Benutzer:Avigdor Blaustein/Cloisters Cross

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Cloisters Cross, Vorderseite
Cloisters Cross, Rückseite

Das Cloisters Cross oder Kreuz von Bury St. Edmunds ist ein Altarkreuz aus geschnitztem Walrosselfenbein, das im 12. Jahrhundert in England angefertigt wurde. Seine Größe, es ist etwa 57 Zentimeter hoch, und seine äußerst reichhaltige und feine Schnitzerei machen das Cloisters Cross zu einem einzigartigen Zeugnis der romanischen Elfenbeinschnitzerei. Das Kreuz zeichnet sich durch mehrere antijüdische Darstellungen und Inschriften aus.

Das Cloisters Cross wurde Meister Hugo oder seinem Umkreis zugeschrieben. Meister Hugo war in der Benediktinerabtei St. Edmund in Bury St Edmunds in der englischen Grafschaft Suffolk tätig. Diese Zuschreibung ist jedoch umstritten. Das Kreuz befindet sich seit 1963 in der Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York City, wo es in der Außenstelle The Cloisters ausgestellt wird. Daher stammt auch die Bezeichnung des Werks, während der früher gebräuchliche Name „Kreuz von Bury St. Edmunds“ auf den vermuteten Ort der Herkunft verweist.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Cloister Cross ist ein lateinisches Kreuz mit quadratischen Plaketten an den Enden, ein Bernwardskreuz. Es hat eine Gesamthöhe von 57,5 Zentimeter bei einer Breite von 36,2 Zentimeter. Der Schaft hat eine Höhe von 31,4 Zentimeter, von denen der an der Basis angebrachte und nicht mit Schnitzereien versehene Quader 4,8 Zentimeter beansprucht. Der Schaft ist 4,3 Zentimeter breit und 3,2 Zentimeter stark. Der Querbalken ist, ohne die Quader an den Enden, 24,8 Zentimeter lang. Die drei Quader haben Kantenlängen von 5,4 bis 5,9 Zentimeter an den Schauseiten, bei einer Tiefe von 3,8 bis 4,1 Zentimeter.[1][2]

Das Kreuz ist aus fünf Teilen gefertigt, die mit einer Nut-Feder-Verbindung zusammengesetzt und mit Dübeln aus Elfenbein fixiert wurden:[3]

  • Der Schaft von der Darstellung von Adam und Eva an der Basis bis zum Mittelkreis;
  • der Querbalken mit dem Mittelkreis, aber ohne die beiden Quader an den Enden;
  • die beiden Quader an den Enden des Querbalkens;
  • der obere Balken, einschließlich des oberen Quaders, bis hinab zum Mittelkreis und einschließlich der liegenden Figur im oberen Kreissegment.[2]

Der Würfel an der Basis ist eine spätere Ergänzung.[2] Eine etwa zehn Zentimeter hohe abgestufte quadratische Plinthe, auf der das Kreuz 1963 stand, stammte ebenfalls aus neuerer Zeit.

Das Kreuz besteht aus Walrosselfenbein, das an der Oberfläche eine gelbliche Patina aufweist. Das Material brachte es mit sich, dass Längs- und Querbalken trotz der Zusammensetzung aus mehreren Teilen nicht gerade, sondern leicht verzogenen sind. An vielen Stellen tritt der Zahnnerv zutage und vermittelt einen kristallinen Eindruck, ohne jedoch zu stören. In den Inschriften und Ornamenten befinden sich Reste einer Fassung aus vier Pigmenten. Die Hintergründe der Bilder auf den Quader sind mit einem Pigment in Ultramarin gefasst. Darunter, möglicherweise als Grundierung, befindet sich rotes Eisenoxid. Schließlich sind die an verschiedenen Stellen des Kreuzes zu sehenden Punkte mit Zinnober und Malachitgrün eingefärbt. Dabei ist gelegentlich nicht mehr zu erkennen, welche Farbe zuunterst aufgetragen wurde. Diese Farbreste wirken auch heute noch mit dem Gelb des Elfenbeins zusammen und erinnern an Buchmalereien, bei denen grüne und rote Tinte mit dem Pergament eine ähnliche Wirkung erzielt.[4][5]

