ADB:Karlmann (fränkischer Hausmeier)

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Artikel „Karlmann“ von Heinrich Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 393–395, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karlmann_(fr%C3%A4nkischer_Hausmeier)&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 03:53 Uhr UTC)
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Karlmann (Carlomannus), der erstgeborene Sohn Karl Martells aus dessen Ehe mit Chrotrudis, bereits 722 Zeuge in einer Urkunde, erhält bei der von seinem Vater vorgenommenen Reichstheilung die germanischen Länder Austrien, Alemannien und Thüringen. Zwischen ihm und seinem Bruder Pippin findet während ihrer Regierungszeit in ihren Unternehmungen Uebereinstimmung statt. Bei der chronologischen Unzuverlässigkeit der einschlägigen Annalen, Aktenstücke und Briefe ist die Zeitbestimmung fast aller Begebenheiten seiner kurzen Regierung controvers. Trotzdem bleibt diese selbst weltgeschichtlich bedeutungsvoll; denn im Vereine mit dem Bruder hat er das gefährdete Werk des Vaters, das Reich vor Zersplitterung zu bewahren, erfolgreich fortgeführt, durch Unterstützung des Bonifaz nicht nur die Ausbreitung des christlichen Glaubens befördert, sondern auch zur Begründung der römischen Hierarchie in den gallischen und germanischen Landestheilen wesentlich beigetragen und dadurch sowol wie durch seine Abdankung und Pilgerschaft nach Rom einerseits das Bündniß zwischen Papstthum und dem karolingischen Hause erleichtert, andererseits die Herrschaft dieses Hauses gestärkt. – Wie bei des Vaters Regierungsbeginn bedrohen Familienzwiste die Hausmacht. Swanahilde, die Stiefmutter der Brüder, hat nicht nur den eigenen Sohn Grifo zu Ansprüchen auf das ganze Reich oder einzelne Reichstheile, sondern auch ihre Stieftochter Chiltrudis zur Flucht zum Baiernherzog Odilo und zur Vermählung mit diesem ihrem Oheim aufgestachelt. Rasch wird der Aufstand unterdrückt (741), Grifo in Laon besiegt und von K. in Neufchateau in den Ardennen bis zu seiner Abdankung gefangen gehalten, die Stiefmutter nach Kloster Chelles [394] verwiesen. Im Innern gesichert, wenden sich die Brüder gegen die äußern Feinde, die sich zu gleichzeitiger Erhebung verabredet zu haben scheinen. Zuerst wird der abtrünnige Aquitanierherzog Chunoald in Bourges belagert, zur Flucht gezwungen und die Burg Loches am Indre erobert. Dabei wird in Alt-Poitiers eine Theilung des erworbenen Gebiets oder eine neue Reichstheilung vorgenommen (742). Ein Zug an die Donau bis zu unbestimmtem Ort dämpft den Aufstand Theudebalds, eines Sohnes des letzten Alemannenherzogs Gotfried (Herbst 742). Um jeden Vorwand zur Empörung zu beseitigen, setzt K. Childerich III. auf den Thron, den letzten Merowingerkönig (743); doch bleibt dieser bedeutungslos. Durch Ein- und Absetzung und Urkundenunterschriften ist sein Name allein bekannt; unter dem unscheinbaren Titel „Majordomus, Herzog und Fürst der Franken“ führen K. und sein Bruder die eigentliche Herrschaft. Durch des Königs Namen geschützt, bekämpfen sie mit dem Aufgebot der ganzen fränkischen Macht den gefährlichsten Gegner, ihren Schwager Odilo, den Vater Thassilos II., der mit Aquitaniern, Alemannen, Sachsen und Slaven in Verbindung stand. Die Intervention eines päpstlichen Legaten half ihm nichts. In seiner sicheren Stellung am Lech umgangen, zur Flucht über den Inn gezwungen, ward er doch gefangen aus dem Land geführt (743) und erhielt die Herrschaft wol erst gegen Anerkennung der fränkischen Oberherrlichkeit wieder (744). Auch bei den Sachsen nöthigt er eine Burg Hochseoburg (Seeburg, Sachsenburg oder Asseburg) und einen Führer Theoderich zur Ergebung, viele zur Taufe (745; Mühlbacher’s Reg. 743, 744), während sein Bruder den aufständischen Theudebald im Elsaß bekämpft. Die Aquitanier bitten schon beim Nahen eines Heeres um Frieden (746; Mühlb. Reg. 745). Die Alemannen aber erhalten durch hinterlistige Umzingelung ihres Aufgebots bei Cannstatt einen blutigen Denkzettel. Das Land