ADB:Simon III.

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Simon III., Edelherr zur Lippe“ von Rudolf Falkmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 359–362, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Simon_III.&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:08 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Simmler, Josias
Nächster>>>
Simon VI.
Band 34 (1892), S. 359–362 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Simon III. (Lippe) in der Wikipedia
Simon III. in Wikidata
GND-Nummer 138456704
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|34|359|362|Simon III., Edelherr zur Lippe|Rudolf Falkmann|ADB:Simon III.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=138456704}}    

Simon III., Edelherr zur Lippe, geboren um 1340, regierte von 1360 bis 1410, ragt unter den Regenten seines Geschlechts als Kriegs- und Staatsmann hervor und hat sich namentlich durch seinen Unionsvertrag von 1368 um sein Haus verdient und in der lippischen Geschichte berühmt gemacht. – Die lippischen Herren hatten im laufenden Jahrhundert ihr Gebiet von den Stammbesitzungen an der Lippe aus nach Norden und Osten zu bedeutend erweitert, hatten die Herrschaft Rheda mit Burg und Stadt, mit Vogteirechten über verschiedene Klöster, die Aemter Enger und Quernheim mit der festen Burg Enger, den größten Theil der Grafschaft Schwalenberg erworben und in den Schlössern Varenholz und Holzminden ihr Besitzthum bereits bis an die Weser und an die Grenze der Grafschaft Eberstein vorgeschoben. Aber im Jahre 1344 war durch eine Landestheilung zwischen Simon’s Vater Otto und dessen Bruder Bernhard V. das Gebiet wieder in zwei Hälften zerrissen, die Herrschaft Lippe diesseits und jenseit des Waldes mit den Hauptstädten Lemgo und Lippstadt. Ja als nach Otto’s Tode die erstere an seinen Sohn Simon III. fiel, dessen jüngerer Bruder Otto zum geistlichen Stande bestimmt und Domherr in Köln war, mußte sich der Erstgeborene trotz alles Sträubens zu einer nochmaligen Theilung oder doch zeitweiligen Abfindung Otto’s mit Land und Leuten verstehn. Ein auf Klage Otto’s vom Grafen Wilhelm von Berg und Ravensberg veranlaßter Rechtsspruch seiner Mannen entschied damals (um 1365): da Junker Simon und Junker Otto Brüder sind von Vater und Mutter und gleich Besippte sind zur Herrschaft von der Lippe, so sagen wir, daß Junker Otto von Rechte die Herrschaft von der Lippe halb eignet. So tief war damals bereits das Princip der gleichen Erbberechtigung bei den Stammgütern der reichsständischen Dynasten in Sitte und Rechtsansicht eingedrungen, zu einer Zeit, wo den Nachgeborenen zahllose kirchliche Pfründen offenstanden. Dennoch machte es S. zu seinem Lebensziel, die zertrennten Gebiete nach Möglichkeit wieder zu vereinigen und künftige Theilungen in seinem Hause zu verhüten.