Erst 1989 wurde für das Cloisters Cross eine Radiokarbondatierung durchgeführt. Dabei wurden unabhängig voneinander zwei Proben aus dem Inneren des Querbalkens untersucht. Beide Untersuchungen wiesen auf den Tod des Walrosses am Ende des 7. Jahrhunderts hin. Die ermittelten Zeiträume waren 640 bis 878 und 608 bis 883, mit den wahrscheinlichsten Jahren 694 und 676. Die Erkenntnisse weisen keineswegs auf eine Entstehung des Cloisters Cross im 7. Jahrhundert hin. Eine mögliche Erklärung ist die geringe Verfügbarkeit des Rohstoffs, der zur Verwendung seit Jahrhunderten als Schatz gehüteten Elfenbeins zwang. Zudem trug das hohe Alter des ohnehin schon kostbaren Materials zu seinem materiellen und spirituellen Wert weiter bei.[6]

Altarkreuze wurden erst im frühen 11. Jahrhundert fester Bestandteil des christlichen liturgischen Geräts. Eine bedeutende Darstellung ist im Liber vitae von New Minster aus der Zeit um 1020 enthalten: König Knut der Große und seine Gemahlin Emma von der Normandie stiften ein Altarkreuz.[4]

Grundriss der Kathedrale von Winchester, spätes 11. Jahrhundert
Reichskreuz, frühes 11. Jahrhundert

Das Bernwardskreuz ist das Heiligenattribut Bernward von Hildesheims und ein beliebtes Motiv der westeuropäischen Goldschmiedekunst des 11. und 12. Jahrhunderts. Im Vergleich zu anderen Bernwardskreuzen ist das Cloisters Cross von ausgesprochen schlanker Gestalt und erinnert an den langgestreckten Grundriss einer Kirche, wie er in romanischer Zeit in England beliebt war. Robust gearbeitete Gegenbeispiele aus dem 11. Jahrhundert sind das Kreuz mit den großen Senkschmelzen im Essener Domschatz und das Reichskreuz aus den Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Dass die schlanke Form nicht durch das Material erzwungen war wird durch das 52 mal 34 Zentimeter messende Kruzifix von Ferdinand und Sancha in Madrid deutlich. Die romanischen Bernwardskreuze tragen im Schnittpunkt der Balken häufig Würfel, in die Kreise einbeschrieben sein können. Beim Cloisters Cross sind die Kreise auf der Vorder- und Rückseite sehr prominent dargestellt und erinnern damit an die monumentalen Keltenkreuze Irlands und Großbritanniens, können aber auch als Nimbus um den Kopf des verschollenen Korpus oder der Darstellungen des Mose und des Agnus Dei aufgefasst werden.[2][4]

Das Cloisters Cross ist insgesamt hervorragend erhalten, mit nur wenigen Abnutzungsspuren. Am unteren Ende des Längsbalkens befindet sich eine Bruchstelle mit Verlust mehrerer Teile der bildlichen Darstellungen und der Schrift. Der Schaden könnte durch das Abreißen eines Fußes aus wertvollem Metall entstanden sein, möglicherweise eines Reliquiars. Im Einzelnen fehlen an der Vorderseite auf dem Bild mit Adam und Eva der linke Unterschenkel Adams und der größte Teil des von ihm gehaltenen Schriftbands, davon ist nur noch der erste Buchstabe A vorhanden. An der Figur Evas fehlt das linke Bein bis zur Mitte des Oberschenkels. Das letzte Wort der Inschrift links am Fuß des Astkreuzes ist unvollständig: STV(LTO). Auf der Rückseite ist vom Prophetenbild Jonas nur der Balken mit der Überschrift erhalten. An der Stelle des fehlenden Porträts befindet sich eine zu entfernende Füllung ohne Bild- oder Textdarstellungen. Die linke und hintere Fläche des Hohlraums ist glatt, was darauf hindeutet, dass das Jonas-Bildnis nicht direkt zum Längsbalken aufgebracht war. Es könnte sich auf einem quaderförmigen Element befunden haben, das von unten in den Hohlraum eingefügt wurde. Der ursprünglich mit Sicherheit am unteren Ende des Längsbalkens vorhandene und mit Schnitzereien verzierte Matthäusquader fehlt. Möglicherweise wies er eine Erweiterung auf, den vorgenannten Quader, der als Zapfen die Verbindung mit dem Längsbalken bewirkte. Die Schadstelle am Fuß des Längsbalkens weist Spuren wiederholter Reparaturen auf. Abgesehen von der großen Beschädigung an der Basis des Kreuzes gibt es mehrere Fehlstellen an besonders empfindlichen Teilen. So sind mehrerer vorragende Teile von Schriftrollen, das linke Bein des Adlers auf dem Johannesquader, das linke Hinterbein des Lamms im rückseitigen Mittelkreis und der untere Rand dieses Medaillons verloren. Eine Reihe kleinerer Beschädigungen wurde repariert, diese Restaurierungen zeichnen sich durch Stellen wie fehlende Buchstaben auf den Schriftbändern aus.[2][5]

