Drakon

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Drakon (altgriechisch Δράκων ὁ Ἀθηναῖος Drákōn ho Athēnaíos ‚Drakon der Athener‘) war ein athenischer Gesetzgeber oder Nomothetes. Ihm wird ein Gesetz zur Verfolgung von Tötungsdelikten zugeschrieben, das im Jahr 622 oder 621 v. Chr. erlassen wurde.[1] Er führte hierbei zwei wesentliche Neuerungen in das Strafrecht Athens ein: die Unterscheidung von vorsätzlicher und unbeabsichtigter Tötung sowie den Verweis der jeweiligen Straffälle an spezialisierte Gerichtshöfe im Rahmen eines vorgeschalteten Rechtsverfahren. Hiermit wurde die Blutrache abgelöst.[2]

Auch nachdem Solon seine Gesetze erlassen hatte, hatte Drakons Gesetz über die Tötung weiterhin Bestand.[3]

Damit es niemand übersehen oder ignorieren konnte, wurde das Gesetz (θεσμοί thesmoi) auf Holztafeln geschrieben (οἱ ἄξονες hoi áxones ‚Gesetzestafeln, die um eine Achse gedreht werden können‘) und an zum Teil drehbaren dreiseitigen Stelen (αἱ κύρβεις hai kýrbeis ‚drehbare pyramidenförmige Pfeiler zur Bekanntmachung von Gesetzen‘) oder Säulen (αἱ στῆλαι hai stēlai ‚Gesetzessäulen‘) befestigt,[4][5] die auf dem Markt (der Agora) aufgestellt wurden, wo sie fast zweihundert Jahre verblieben. Drakons Gesetz wurde unter Beibehaltung der Unterscheidung vorsätzlicher und unbeabsichtigter Tötung von der Solonischen Gesetzgebung übernommen.

Die drakonische Gesetzgebung (Δρακόντειοι νόμοι Drakónteioi nómoi ‚Gesetze von Drakon‘ bzw. Δρακόντεια μέτρα Drakónteia métra ‚Maßregeln von Drakon‘) wurde in der klassischen Periode Griechenlands als außerordentlich grausam („in Blut geschrieben“) angesehen und ist auch in der deutschen Sprache sprichwörtlich für eine übertrieben harte, eben „drakonische“ Bestrafung geworden. Dabei wurde allerdings meist übersehen, dass Drakon selbst die vorhandenen Gesetze und Bestimmungen seiner Zeit lediglich kodifizierte und damit vor allem die noch härteren willkürlichen und oft ausufernden Strafen der Vorzeit abschaffte. Zudem unternahm er Anstrengungen, die bis dahin praktizierte Blutrache durch ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für das Sühnen von Verbrechen zu ersetzen. Die drakonische Gesetzgebung war damit ein wichtiger Schritt in Richtung auf das staatliche Gewaltmonopol.

Mit Hinsicht auf den vielfach vorgeschriebenen Gebrauch der Todesstrafe schreibt Plutarch über Drakon:

«αὐτὸς δ᾽ ἐκεῖνος, ὥς φασιν, ἐρωτώμενος διὰ τί τοῖς πλείστοις ἀδικήμασι ζημίαν ἔταξε θάνατον, ἀπεκρίνατο τὰ μὲν μικρὰ ταύτης ἄξια νομίζειν, τοῖς δὲ μεγάλοις οὐκ ἔχειν μείζονα.»[6]
„Jener selbst aber, wie man sagt, antwortete auf Befragen, warum er den Tod für die meisten Verbrechen als Strafe vorgesehen habe, dass er der Ansicht war, ihn (den Tod) für die geringen Verbrechen anzuwenden, aber für die großen (Verbrechen) keine größeren (Strafen) habe.“

Bekannt ist das Gesetz Drakons zu Totschlag, Blutrache und Versöhnung dank einer 409/408 v. Chr. entstandenen inschriftlichen Neupublikation (SIG 3 111).[7]

Wiktionary: drakonisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Chris Carey: In search of Drakon. In: The Cambridge Classical Journal. Band 59, 2013, S. 29–51.
  • Walter Fuchs: Drakonisches Recht und Ursprungskritik. In: Kritische Justiz. Band 44, Nr. 1, 2011, S. 84–98 (Digitalisat).
  • Winfried Schmitz: Leges Draconis et Solonis (LegDrSol). Eine neue Edition der Gesetze Drakons und Solons mit Übersetzung und historischer Einordnung (= Historia Einzelschriften. Band 270). 2 Teilbände, Franz Steiner, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-515-13361-6. – Rezension von Christopher J. Joyce, Bryn Mawr Classical Review 2024.05.12
  • Gerhard Thür: New light on Draco and the Cylonian sacrilege. In: Werner Rieß (Hrsg.) :Colloquia Attica. Neuere Forschungen zur Archaik, zum athenischen Recht und zur Magie (= Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne. Band 4). Steiner, Stuttgart 2018, S. 27–35 (Digitalisat).

Einzelnachweise

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  1. Chris Carey: In search of Drakon. In: The Cambridge Classical Journal. Band 59, 2013, S. 29.
  2. Winfried Schmitz: Leges Draconis et Solonis (LegDrSol). Eine neue Edition der Gesetze Drakons und Solons mit Übersetzung und historischer Einordnung (= Historia Einzelschriften. Band 270). 2 Teilbände, Franz Steiner, Stuttgart 2023, ISBN 978-3-515-13361-6, S. 134ff.
  3. Chris Carey: In search of Drakon. In: The Cambridge Classical Journal. Band 59, 2013, S. 30.
  4. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Braunschweig 1914, Bd. 1, S. 1535
  5. Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch. G. Freytag Verlag/Hölder-Pichler-Tempsky, München/Wien 1965.
  6. Plutarch: Solon
  7. Hans-Joachim Gehrke, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000, S. 66.