Fast gleichzeitig starb sein Oheim Bernhard V. mit Hinterlassung einer Wittwe Richardis von der Mark, einer an den Grafen Otto von Tecklenburg verheiratheten Tochter Heilwig und einer Enkelin von seiner verstorbenen Tochter Mechtild, Gemahlin des Grafen Heinrich von Holstein. Graf Otto setzte sich unter dem Namen eines Vormundes seiner Tante und deren Kinder in den Besitz der Herrschaft jenseit des Waldes und traf mit der ganzen Familie über Erbfolge, Witthums- und Brautschatzrechte eine Vereinbarung zu Lippstadt. Die Erbfolge wurde zunächst seinen künftigen Kindern vorbehalten. S. hatte gehofft, nach seines Oheims Tode die ganze Herrschaft wieder in seine Hand zu bekommen, obwohl der Ausdruck der Theilungsurkunde nicht klar und bestimmt zu seinen Gunsten sprach, und setzte Alles daran, dieses Ziel in Güte oder mit den Waffen zu erreichen. Zunächst suchte er seine Städte und Burgmannen, insbesondere Lemgo, in sein Interesse zu ziehen, fand auch bei den Verwandten seiner Mutter, den Grafen von der Mark, Rath und Beistand. Es gelang ihm sogar, die Wittwe Richardis und deren Tochter Heilwig, welche es bisher mit Tecklenburg hielten, völlig umzustimmen und durch drei mit ihnen errichtete Verträge (9. April 1366) seinem Ziele näher zu kommen. Beide erkannten ihn als einwäldigen Erbherrn der ganzen Herrschaft Lippe an, verzichteten unter Vorbehalt von Witthums- und Brautschatzansprüchen auf ihre pfandschaftlichen und andere Rechte an Städten und Burgen und überließen ihm die Städte Lippstadt und Horn, welche ihnen gehuldigt hatten. So erlangte S. ohne Schwertstreich, freilich nur mit großen Opfern für die Lebenszeit der Frauen, den Besitz eines großen Theils des streitigen Gebiets oder doch Anwartschaft auf künftigen Rückfall. Die Burg Lipperode und die Herrschaft Rheda aber blieben in Tecklenburgischen [360] Händen und andere Burgen in Pfandschaft von Gläubigern. Bevor S. sich zum Kampfe rüstete, galt es noch, durch ein wichtiges Werk der Politik das Gewonnene und alle künftigen Erwerbungen seinem Hause dauernd zu sichern. Nach dem Vorbilde der großen Kurstaaten, welchen 10 Jahr zuvor (1356) die goldene Bulle das goldene Privileg der Untheilbarkeit verleihen hatte, erstrebte er Aehnliches für sein Haus. Zuerst gewann er die Stadt Lemgo für diesen Gedanken (28. Aug. 1366), bald darauf Lippstadt, nicht ohne Gegenconcessionen durch eine Reihe vortheilhafter Privilegien, und am 27. December 1368 wurde für das ganze Land die unter dem Namen pactum oder privilegium unionis bekannte Urkunde ausgestellt. S. bestimmt darin, daß für ewige Zeiten seine ganze Herrschaft diesseit und jenseit des Waldes „aling althosamende und ungedelet eveliken tho bliven unde wesen schall“, daß Ritter, Städte und alle Bewohner seiner Herrschaft nach seinem Tode nur in eine Hand huldigen und nur einen Herrn haben sollen, der ein Erbe zur Herrschaft v. d. L. sei. An Primogenitur war derzeit noch nicht zu denken, statt dessen wird bestimmt, daß unter mehreren Mannerben, oder eventuell rechten Erben, derjenige Herr sein soll, an welchen sich die Hauptstädte Lippe und Lemgo (deren Eintracht vorausgesetzt wurde) kehren würden. Zugleich geloben die Städte Blomberg, Horn, Detmold und die Burgmannen der Schlösser, nur dem einen Erben zu huldigen, welchem die beiden Hauptstädte folgen würden. Die Urkunde enthält die ältesten Grundzüge der Landesverfassung: Untheilbarkeit und Einherrschaft, männliche und eventuell weibliche Erbfolge und Wahlrecht der beiden Hauptstädte. Dieses Wahlrecht ist niemals praktisch geworden, im Anfange des 16. Jahrhunderts definitiv aufgegeben worden und Primogenitur an seine Stelle getreten. Der Unionsvertrag ist eins der ersten Beispiele von Einführung einheitlicher Erbfolge, in den kleinen Dynastien vielleicht das einzige Beispiel einer trotz aller Anfechtungen unverletzt erhaltenen Satzung dieser Art. Er ist mehrmals von den späteren Kaisern bestätigt worden und hat sich durch alle Conflicte in den