Bildprogramm und Inschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Albani-Psalter, zweites Viertel 12. Jahrhundert, fol. 47, Kreuzabnahme mit einem Astkreuz

Das Cloisters Cross war mit seiner Größe und Gestaltung wahrscheinlich als Altarkreuz vorgesehen, und seine Inschriften und Bilder richteten sich an Christen. Die Bestimung zum liturgischen Gerät und die kleinfigurigen Schnitzereien schließen aus, dass sich die Bilder und Texte an die Gläubigen der Gemeinde richteten. Ihre Wahrnehmung war auf den örtlichen Klerus und deren persönliches Umfeld beschränkt.[7]

Auf der Vorderseite ist auf die Balken des Kreuzes ein Astkreuz aufgelegt, dessen Stamm und Zweige bis an die quadratischen Plaketten heranreichen. Stamm und Äste tragen beidseitig gestutzte Triebe und auf den Schauseiten fast durchgehend aneinandergereihte Punkte. Das Astkreuz soll möglicherweise den Baum des Lebens in Gestalt einer Dattelpalme als Lebens- und Auferstehungssymbol darstellen. Die überwiegend grün gefärbten Punkte weisen darauf hin, während die im unteren Bereich des Stammes und an den Enden der Äste vereinzelt rot gefärbten Punkte das Blut Christi symbolisieren, das dem Baum neues Leben spendet und den Menschen das Tor zum Paradies wieder öffnet. Darstelleungen, die den alttestamentarischen Baum des Lebens mit dem Kreuz und der Auferstehung Christi in Verbindung bringen, gab es in der mittelalterlichen Kunst immer wieder. Eine gemeinsame Darstellung eines lateinischen Kreuzes mit glatten Balken und eines Astkreuzes findet sich auch im englischen Albani-Psalter aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts, der sich heute in der Dombibliothek Hildesheim befindet. Dort zeigt fol. 46 die Kreuztragung Christi mit einem glatten Kreuz, während die auf fol. 47 folgende Kreuzabnahme mit einem Astkreuz dargestellt wird.[8]

Innerhalb des reichhaltigen Programms mit mehr als neunzig Figuren wird zwischen Juden, kenntlich durch ihre Judenhüte und die meist indifferent ausgearbeiteten Antlitze, und barhäuptigen oder mit Kappen ausgestatteten „christlichen“ Propheten und Protagonisten mit sorgfältig ausgearbeiteten Gesichtern unterschieden. Insgesamt werden die im Mittelpunkt stehenden Personen plastisch und detailliert dargestellt, während die Nebenfiguren reliefartig und einförmig erscheinen.[9] Die fast einhundert Inschriften des Cloisters Cross stellen eine komplexe Sammlung von Bibelzitaten und anderen Texten dar, die sich nach dem Ort ihrer Anbringung und nach ihrer Funktion gliedern lassen. Die Spruchbänder, insbesondere die der miteinander interagierenden Figuren, sind regelmäßig als direkte Rede aufzufassen. Rückseitig sind die Schriftbänder aller abgebildeten Propheten auf den Balken herausragend. In ihrer Gesamtheit bezeugen Bildprogramm und Inschriften die Präfiguration des Neuen Bundes durch den Alten Bund. Fast alle Bild- und Textelemente transportieren eine Botschaft. Die Rosette unter der Gotteshand, das Rosettenfragment über dem Spruchband des auf dem vorderen Mittelkreis liegenden Propheten, sowie die beiden kleinen Kapitelle unter dem rückseitigen Mittelkreis sind die einzigen Ornamente.[10][11]

