Ölzucker

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ölzucker oder Elaeosacchara (Einzahl: Elaeosaccharum) waren pulvrige Mischungen aus Zucker und flüchtigem Öl.[1]

Die Darstellung erfolgte durch Mischung und Reiben mittels Pistill im Porzellanmörser. Dazu wurde eine kleine Menge gepulverten Zuckers in einen Porzellanmörser gegeben, das ätherische Öl darauf getröpfelt, auf dieses wieder eine Schicht Zucker geschüttet und dann mit einem Pistill das Ganze innig gemischt. Hierauf erfolgte nun allmählich und unter Reiben bzw. Mischen der Zusatz der übrigen Menge Zucker.[2]

Da die mit ätherischen Ölen bereiteten Ölzucker nicht lange haltbar waren, mussten sie bei jeder Bestellung neu angefertigt werden. Sie dienten meist zur Geschmacksverbesserung von Arzneien und zum Lösen von Koliken.[3][4]

Elaeosacchara per affrictionem wurden Zubereitungen genannt, die durch Abreiben von Zitronenschalen, Pomeranzenschalen oder Vanilleschoten mit einem festen Stück Zucker hergestellt wurden, bis der Zucker eine genügende Menge flüchtigen Öls aufgesogen hatte oder seine äußere bis zu 2 mm dicke Schicht verfärbt erschien. Man schabte dann mittels eines Messers den gefärbten Teil des Zuckers ab. Diese Operation wurde so oft wiederholt, bis die gewünschte Menge Ölzucker gesammelt war. In einem warmen Porzellanmörser zerrieb man diese zu Pulver.[5][6][7]

Gelegentlich wird noch das sogenannte „Windpulver“, eine Mischung aus leichtem Magnesiumcarbonat, Fenchelölzucker, Anisölzucker und Kümmelölzucker,[8] bei Babys zur Linderung bei Blähungen verwendet.

Aufgrund der besseren Verarbeitungseigenschaften wird heute vielfach Milchzucker (Lactose) statt Saccharose als Grundlage in Arzneiverreibungen verwendet, etwa in homöopathischen Vertreibungen und Pulvermischungen für die Tabletten- und Kapselfertigung. Als Nebenprodukt der Milchindustrie ist Milchzucker zudem entsprechend billig.[9] Wegen seiner reduzierenden Eigenschaften neigt Milchzucker jedoch eher zu Inkompatibilitäten als Saccharose.[10][11]

Antike – Frühe Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ofen zur Fraktionierten Destillation. Hieronymus Brunschwig 1512. Titelblatt

Der Begriff „Öl“ scheint von jeher auf alle brennbaren, mit Wasser nicht mischbaren Flüssigkeiten und Vegetabilien bezogen worden zu sein; in früher Zeit wurden bereits die fetten und die ätherischen Öle mit demselben Namen bezeichnet. Im 16. Jahrhundert unterschied man destillierte Öle und solche, die auf andere Weise (durch Auspressen oder Kochen mit Wasser) erhalten sind (olea destillata und olea secreta).[12]

In seinem „Großen Destillierbuch“ aus dem Jahr 1512 beschrieb der Straßburger Wundarzt und Botaniker Hieronymus Brunschwig die Zusammensetzung und die Wirkung von vier Zuckerverreibungen mit aus pflanzlichen Substanzen gewonnenen Destillaten. Er nannte diese Zuckerverreibungen Manus Christi. Als pflanzliche Substanzen wurden die vier „Flores cordiales“ ausgewählt, von Brunschwig „Flores cardinales“ genannt: Rosen-, Borretsch-, Ochsenzungen- oder Veilchen-Blüten.[13] Über „Öle“ schrieb Brunschwig im Zusammenhang mit seinen Auslassungen über das Ziegelöl.[14] Brennvorrichtungen zur Ausführung von Fraktionierten Destillationen bildete er als Vorrichtungen zur Branntweinherstellung ab. Diese Vorrichtungen waren aber auch zur Abscheidung von Ölen geeignet.[15]

In einem 1583 posthum vom Zürcher Arzt Caspar Wolff herausgegebenen Arzneibuch des Conrad Gessner wurden die Darstellung und die Verwendung der Öle genauer beschrieben.[16]

„Was der nutz oder gebrauch der Oelen ſey. Es haben die Diſtillierten Oele ein vilfaltigen nutz vnd gebrauch / wie dann ſolches volgends ſol gehört werden. Aber ſie werden auch auff diſe weiſe ſehr bequemlich in Leib gebraucht : nemlich ſoltu des beſten Zuckers in Violen oder Roſes oder Zimmat / oder ſonſt der gleichen gebrennten Waſſers zerlaſſen : darnach ein tröpfflin oder zwey des Oels / welches du gebrauchen wilt / daran ſchütten / vnd alſo kleine Täffelin darauß formieren.“[17]

Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der ersten Preussischen Pharmacopoe aus dem Jahre 1799 wurden Ölzucker aus Anisfrüchten, Zimtrinde, Fenchelsamen, Pfefferminzkraut und Zitronenschalen aufgeführt. Auch in der ersten Deutschen Pharmacopoe aus dem Jahre 1872 und noch in der 1951 herausgegebenen Neuauflage des 6. Deutschen Arzneibuchs wurden Ölzucker – wenn auch nur kurz – erwähnt.[18][19][20][1] Im österreichischen Arzneibuch wurden die Ölzucker noch bis in die Ausgabe 2007 (ÖAB 2007) geführt.[21]

