Die Frau im Tal

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Die Frau im Tal (norw. Damen i dalen) ist ein Roman von Ketil Bjørnstad, der 2009 bei Aschehoug[1] in Oslo erschien.[2]

Der Osloer Aksel Vinding erinnert sich an Begebenheiten aus den Jahren 1971/72. Nach dem vielversprechenden Debüt als Pianist reist der seinerzeit 19-jährige Witwer Aksel für ein paar Monate in die norwegische Finnmark. Dort in der Wildnis direkt an der Grenze zur Sowjetunion gewinnt der junge Mann die Liebe der Frau im Tal. So wird selbst im fernen Oslo die 31-jährige Sigrun Liljerot, Distriktsärztin für Sør-Varanger, genannt; vermutlich, weil sie mit ihrem Ehemann Eirik Kjosen – einem muskulösen Lehrer für Sport und Musik – in Pasvikdalen lebt.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sigrun, der Schwester seiner 36-jährigen Frau Marianne, begegnet Aksel zum ersten Mal auf der Beerdigung der Gattin in Oslo. Ihn fasziniert die Ähnlichkeit der schönen Ärztin sowohl mit ihrer Schwester Marianne als auch mit deren ebenfalls verstorbenen Tochter Anja.

Das war im Juni 1971 gewesen, gerade an dem Tag von Aksels Debüt, als sich die engagierte Gynäkologin Marianne im Keller der Skoog-Villa – die liegt im Elvefaret außerhalb Oslos – erhängt hatte. Die schwangere Witwe hatte Aksel erst im April 1971 in Wien heimlich geheiratet. Mariannes erster Ehemann, der vermögende Bror Skoog, hatte sich 1970, als er von der Untreue seiner Frau erfuhr, in ebenjenem Keller des Skoog-Hauses erschossen.

Eigentlich war es der Steinway-Flügel im Skoog-Haus gewesen, der Anja und Aksel zusammengebracht hatte. Anja war mit „Hochzeitstag auf Troldhaugen[3] Juniormeister in der Sparte Klavier geworden. Es war nicht bei gemeinsamen Klavierübungen geblieben. Anja und Aksel hatten ein Verhältnis miteinander gehabt, über das sich der Ich-Erzähler permanent ausschweigt; ebenso wie über die Umstände des Suizids von Anja. Einmal vermutet er nur, nach dem Juniormeister sei von Anja zu viel erwartet worden. Und Marianne habe sich das Leben genommen, weil sie den Verlust von Anja und Bror nicht verwunden hätte.

Bevor Aksels steile Karriere im Laufe des Jahres 1972 in Oslo richtig beginnt, unternimmt er unmittelbar nach der Tat Mariannes einen Selbstmordversuch. Der Jazzmusiker Gabriel Holst fischt Aksel aus einem Fluss und ruft den Notarzt. Nachdem Aksel vom Psychiater Gudvin Säffle aus der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie entlassen wurde, genießt er zunächst seine Freiheit in vollen Zügen. Aksel verwirft alle ehrgeizigen Karrierepläne der Klavierlehrerin Selma Lunge und des Konzert-Agenten W. Gude. Er fliegt in die entlegene Finnmark. Auf dem Fluge wird der Debütant von dem Musikliebhaber Gunnar Hoegh, Direktor der A/S Sydvaranger[4], erkannt. Der Direktor möchte, dass der Pianist auf einem seiner Empfänge für ein Butterbrot spielt. Aksel, der auf Einladung der Schwägerin Sigrun und des Schwagers Eirik anreist, wohnt zunächst bei den Verwandten und darauf im benachbarten Wohnheim der Internatsschule, an der Eirik lehrt. In den folgenden Monaten studiert der Pianist nicht das B-Dur-Konzert[5] von Brahms ein, wie das seine beiden Osloer Förderer festgelegt hatten, sondern er widmet sich ganz dem Klavierkonzert Nr. 2[6] von Rachmaninow. Die nahe gelegene sowjetische Grenze lädt zur Begegnung mit dem großen Russen in mehreren Traumsequenzen ein. Aber Aksel träumt und übt nicht nur. Gelegentlich musiziert er mit Sigrun. Die Ärztin spielt die Violine professionell. Das Studium der Musik war ihr als Jugendliche von den Eltern verwehrt worden. Dieser Zwang war sogar zusätzlich von der älteren Schwester Marianne ausgegangen und Ursache eines nicht kittbaren Zerwürfnisses der Schwestern geworden. Sigrun war Anfang 1971 schwanger gewesen und hatte aber ihr Kind kurz vor Mariannes Begräbnis verloren. Dabei hatte Sigrun zwei Jahre lang keinen Sex mit Eirik gehabt. Sigrun spricht dem Alkohol zu und hat keine Einwände gegen wiederholten Geschlechtsverkehr mit Aksel. Jedes Mal nach dem gemeinsamen Musizieren – Eirik ist unterdes mit seinen Schülern im verschneiten Birkenwald unterwegs – verkehren die beiden Solisten im Stehen, Sitzen oder im Liegen. Sigrun entblößt sich bei den Gelegenheiten nur so weit als unbedingt erforderlich.