Quinität von Winchester, Cotton Ms. Titus D XXVII, fol. 75v, um 1012 bis 1020

Um die Vierungen, die von den sich kreuzenden Balken gebildet werden, sind schmale Ringe gezogen, auf denen sich wie auf dem Astkreuz eine Aneinanderreihung grün gefasster Punkte befindet. Nur auf dem rückseitigen Ring werden die Punkte stellenweise durch Inschriften ersetzt. Diese Kreise sind die äußeren Formen der bildlichen Darstellungen auf den Mittelkreisen, sie werden aber vielfach durchbrochen. Die Mittelkreise beider Seiten tragen fünf zweizeilig beschriftete Bänder. Die Höhe der geschnitzten Figuren auf den Mittelkreisen und den Quadern liegt zwischen 2,7 und 4,5 Zentimeter.[2]

Auch die Mittelkreise des Cloisters Cross verweisen auf die christliche Kunst des mittelalterlichen England. Dort waren Medaillons mit mehrfigurigen Darstellungen über einen längeren Zeitraum beliebt. Ein frühes Beispiel mit frappierender Ähnlichkeit zu den Mittelkreisen des Kreuzes ist die wahrscheinlich einzigartige Quinität von Winchester, eine Miniatur aus dem Manuskript Cotton Ms. Titus D XXVII (fol. 75v), die in der Zeit von 1012 bis 1020 entstanden ist. Die sehr seltene um Maria vermehrte Darstellung der Trinität, hier die beiden fast identischen Männer als Gott Vater und Gott Sohn sowie die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, wird als Quaternität bezeichnet. Ein zusätzlich das Jesuskind zeigendes Bild ist die Quinität. Der Kreis um die Figuren, der mit seiner Punktreihe wie die Mittelkreise des Kreuzes wirkt, soll den Himmel verkörpern. Er wird nur an einer Stelle durch Luzifer unterbrochen, auf dessen Rücken die Füße Jesu ruhen. Die mehrfach durchbrochenen Mittelkreise des Cloisters Cross wirken im Vergleich wie Fortentwicklungen.[11][12]

Kreuzbalken, Vorderseite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Astkreuz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das auf den Vorderseiten der Kreuzbalken aufliegende Astkreuz ist in zweierlei Hinsicht zu betrachten. Zunächst ist es als Kreuz eine Ausprägung des Leidenswerkzeugs Christi. Es reicht vom unteren Würfel, unterbrochen vom Mittelkreis, bis an den Kreuztitulus und seitlich auf den Querbalken vom Mittelkreis bis zu den Quadern. An den Enden wirkt das Kreuz wie roh mit der Axt behauen. An der Basis des Stammes umklammern die sitzenden Figuren Adam und Evas das Astkreuz und versuchen, sich an ihm zu Christus aufzurichten. Die Wiedergabe beruht auf einer mittelalterlichen Legende ohne biblische Quelle, der zufolge Adam am späteren Standort des Kreuzes Christi auf Golgota begraben worden ist.[13] So verbindet das Astkreuz als Baum des Lebens das Alte Testament und die Genesis am unteren Ende des Kreuzes mit der Heilsgeschichte und der Himmelfahrt Christi am oberen Ende. Im Übrigen sind die figürlichen Darstellungen der Vorderseite auf die drei Quader an den Balkenenden, den Mittelkreis und zwei Figuren oberhalb des Astkreuzes beschränkt. Sie zeigen Szenen der Passion und der Himmelfahrt Jesu Christi. Über dem Mittelkreis, am oberen Ende des Astkreuzes, ist die nach links weisende Gotteshand über einer Rosette und vor einem sechszeiligen Titulus dargestellt.[2]

Beiderseits des Astkreuzes und auf den Seitenflächen des Längsbalkens sind von oben nach unten laufende Inschriften aufgebracht, die mit Resten grüner Farbe ausgefüllt sind. Die Inschriften auf der Vorderseite des Längsbalkens, links und rechts des Astkreuzes, werden durch den Mittelkreis unterbrochen. Sie sind jedoch fortlaufend nach unten zu lesen, an der Gotteshand beginnend: rechts TERR(Mittelkreis)A TREMIT MORS VICTA GEMIT SVRGENTE SEPVLTO und links VITA (Mittelkreis) CLVIT SYNAGOGA RVIT MOLIMINE STV(lto) (Die Erde erbebt und der besiegte Tod stöhnt auf, als Er, der begraben war, aufersteht. Das Leben triumphiert, die Synagoge bricht zusammen durch ihre törichte Anstrengung). Diese Inschrift knüpft an Psalm 75, 4 (Ps 75,4-11 EU) an, mehr noch aber an (Mt 27,50-54 EU). Sie findet eine Parallele ohne Bezug zum Judentum am Großen Kreuz des Suger in der Kathedrale von Saint-Denis, dessen Inschrift ebenfalls mit Terra tremit beginnt.[14][15]