Allgemein wird aufgrund der besseren Verarbeitbarkeit heute eher Lactose (Milchzucker) statt Saccharose in Arzneiverreibungen verwendet, etwa in homöopathischen Vertreibungen oder Pulvermischungen für die Tabletten- und Kapselfertigung.[22]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Deutsches Arzneibuch. 6. Ausgabe 1926, Neudruck 1951 mit eingearbeiteten Nachträgen, Decker und Schenck, Hamburg – Berlin – Bonn 1951, S. 201: Elaeosacchara – Ölzucker. Ätherisches Öl 1 Teil, mittelfein gepulverter Zucker 50 Teile werden gemischt. Ölzucker sind zur Abgabe frisch zu bereiten.
  2. Hermann Hager, B. Fischer und Carl Hartwich (Herausgeber). Kommentar zum Arzneibuch für das Deutsche Reich, Dritte Ausgabe, Julius Springer – Berlin (Band I) 1891 S. 562: Elaeosacchara (Digitalisat)
  3. D. F. L. von Schlechtendal: Elaeosaccharum. In: Dietrich Wilhelm Heinrich Busch, Carl Ferdinand von Graefe, Christoph Wilhelm Hufeland, Heinrich Friedrich Link und Joseph Müller (1811–1845) (Herausgeber). Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften, Veit et Comp., Berlin (Band 10) 1834, S. 468: Elaeosaccharum (Digitalisat)
  4. Theodor Husemann. Handbuch der gesammten Arzneimittellehre. 2. Aufl., Springer, Berlin (Band I) 1883, S. 346: Mechanica (Digitalisat)
  5. Albrecht von Haller (Herausgeber). Onomatologia medica completa oder Medicinisches Lexicon das alle Benennungen und Kunstwörter welche der Arzneywissenschaft und Apoteckerkunst eigen sind deutlich und vollständig erkläret [...]. Gaumische Handlung, Ulm/ Frankfurt am Main/ Leipzig 1755, Sp. 581–582 (Digitalisat)
  6. Karl Friedrich Mohr. Commentar zur Preussischen Pharmakopoe : nebst Übersetzung des Textes. Nach der sechsten Auflage der Pharmacopoea borussica. Friedrich Vieweg, Braunschweig (Band I) 1848, S. 336: Elaeossaccara. Oelzucker (Digitalisat)
  7. Hermann Hager. Commentar zur Pharmacopoea Germanica. Julius Springer, Berlin (Band I) 1873, S. 569–570: Elaeosacchara (Digitalisat); (Band II) 1874, S. 854: Vanilla saccharata (Digitalisat)
  8. DAC/NRF, Rezepturhinweise Fenchel, abgerufen am 20. Juli 2019.
  9. Laktose: Was ist das?, nmi-Portal / Society for Public Health (e.V.), abgerufen am 21. Mai 2020.
  10. R. Voigt: Pharmazeutische Technologie. 11. Auflage. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2010, S. 146 f.
  11. K.H. Bauer, K.-H. Frömming, C. Führer: Pharmazeutische Technologie. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart 1989, S. 141 ff.
  12. Hermann Kopp. Geschichte der Chemie. Vieweg, Braunschweig (Band 4) 1847, S. 382 ff.: Fett, Oel und daraus erhaltene Verbindungen. (Digitalisat); S. 391 ff.: Flüchtige Oele (Digitalisat)
  13. Hieronymus Brunschwig. Liber de arte distillandi de compositis. Straßburg 1512, Blatt 151vb (Digitalisat)
  14. Hieronymus Brunschwig. Liber de arte distillandi de compositis. Straßburg 1512, Blatt 52rb-53va (Digitalisat)
  15. Hieronymus Brunschwig. Liber de arte distillandi de compositis. Straßburg 1512, Blatt 21r (Digitalisat); Blatt 39r (Digitalisat); Blatt 127v (Digitalisat); Blatt 159r (Digitalisat); Blatt 185v (Digitalisat); Blatt 276v (Digitalisat)
  16. Caspar Wolff (Herausgeber). Der ander Theil des Schatz Euonymi / von allerhand kunstlichen vnd bewerten Oelen / Wasseren / vnd heimlichen Artzneyen … erstlich zusammen getragen durch Herren Doctor Cunrat Geßner ..., Jakob Nüscheler, Zürich 1583, S. 103: Wie man die Oele Distillieren soll. (Digitalisat)
  17. Caspar Wolff (Herausgeber). Der ander Theil des Schatz Euonymi / von allerhand kunstlichen vnd bewerten Oelen / Wasseren / vnd heimlichen Artzneyen …, Jakob Nüscheler, Zürich 1583, S. 106: Was der nutz oder gebrauch der Oelen sey. (Digitalisat)
  18. Pharmacopoea Borussica. Cum Gratia et Privilegio Sacrae Regiae Majestatis. Georg Decker, Berlin 1799, S. 90–91: Elaeosaccharum (Digitalisat)
  19. Pharmacopoea Germanica, R. von Decker, Berlin 1872, S. 88: Elaeosacchara (Digitalisat)
  20. Arzneibuch für das Deutsche Reich. Dritte Ausgabe. (Pharmacopoea Germanica, editio III.), R. von Decker, Berlin 1890, S. 84: Elaeosacchara (Digitalisat)
  21. OEAB Streichungsliste vom 2.10.2007 (PDF), AGES, Bereich PharmMed.
  22. R. Voigt: Pharmazeutische Technologie. 11. Auflage. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2010, S. 146 f.