letzten Jahrhunderten bis zur neuesten Entscheidung (1838) bewährt. Weniger glücklich in seinen Kriegszügen machte doch S. auch in Waffen seinen Namen geehrt und gefürchtet. Noch bevor es zum Kampfe gegen Tecklenburg kam, überfiel die Stadt Minden die Schlösser Vlotho und Varenholz an der Weser und veranlaßte S. dadurch zu einem Rachezuge in das Mindensche, wobei die Stadt Lübbeke erobert und verbrannt wurde. Aber vom Jahr 1370 an finden wir ihn dreißig Jahre lang, durch kürzere und längere Waffenstillstände unterbrochen, in Fehde gegen die Tecklenburger und ihren mächtigen Bundesgenossen Wilhelm von Berg und Ravensberg. Urkunden und Chroniken berichten über wechselnde Erfolge, namentlich über das Hauptereigniß des ganzen Krieges. In einem Treffen im Ravensbergischen gegen Ende 1370 fiel S. mit vielen seiner Ritter in die Hand seiner Feinde und wurde, wahrscheinlich in der Burg Rheda, über drei Jahr lang gefangen gehalten, während sein Bruder Otto sich der Landesregierung annahm, und einige Vasallen, welche eigene Schlösser besaßen, sie der verwaisten Familie als Zuflucht anboten. Ueber seine Befreiung, angeblich bei Eroberung der Burg Rheda durch die zum Schutze des Landfriedens verbündeten Fürsten, haben wir nur widersprechende Nachrichten. Jedenfalls mußte der Gefangene ein hohes Lösegeld zahlen, zu welchem Engelbert von der Mark gegen Verpfändung von Lippstadt 8000 Mark Silber herschoß. Nach der unsicheren Nachricht späterer Chronisten soll S. dem Grafen Otto auch seine Tochter zur Ehe gegeben und zu gunsten dieser und ihrer etwaigen Kinder auf Rheda verzichtet haben, Letztere aber kinderlos gestorben sein. Daher der Wiederausbruch der Fehde. – Bald nach seiner Befreiung finden wir S., ungebeugt an körperlichen und geistigen Kräften wieder in Thätigkeit, schon im Februar 1376 mit seinem jungen Sohne [361] Bernhard auf einem Fürstentage und Turnier in Göttingen, im nächsten Jahre zu Minden am Hofe des Kaisers Karl, welcher sich auf der Reise nach Frankreich dort aufhielt. Von der Stadt Herford auf vier Jahre zu ihrem Schutzherrn erkoren bekämpfte er längere Zeit deren abgesagte Feinde, das Geschlecht der Korven, gen. Schmising, oder schlug sich mit anderen Feinden herum. Vergeblich machten die meisten Fürsten und viele Städte Westfalens den Versuch, durch einen Bund zum Schutze des Landfriedens (zu Soest 1385), dem auch Lippe und Tecklenburg beitraten, die zunehmenden Fehden und Räubereien zu unterdrücken, es war nur von kurzer Wirkung. Nicht lange darauf (1389) verbündeten sich Herzog Otto von Braunschweig, Hermann von Eberstein und Heinrich von Hamburg gegen die Lipper, um ihnen Holzminden zu entreißen. Dann finden wir S. wieder im Kampfe mit Tecklenburg, wobei ihm sein Schwager Otto v. Hoya, der eben zum Bischof von Münster erwählt war, kräftige Hülfe leistete, aber auf einem Streifzuge gegen Steinfurt von Balduin v. Steinfurt überfallen und gefangen wurde. Es gelang indeß S., im Bunde mit den Brüdern v. Hoya und der Stadt Münster, Steinfurt zu erobern und den Bischof zu befreien. Daraus entwickelte sich ein weiterer Kriegszustand zwischen O. v. Tecklenburg gegen Münster und Osnabrück, wobei ersterer unterlag. Graf Otto, von Feinden bedrängt, mit dem eigenen Sohne zerfallen, vor der Vehme angeklagt, starb zu Münster eines plötzlichen Todes. Endlich kam es zwischen dessen Sohne Nikolaus und den lippischen Herren, durch Vermittlung von vier Grafen von Rietberg, zu einem vorläufigen Friedensschlusse (Mai 1400), dem auch Herzog Wilhelm von Berg, damals Bischof von Paderborn beitrat. In dieser Lage blieb es, bis Simon’s Urenkel gegen Zahlung einer Geldsumme definitiv auf Rheda verzichtete. Der lange Krieg hatte zwar die lippischen Herren mit schweren Kriegsschulden belastet, wodurch wichtige Gebietstheile, wie das Amt Enger, in die Hand von Pfandgläubigern kamen, dagegen wurde gleichzeitig, um 1400, ein neues Gebiet, die Herrschaft Sternberg, vorläufig pfandweise von Schaumburg erworben.

