Orientit

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Orientit
Orientit-Kristallrasen aus der Mangangrube Copper Harbor, Keweenaw County, Michigan, USA (Sichtfeld: 0,68 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Orn[1]

Chemische Formel Ca8Mn3+10[(OH)10|(SiO4)3|(Si3O10)3]·4H2O[2]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Gruppensilikate
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/C.34
VIII/C.34-070

9.BJ.05
58.03.01.02
Kristallographische Daten
Kristallsystem orthorhombisch
Kristallklasse; Symbol orthorhombisch-dipyramidal; 2/m2/m2/m[3]
Raumgruppe P2mm (Nr. 25, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/25.2[2]
Gitterparameter a = 9,04 Å; b = 6,09 Å; c = 19,03 Å[2]
Formeleinheiten Z = 1[2]
Häufige Kristallflächen {110}, {001}[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 4,5 bis 5
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,05 bis 3,33; berechnet: 3,48[4]
Spaltbarkeit vollkommen bis unvollkommen nach {001}[4]
Bruch; Tenazität spröde
Farbe rötlich-braun, schokoladenbraun, braun-schwarz
Strichfarbe braun
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Fettglanz bis schwacher Metallglanz; matt in Einschlüssen
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,758
nβ = 1,776
nγ = 1,795[5]
Doppelbrechung δ = 0,037[5]
Optischer Charakter zweiachsig positiv
Achsenwinkel 2V = gemessen: 68° bis 83°; berechnet: 90°[5]
Pleochroismus sichtbar: X = rotbraun; Y = gelb; Z = bräunlichgelb[6]

Orientit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Ca8Mn3+10[(OH)10|(SiO4)3|(Si3O10)3]·4H2O,[2] ist also ein wasserhaltiges Calcium-Mangan-Silikat mit zusätzlichen Hydroxidionen. Strukturell gehört es zu den Gruppensilikaten.

Orientit ist durchsichtig bis durchscheinend und entwickelt nur kleine, dünntafelige bis prismatische oder pseudohexagonale Kristalle bis etwa einen Millimeter Größe, die meist in radialstrahligen oder rosettenförmigen Mineral-Aggregaten angeordnet sind. Seine Farbe variiert zwischen Rötlich-Braun, Schokoladenbraun und Braun-Schwarz, und seine Kristallflächen weisen einen fettähnlichen Glanz bis schwachen Metallglanz auf.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Orientit 1920 an verschiedenen Stellen in den Manganerz-Lagerstätten etwa 10 km südlich von Bueycito und nahe Banes in der ehemaligen kubanischen Provinz Oriente (heute eine aus fünf Provinzen bestehende Region). Beschrieben und publiziert wurde das Mineral ein Jahr später durch Donnel Foster Hewett (1881–1971)[7] und Earl V. Shannon, die es nach seinem Fundgebiet benannten.

Typmaterial des Minerals wird im National Museum of Natural History in Washington, D.C. (Register-Nr. 93819) und im Natural History Museum in London (1923,1029) aufbewahrt.

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Orientit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gruppensilikate (Sorosilikate)“, wo er zusammen mit Ardennit die „Ardennit-Orientit-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/C.34 und den weiteren Mitgliedern Ardennit-(V), Cassagnait, Medait, Saneroit, Scheuchzerit und Tiragalloit bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Orientit in die Abteilung der „Gruppensilikate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Silikatgruppen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Gruppensilikate mit Si3O10, Si4O11 usw. Anionen; Kationen in oktaedrischer [6]er- und/oder größerer Koordination“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 9.BJ.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Orientit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ ein, dort allerdings in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Gruppensilikate: Insulare, gemischte, einzelne und größere Tetraedergruppen“. Hier ist er zusammen mit Ardennit-(As) und Ardennit-(V) in der „Ardennitgruppe“ mit der System-Nr. 58.03.01 innerhalb der Unterabteilung „Gruppensilikate: Insulare, gemischte, einzelne und größere Tetraedergruppen mit insularen Einzel und Tripelgruppen (n=1,3)“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orientit kristallisiert isotyp mit Ardennit im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe P2mm (Raumgruppen-Nr. 25, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/25.2 mit den Gitterparametern a = 9,04 Å; b = 6,09 Å und c = 19,03 Å sowie eine Formeleinheit pro Elementarzelle.[2]