Als Sigrun ihrem bevorzugten Musikanten Aksel gesteht, dass sie wieder schwanger geworden ist – diesmal angeblich von Gunnar Hoegh, reist der Pianist ab. In Oslo setzt er seine Karriere fort, die wahrscheinlich über München und Paris nach London führen wird. Dabei hat er weder das Abitur gemacht, noch Musik studiert. Nicht Brahms und auch nicht Rachmaninow werden vorgenommen, sondern das A-Dur-Konzert[7] von Mozart.

Anlässe für Aksels Rückkehr in die Zivilisation könnten mehrere aufgeführt werden. Hinter einem steht die Reederstochter Rebecca Frost; eine talentierte und äußerst kritische, genau hinhörende Musikerin. Rebecca hatte ihren auf Aksel eifersüchtigen Ehemann Christian abgeschüttelt und war mit Gabriel Holst zu einer Jazzkonzert-Tournee durch die Finnmark abgereist. Die junge Medizinstudentin Rebecca war schon vor Anja mit Aksel ins Bett gestiegen und hatte den Musiker immer geliebt. Zudem hatte Sigrun diese unsentimental-leidenschaftliche Frau ihrem Schwager Aksel als geeignete feste Partnerin empfohlen. Es sieht ganz so aus, als ob der Star-Pianist in spe dieser Empfehlung folgt.

Form und Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Warum brachte sich Anja um? Jene den Leser über den ganzen Text hinweg bewegende Grundfrage kann der Ich-Erzähler auch nicht beantworten, weil er nicht allwissend ist. Er kann lediglich vage Vermutungen anstellen – Gesellschaftskritik: Im sozialen Umfeld des Wunderkindes Anja wäre mehr Zurückhaltung der Karriere vielleicht förderlicher gewesen.

Zwar hat der Autor sein Werk mit Nebenfiguren und -handlungen überfrachtet, doch der Leser wird – in die Welt der Ärzte und Musiker eintauchend – gut unterhalten. Manches aber verstimmt ihn. Da kommt ihm an wenigen Stellen der Politunterricht in die Quere. So lässt die Wehrmacht 1945 verbrannte Erde in Nordostnorwegen zurück. Später dann prallen im Tal der Frau Sigrun die NATO und der Warschauer Pakt aufeinander. Erstere sind die Guten und letztere die Bösen. Des Weiteren wird Aksels Annäherung an die große russische Seele Rachmaninows an der norwegisch/sowjetischen Grenze als vordergründig konstruiert empfunden. In dem Kontext sollen auch die durchsichtigen Anstrengungen des schreibenden Pianisten Bjørnstad, das Wesen der Musik genau zu erläutern, nicht verschwiegen werden. Gemeint sind zum Beispiel die Passagen, wie Rachmaninow oder auch Brahms zu spielen sei.[8]

Eigentlich ist aber im Roman vieles erlaubt. Zum Beispiel ist die Trauerarbeit Aksels am Romananfang auf Heiterkeit erregende Weise bewältigt. Das beginnt damit, dass der beinahe Ertrunkene von Gabriel Holst vom Grunde des Flusses heraufgeangelt wird. Ganz unwahrscheinlich, aber lustig – Aksel hängt an der Schnur. Der Angelhaken ist dem erfolglosen Selbstmörder in den Gaumen gedrungen. Lesenswert sind in dem Zusammenhang die darauffolgenden Begegnungen Aksels mit seinem Lebensretter. Makabrer Humor dominiert.

Die Kapitelüberschriften in den drei Teilen und dem Epilog des Romans stimmen den Leser in Schulaufsatz-Manier auf die folgenden Zeilen ein.

Ausgaben in deutscher Sprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verwendete Ausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ketil Bjørnstad: Die Frau im Tal. Aus dem Norwegischen von Lothar Schneider. Insel Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-458-17477-6. (it 4092, 1. Auflage. 2011)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. engl. Aschehoug
  2. Verwendete Ausgabe, S. 6 oben
  3. Grieg: Hochzeitstag auf Troldhaugen - Hans-Dieter Karras anno 1976 an der Führer-Orgel in der Klosterkirche St. Maria, Riddagshausen
  4. engl. Sydvaranger
  5. 2. Klavierkonzert von Brahms Auszüge
  6. Wilfried Lingenberg spielt das Klavierkonzert Nr. 2 von Rachmaninow
  7. Einige Interpretationen:
    KV 488 1. Satz: Allegro – Lars Vogt spielt mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Ivor Bolton
    KV 488 Adagio
    KV 488 Nina Viatkina-Bönte spielt den 3. Satz
    KV 488 Till Fellner spielt mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Hubert Soudant
  8. Verwendete Ausgabe S. 209–213 und S. 261.