Kreuzigungsgruppe, Evangeliar der Judith von Flandern, um 1065, wahrscheinlich Canterbury, MS M.709, fol. 1v

Das um 1065 wahrscheinlich in Canterbury entstandene Evangeliar MS M.709 der Judith von Flandern, heute in der Morgan Library & Museum, enthält auf fol. 1v eine Kreuzigungsgruppe mit Darstellungen, die auch auf dem Cloisters Cross auftauchen: das grob behauene Astkreuz, der Christus mit geneigtem Kopf und ausschwingender Hüfte, sowie über der Szene die Gotteshand am Längsbalken und ganz oben die weinenden Sol und Luna mit bedeckten Gesichtern. Die das Kreuz umklammernde Gestalt am Boden wurde verschiedentlich als Judith von Flandern identifiziert.[16]

Kajaphas und Pilatus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über dem Titulus und unmittelbar unter dem Johannesquader befinden sich zwei Figuren im Disput, kenntlich durch den Redegestus der ausgestreckten Zeigefinger. Hinter der linken Figur ist eine weitere angedeutet. Sie halten jeweils ein langes Schriftband in der Hand und sind durch ihre Kopfbedeckungen identifizierbar. Die beiden linken Figuren tragen Judenhüte und die rechte einen römischen Helm. Auf dem Schriftband der linken Figur, des Juden, lautet die Inschrift NOLI SCRIBERE REX IVDEORVM Sed QVIA DIXIT REX SVM IVDeorum. Rechts steht der Römer mit der Inschrift QVOD SCRIPSI SCRIPSI auf seinem Schriftband. Beide Inschriften sind dem Johannes-Evangelium entnommen, bei den Figuren handelt es sich um Kajaphas und einen weiteren Hohepriester, die die Änderung des Kreuzestitels verlangen. Rechts steht Pontius Pilatus, der das Ansinnen zurückweist: „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben“ (Joh 19,19-22 EU).[10][7]

Titulus des Cloisters Cross mit Transkription
Titulus crucis in der Basilika Santa Croce in Gerusalemme in Rom, ca. 11. Jahrhundert
Oberaltaicher Schmerzensmann, Meister des Oberaltaicher Schmerzensmanns, 1510-1520

Titulus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oberhalb des Astkreuzes ist über einer Rosette die nach links weisende Gotteshand vor einem ehemals rechteckigen und nach vorne geneigten Plättchen mit sechszeiligem Titulus angebracht. Es fällt auf, dass die Gotteshand hier nicht auf den jetzt fehlenden Korpus, sondern auf den links angebrachten Markusquader mit dem auferstehenden Christus weist.[17] Die Tafel ist an den oberen Ecken links leicht konkav und rechts unregelmäßig geformt. Offenbar ist an einer Seite ein Stück abgebrochen, und um die Symmetrie zu erhalten wurde auch die Gegenseite abgeschliffen. Die dabei verlorenen Buchstaben können aber aus dem verbliebenen Text rekonstruiert werden. Die Inschrift besteht aus griechischen, lateinischen und schlecht nachgeahmten hebräischen oder pseudohebräischen Buchstaben, ist aber durchgehend in lateinischer Sprache gehalten. Dabei wurden die griechischen Buchstaben nach ihrem Lautwert verwendet. Für die pseudohebräischen Schriftzeichen wurden wenige frei erfundene, meist aber gedrehte, gespiegelte oder verzerrte lateinische oder griechische Buchstaben entsprechend ihrem Lautwert verwendet. Dabei laufen die Buchstaben von rechts nach links, und von der letzten auf die vorletzte Zeile. Dem Schreiber fehlte am Ende der Platz für den Text und er konnte die ersten Buchstaben JESUS NA nicht mehr auf der Tafel unterbringen.[18]

Es ergibt sich nach Bernhard Bischoff folgender Text, mit den ergänzten Teilen kleingeschrieben in Klammern:

(jes)US.NAZARENUS:(ba)
(si)LEOS---S:EXOM(????)
(??)LISSON---IHS:NA(z)
ARENUS REX---(co)NFESSOR(um)
MUROE---DUJ X
ER SUN---ERAZ(an susej)

Vertauschungen der Buchstaben verschiedener Sprachen gibt es in der christlichen Kunst nur selten. Sie sind von zwei irischen Manuskripten aus dem 9. Jahrhundert bekannt, bei denen das Vaterunser in lateinischer Sprache mit griechischen Buchstaben und in griechischer Sprache mit lateinischen Buchstaben wiedergegeben wird. Während der pseudohebräische Text des Cloisters Cross mit dem REX JUDEORUM einen geläufigen Kreuzestitel nennt, sind die griechichen und lateinischen Texte mit der Bezeichnung IHS NAZARENUS REX CONFESSORUM ungewöhnlich. Sie gehen auf Versuche irischer Theologen im 9. Jahrhundert oder früher zurück, aus den Schriften des Kirchenlehrers Hieronymus den historischen Kreuztitel Jesu zu rekonstruieren.[18] Thomas Hoving sah die Abkehr von der Tradition als isoliertes Phänomen, das vor dem Hintergrund der christlichen Judenfeindlichkeit im mittelalterlichen England zu sehen ist. Christus als König der Juden zu bezeichnen war möglicherweise in dem Kloster und zum Zeitpunkt der Herstellung des Kreuzes nicht akzeptabel, während er als der "König der Bekenner" ein Mann des Glaubens war.[19]

Die Kombination griechischer, lateinischer und pseudohebräischer Buchstaben ist sehr selten. Sie findet sich auch im Psalter Clm 13067 (Rat. civ. 67) der Bayerischen Staatsbibliothek. Der Psalter wurde um 1035 in der Benediktinerabtei von Waulsort angefertigt und gelangte später in die Stiftskirche St. Johann in Regensburg. Auf dem Kreuzestitulus der Kreuzabnahme (fol. 17v) ist der Titel IHS NAZARENUS REX IVDEORVM zunächst in griechischen und darunter in lateinischen Buchstaben wiedergegeben. Die Sprachen sind links neben dem Titel durch Buchstaben gekennzeichnet, g für graece, l für latine und unten b für barbarice. Die unterste Inschrift besteht aus einer angelsächsischen Runenschrift aus dem 9. bis 11. Jahrhundert. Der Maler verstand offenbar die Runen nicht und setzte lateinische Buchstaben daneben. So erschließt sich der Sinn der Runen, die ebenfalls IHS NAZARENUS REX IVDEORVM bedeuten sollen und von ihrem Verfasser als Darstellung hebräischer Schrift gedacht waren. Auch dieser Kreuztitel weist auf die britischen Inseln, da die Benediktinerabtei in Waulsort von schottischen Mönchen gegründet und unterhalten wurde. Als Maler kommt ein Schüler des Erembert in Frage. Erembert war der beste Buchmaler der Klosters und starb 1033 als dessen Abt, der Psalter ist ihm gewidmet.[18][20]

Die Tituli des Cloisters Cross und der Kreuzabnahme im Psalter Clm 13067 weisen übereinstimmend nach Irland oder Großbritannien. Die Erfindung eines Pseudohebräisch durch einen des Hebräischen nicht mächtigen Schreiber ist eine deutliche Parallele. Eine frappierende Übereinstimmung ist auch die unübliche Reihenfolge der Inschriften, griechisch, lateinisch und „hebräisch“. Im Evangelium nach Johannes wird als Reihenfolge des Titulus crucis hebräisch, griechisch und lateinisch genannt. Dem folgt auch der als Reliquie verehrte Titulus in der Basilika Santa Croce in Gerusalemme in Rom. Er stammt nach neueren Untersuchungen aus der Zeit zwischen dem späten 10. und dem frühen 12. Jahrhundert, die nur teilweise erhaltene erste Zeile ist in aramäischer Schrift geschrieben.[10][21] Die Gemeinsamkeiten des Cloisters Cross und des Psalter 13067 deuten auf eine örtlich und zeitlich übereinstimmende Herstellung hin. Es ist aber denkbar, dass der Maler der Miniatur aus einer Vorlage schöpfte, zumal das Elfenbeinkreuz bezüglich der Qualität seiner Inschriften deutlich besser ausgearbeitet ist. Die Spiegelung von Buchstaben und andere Verfremdungen finden sich noch vereinzelt in späterer Zeit, so auf dem Kreuztitulus des Oberaltaicher Schmerzensmanns aus dem frühen 16. Jahrhundert.[18]