Die Kristallstruktur von Orientit besteht in Richtung der c-Achse aus einem regelmäßigen Wechsel zweier verschiedener Baugruppen. Die eine Baugruppe besteht aus (SiO4)-, (Si3O10)- und (MnO6)-Gruppen und die andere aus (Si3O10)- und Wassermolekülen (H2O). Die Hohlräume werden von Calcium-Kationen ausgefüllt und sind ihrerseits mit je sieben Sauerstoffatomen verbunden.[8]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orientit aus der Mangangrube, Copper Harbor, Keweenaw County, Michigan, USA (Sichtfeld: 8 mm)

An seiner Typlokalität in der Provinz Oriente fand sich das Mineral in manganhaltigen Erzkörpern in Latit- und Andesit-Tuffen sowie in vulkanischen Agglomeraten und Kalkstein, wo es in Paragenese mit Baryt, Calcit, Manganit, Neotokit, Pyrolusit, Quarz und Todorokit auftrat.

In der Mangangrube bei Copper Harbor im Keweenaw County des US-Bundesstaates Michigan entstand Orientit zudem durch Verdrängung von Calcit in Basalt-Klüften und -Linsen zusammen mit Braunit und Manganit.

Daneben fand sich das Mineral bisher (Stand 2013) nur noch in der „Lanqiao Mine“ bei Liancheng in der chinesischen Provinz Fujian, in der „Cerchiara Mine“ bei Borghetto di Vara in der italienischen Region Ligurien, in der „Wakasa Mine“ in der Unterpräfektur Okhotsk auf der japanischen Insel Hokkaidō, in der Höhle der Riesenkristalle (cueva de los cristales) in der Mine von Naica in Mexiko, in der „Wessels Mine“ bei Hotazel im Mangan-Erzfeld der südafrikanischen Kalahari-Wüste und im Steinbruch 4 der „Gouverneur Talc Company“ Harrisville im Lewis County des US-Bundesstaates New York.[9]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • D. F. Hewett, Earl V. Shannon: Orientite, a new hydrous silicate of manganese and calcium from Cuba. In: American Journal of Science. Folge 5, Band 1, 1921, S. 491–506. doi:10.2475/ajs.s5-1.6.491 (Vorschau 1. Seite auf ajsonline.org)
  • W. F. Foshag: New minerals. In: American Mineralogist. Band 6, 1921, S. 132. (PDF 62,4 kB)
  • Charles B. Sclar: Optical crystallography of Orientite from Oriente Provinze, Cuba. In: The American Mineralogist. Band 46, 1961, S. 226–232. (PDF 475,8 kB)
  • Orientite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001. (PDF 70,1 kB)
  • Marcello Mellini, Stefano Merlino, Marco Pasero: X-ray and HRTEM structure analysis of orientite. In: American Mineralogist. Band 71, 1986, S. 176–187. (PDF 1,3 MB)
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 701 (Erstausgabe: 1891).
  • Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 459, 491.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Orientite – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  2. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 591.
  3. Webmineral -
  4. a b c Orientite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001. (PDF 70,1 kB)
  5. a b c Mindat - Orientite
  6. W. F. Foshag: New minerals. In: American Mineralogist. Band 6, 1921, S. 132–132. (PDF 62,4 kB)
  7. James Gilluly (1974): Donnel Foster Hewett 1881–1971. A Biographical Memoir. In: National Academy of Sciences. (PDF 833,6 kB)
  8. Marcello Mellini, Stefano Merlino, Marco Pasero: X-ray and HRTEM structure analysis of orientite. In: American Mineralogist. Band 71, 1986, S. 176–187 (PDF 1,3 MB)
  9. Fundortliste für Orientite beim Mineralienatlas und bei Mindat