfung der Erdrotation über Corioliskraft und Reibung

Risiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die mit der globalen Erwärmung einhergehende zunehmende Eisschmelze an den Polkappen verändert sich mit dem zusätzlichen Süßwassereintrag der Salzgehalt des Meerwassers vor Ort. Damit ändert sich dort auch die thermohaline Dynamik: die Bildung antarktischen Boden- wie des nordatlantischen Tiefenwasser sind Motoren der thermohalinen Zirkulation.[14]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Meeresströmung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aus: Albert L. Arey, Frank L. Bryant, William W. Clendenin, William T. Morrey: Physiography for High Schools.
  2. Army Specialized Training Division. Army Service Forces Manual M-101.
  3. a b nationalgeographic.org: ocean gyre (13. Juli 2016).
  4. Stefan Rahmstorf: The Thermohaline Ocean Circulation. 2006 (Online PDF).
  5. Scientists Use Satellites To Detect Deep-ocean Whirlpools.
  6. deutschlandfunk.de, Wissenschaft im Brennpunkt, 9. Juli 2016, Frank Grotelüschen: Wirbel in der Ostsee. Eine Messkampagne nimmt die Verfolgung auf. (9. Juli 2016).
  7. Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC: Summary for policymakers. In: IPCC Fifth Assessment Report (AR5). 2013 (PDF – WG1).
  8. Gerald A. Meehl, Julie M. Arblaster, John T. Fasullo, Aixue Hu & Kevin E. Trenberth: Model-based evidence of deep-ocean heat uptake during surface-temperature hiatus periods. In: Nature Climate Change. 1. Jahrgang, 2011, S. 360–364, doi:10.1038/nclimate1229 (nature.com).
  9. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage. Berlin 2002.
  10. Homer Ilias 14, 201.
  11. Homer Ilias 21, 195-197
  12. Homer Ilias 18, 398
  13. Homer Odyssee 10, 139.
  14. deutschlandfunk.de, Forschung aktuell, 31. August 2016, Dagmar Röhrlich: Antarktis: Der Antrieb der globalen Meereszirkulationen schwächelt (3. September 2016).