kommt dauernd in die Reichsgewalt. Grafen erscheinen von da ab als deren Vertreter. Angeblich soll Reue über das angedeutete Blutbad seinen Entschluß zur Abdankung gereift haben. Jedenfalls zeigen sich neben Zügen der Härte in seinem Charakter Spuren von Frömmigkeit und von Wankelmüthigkeit: die Frömmigkeit, vielleicht durch seine Erziehung im Kloster St. Denys angebahnt, bekundet sich nicht nur in zahlreichen Schenkungen an Kirchen und Klöster, wie Fulda, das Bonifaz mit seiner Hülfe begründet (744), Lüttich, Stablo und Malmedy, sondern vor allem in der Einführung von Synoden und der durch sie bewirkten Kirchenverbesserung. Zahl, Zeit, Art dieser Synoden, ob allgemeine oder territoriale, stehen nicht durchweg fest. Die erste austrasische fand am 21. April 742 an unbekanntem Orte, eine allgemein fränkische gleichfalls in Austrasien in Estinnes (Listinas, s. ö. Mons) am 1. März 745 (Mühlb. Reg. 743), dazwischen außer der von Soissons in Neustrien (744) auch vielleicht eine von Austrasien 744 statt. Auf Anregung und unter Beirath des Bonifaz und seiner Mitbischöfe, aber in gemischter weltlich-geistlicher Versammlung und unter selbständiger Leitung des Fürsten werden Maßregeln getroffen, um der eingerissenen Verweltlichung und Unsittlichkeit der Geistlichen zu steuern, wie z. B. durch Verbot des Waffentragens, Jagens, weltlicher Trachten, durch Absetzung und Bestrafung ehrvergeßner Mönche, Nonnen und Priester, für die Zukunft aber nach römischem Muster ein fester Verband von Erzbischöfen und Bischöfen eingeführt, die eben von Bonifaz eingesetzten, wie in Würzburg, Buraburg, Utrecht etc. bestätigt, das Aufsichtsrecht derselben über die Geistlichen und die Pflichten dieser gegen jene und im Amte geregelt. Auch unsittliche Ehen der Laien, ferner heidnische Gebräuche werden verboten. Vor Allem aber werden die Besitzverhältnisse der Kirchen und Klöster, die in den vorangehenden kriegerischen Zeiten Verluste erlitten haben, sowie das Nutzungsrecht des Staats und seiner Getreuen geordnet, und zwar so, daß die kirchlichen Institute theils durch Zins von den verliehenen Gütern, theils durch Rückerstattung in bestimmten Fällen vor Noth gewahrt [395] bleiben. Eine planmäßige Säcularisation fand nicht statt. Nach kurzer Regierung dankt K. ab, um sich nach der oft geübten Sitte der Zeit in ein italisches Kloster zurückzuziehen, vielleicht aus Reue über unnöthige Härte, vielleicht aus Neigung zu beschaulichem Leben und Erkenntniß eigener Unfähigkeit, Züge, die sich in späteren Anekdoten über sein Mönchsleben wiederspiegeln. Seine Söhne, darunter Drogo, den ältesten, empfiehlt er dem Bruder, unter dessen Oberleitung jener wahrscheinlich seinen Reichstheil behält; trotzdem wird Pippin durch diesen Rücktritt in der Regierung gestärkt. Mit reichen Geschenken für P. Zacharias geht K. über St. Gallen nach Rom, wird Mönch, gründet das Kloster des heiligen Silvester auf dem Soracte (Soratte bei Rom), begiebt sich aber wegen häufiger Störung durch heimische Pilger nach Montecasino in Benevent (c. 750). Einige Mal greift er in die heimischen Verhältnisse wieder ein. So versucht er durch Vermittelung von Zacharias Pippin und seinen Bruder Grifo auszusöhnen, freilich vergebens (c. 749–51), ferner auf Drängen Aistulfs und seines Abtes Optatus persönlich das Bündniß seines Bruders mit Papst Stephan II. gegen die Langobarden zu verhindern (754). Wegen eines anscheinend daraus entstandenen Conflicts wird er mit Zustimmung des Papstes in einem Kloster in Vienne festgehalten, wie auch seine begleitenden Mönche (754). Seine Söhne werden gleichfalls einem Kloster übergeben, die Herrschaft so bei Pippins Hause befestigt. K. kränkelt und stirbt in Vienne am 17. August 754. Sein Leichnam wird auf Pippins Geheiß in Montecasino beigesetzt.

Waitz, D. Verf., III. – Hahn, Jahrb. d. fr. Reichs (741–52), 1863. – Oelsner, Jahrb. d. fr. R. unter K. Pippin (s. v. Karlmann), 1871. – Richter, Annal. d. fr. R., 1873. – Mühlbacher, Reg. d. Kaiserreichs unter den Karolingern, 1880.