Während S. alt und gichtkrank auf dem Schlosse zu Brake lebte und seinem Sohne die Regierung überließ, wurde sein Lebensabend noch einmal durch politische und militärische[WS 1] Ereignisse und getäuschte Hoffnungen lebhaft bewegt. Durch seine Gemahlin Irmgard von Hoya mit dem Gemahl ihrer Schwester, dem Grafen von Eberstein verwandt, schloß er mit diesem ein Schutz- und Trutzbündniß, aus welchem sich die Erbverbrüderung vom 6. Juni 1403 entwickelte. Die Grafschaft Eberstein, ein ansehnlicher Landstrich im fruchtbaren Weserthal zwischen Hameln und Holzminden, wurde mit der Herrschaft Lippe zu einem Gebiete vereinigt, welches nach dem Verblühen des einen Stammes an den überlebenden fallen sollte, also voraussichtlich an Lippe, denn Simon’s Sohn Bernhard, welcher sich in demselben Jahre mit einer Gräfin von Mörs verheirathete, war zur Fortpflanzung des Stammes bestimmt. Graf Hermann aber hatte nur noch eine Tochter in Kinderjahren, und beide Väter entsagten einer Wiederverheiratung. – Dieses Bündniß erregte aber die Eifersucht der benachbarten Welfenfürsten, der Brüder Heinrich und Bernhard von Braunschweig. Ein Kriegsfall war bald gefunden, als S. die von Heinrich verfolgten Brüder v. Reden in sein Schloß Varenholz aufnahm. Die beiderseitigen Heerhaufen rückten ins Feld und trafen am 19. September 1404 am Oerberge bei Hameln zusammen. Das braunschweigische Heer wurde nicht nur vollständig geschlagen, sondern auch Herzog Heinrich mit vielen seiner Ritter, darunter Graf Otto von Hallermund, von Bernhard VI. mit eigener Hand gefangen genommen. Der kostbare Gefangene wurde in einem tief im Walde belegenen Bergschlosse, der Falkenburg in strenger Haft gehalten. Vergeblich versuchte sein Bruder Bernhard durch Klage bei [362] König Ruprecht und dem Papste, ihn zu befreien. Er mußte sich unter anderen Bedingungen zu einem Lösegeld von 100 000 Goldgulden in fünf Terminen verstehen (22. Juni 1405). Nachdem aber eine kleine Zahlung von 5000 Gfl. oder wenig mehr geleistet war, gelang es dem Herzog nicht nur Entbindung von seinen Eiden, sondern auch den Bannstrahl des Papstes und die Reichsacht des Königs gegen Lippe und Eberstein zu erwirken. Die Oberacht entfesselte ein Heer von Feinden gegen sie, welche zunächst die Burg Polle an der Weser eroberten und Jahr für Jahr verheerende Einfälle in das lippische Land machten. Die Lipper wehrten sich tapfer über drei Jahr lang, nachdem aber der Graf v. Eberstein im Januar 1408 zu Hameln seinen Separatfrieden mit den Welfen gemacht, worin er seine Tochter Elisabeth mit der Grafschaft Eberstein als Brautschatz einem Sohne Heinrichs zur Ehe versprach, mußten auch sie sich endlich zum Frieden bequemen (zu Polle am 7. April 1409) und sich damit begnügen, durch Befürwortung ihrer Feinde aus Acht und Bann zu kommen, aber auf die Frucht der Erbverbrüderung verzichten. So ist durch Eidbruch und Verrath die Grafschaft Eberstein an Braunschweig gekommen. – S., welcher an diesem Kriege persönlich nicht mehr theilnahm, hat den Friedensschluß nicht lange überlebt, er starb am 17. Februar 1410 auf dem Schlosse zu Brake. Ihm verdanken es seine Nachkommen, daß ihr Haus und Gebiet vor weiterer Zersplitterung bewahrt worden ist.

Das urkundliche Material bei Preuß und Falkmann, Lipp. Regesten, Bd. II. Vgl. Falkmann, Beiträge Bd. I, S. 209–59.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: milttärische