Mittelkreis der Vorderseite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelkreis der Vorderseite, Mose mit der ehernen Schlange

Der vordere Mittelkreis zeigt Mose mit der ehernen Schlange und vielen weiteren Figuren. Der Kreis wird links und rechts außen von ungeflügelten Engeln gehalten, die von oben und unten herankommen und sich an das Kreisrund schmiegen. Auf dem Kreis, aber im Verband mit dem Oberteil geschnitzt, liegt mit dem Kopf nach links ein Prophet auf dem Bauch. Über seinen Rücken ist ein Schriftband nach hinten geschwungen, auf dem QVARE FVTVRUS ES VELVT VIR VAGVS ET ForTIS QVI NON POTEST SALVARE steht. Der Text entstammt dem alttestamentarischen Buch Jeremia: Warum bist du wie ein ratloser Mann, wie ein Held, der nicht zu retten vermag? Über dem Ende des Schriftbands befindet sich der Teil einer Rosette, ähnlich derjenigen unter der Gotteshand. Im Zentrum des Kreises schreitet der übergroß geschnitzte Mose energisch nach rechts. Möglicherweise wird er sich im nächsten Augenblick der halblinks vor ihm auf einem Gabelkreuz hängenden ehernen Schlange zuwenden. In seinen Händen hält Mose ein schräg nach rechts aufragendes Schriftband. Darauf steht SIC ERIT VITA TVA PENDENS ANTE TE ET NON CREDES VITAE TVAE, ein Zitat aus dem Abschluss der Verkündigung des Gesetzes durch Mose (Dtn 28,66 EU). Rechts unter Moses Armen und dem Schriftband sind jeweils zwei Köpfe von Juden zu sehen, die ihn um Heilung von den Schlangenbissen anflehen (Num 21,6 EU). Rücken an Rücken mit Mose, aber mit ganz nach hinten gewendetem Kopf, steht ein Prophet mit dem Schriftband SICVT MOYSES EXALTAVIT SERPENTEM IN DESERTO ITA Exaltari Opportet Filium Hominis. Das ist zum Einen ein Vers aus dem Johannesevangelium, der sich auf das Buch Numeri bezieht (Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden Joh 3,14 EU, Num 21,8-9 EU). Der Korpus wird mit dem Kopf knapp unterhalb des dadurch als ein Heiligenschein fungierenden Mittelkreises angebracht worden sein. Links und rechts neben Mose schauen zwei Propheten nach unten auf Christus. Sie tragen Schriftbänder, der linke Prophet omNES PROPHETAE TEstimoniuM PERHIBENT (Num 21,6 EU, Apg 10,43 EU), der rechte QVARE RVBRVM EST INDVMENTVM TVVM ET VESTIMENTA TVA SICVT Calcantium in Torculari (Jes 63,2 EU).[11]

Korpus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gerokreuz im Kölner Dom, spätes 10. Jahrhundert
Gerokreuz im Kölner Dom, spätes 10. Jahrhundert
Holzkreuz der ehemaligen Sammlung Fuld, frühes 11.Jahrhundert
Holzkreuz der ehemaligen Sammlung Fuld, frühes 11.Jahrhundert

1963 trug das Cloisters Cross einen 17 Zentimeter hohen Korpus aus Bronze, der sich in Stil und Herkunft von den Schnitzereien unterschied und nicht zu dem Kreuz gehören konnte.[2] Das Kreuz weist auf Quer- und Längsbalken Nagellöcher auf, die Rückschlüsse auf die Maße des fehlenden Korpus ermöglichen. Einen weiteren Hinweis liefert der Stamm des Astkreuzes. Auf ihm fehlen in dem Bereich, der von dem Korpus verdeckt war, die Punkte. Er war etwa 20,5 Zentimeter hoch, mit einer Breite von etwa 17,5 Zentimeter. Der ursprüngliche Korpus muss nach oben gezogene Arme und einen tief gesenkten Kopf aufgewiesen haben, da ansonsten der Mittelkreis teilweise verdeckt worden wäre. Teile der seitlich des Astkreuzes aufgebrachten Inschriften sind auf jeden Fall verdeckt gewesen.[22] Bereits aus ottonischer Zeit gibt es Kruzifixe, deren Korpus durch die Haltung den Blick auf ein Medaillon hinter dem Christuskopf zumindest bei leicht seitlicher Betrachtung freigibt. Beispiele sind das Kruzifix der Sammlung Fuld, heute im Museum of Fine Arts in Boston, und das Gerokreuz im Kölner Dom.[23]

Das Kunstindustrimuseet in Oslo besitzt das 19,7 Zentimeter hohe Fragment eines Korpus aus Elfenbein, der vorübergehend dem Cloister Cross zugeordnet wurde. Dem Korpus fehlen beide Arme, das linke Bein fehlt fast ganz und das rechte unterhalb des Knies.[24] Er wurde 1974 während einer Ausstellung im Londoner Victoria and Albert Museum an dem Cloisters Cross angebracht.[25]

Seitenflächen des Längsbalkens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Seitenflächen tragen einen auf beide Seiten verteilten und durch den Querbalken geteilten Zweizeiler. Jeweils direkt unter dem oberen Quader beginnend und von oben nach unten laufend auf der linken Seite CHAM RIDET DVM NVDA VIDET PVDIBVNDA PARENTIS und rechts IVDEI RISERE DEI PENAM MORIENTIS. Der erste Teil, Cham lachte, als er die beschämende Nacktheit seines Vaters sah, ist angelehnt an Genesis 9,22: Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und erzählte davon draußen seinen beiden Brüdern (Gen 9,22 EU). Der zweite Teil, Die Juden spotteten über den Schmerz des sterbenden Gottes, ist eine Schöpfung ohne konkreten Bezug zur Bibel.[18]

1969 lieferte Sabrina Longland im Metropolitan Museum Journal eine umfangreiche Analyse der Zweizeiler durch. In den nachfolgenden Jahren setzte sie ihre Analysen in weiteren Veröffentlichungen fort.[26] Die Zeilen tauchen wiederholt in mittelalterlichen Texten auf und lassen sich auf einen Schreiber zurückführen, der aber eine Vorlage benutzt hat. Der um 1181 entstandene und mit dem Kloster untergegangene steinerne und bemalte Lettner in der Benediktinerabtei St. Edmund in Bury St Edmunds wies einen sehr ähnlichen Text auf. In einem Manuskript, das nach der Auflösung des Klosters in das College of Arms in London gelangte (Arundel Ms. XXX, fol. 212r) wurden Inschriften zahlreicher englischer Kirchen dokumentiert. Dazu gehörten auch mehr als 90 auf die Genesis bezogene Leoninische Hexameter von der Bemalung des Lettners. Der siebzehnte lautet Cham dum nuda videt patris genitalia ridet (Cham lacht als er die nackten Genitalien seines Vaters sieht).[27][28]

Metrik und Reimschema der Zweizeiler auf den Seitenflächen des Längsbalkens und beiderseits des Astkreuzes stimmern überein. Es handelt sich um daktylische Hexameter mit zweisilbigen Reimen in der Versmitte und am Ende. Eine identische Metrik mit einem abweichenden Reimschema verwendete Bernhard von Cluny um 1140 in seiner satirischen Verssammlung Von der Geringschätzung der Welt.[15]

Kreuzbalken, Rückseite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rückseite des Kreuzbalkens trägt eine Vielzahl von Prophetenfiguren, die lange Schriftbänder mit Hinweisen auf die Passionsgeschichte halten. Die Balken weisen außer den Schriftbändern der Propheten und deren Namen keine Inschriften auf.[29]

Auch das in Wien aufbewahrte Reichskreuz aus dem frühen 11. Jahrhundert zeigt auf den Rückseiten der Balken, einschließlich der Querbalken, Propheten in rechteckigen Fenstern. Dabei handelt es sich aber jeweils um eine Ganzfigur auf einem Thron, ohne Schriftband.[2] Von Bedeutung für die Datierung des Cloisters Cross ist das Fehlen von Judenhüten bei den Propheten, deren häufiges Attribut sie im 12. Jahrhundert wurden. Nur die mit Pilatus streitenden Hohepriester über dem Titulus, die Juden auf dem vorderen Mittelkreis mit Mose und der ehernen Schlange und die Hohepriester auf der Kreuzabnahme des Markusquaders tragen die überhaupt erst in der Kunst des 12. Jahrhunderts aufkommenden Judenhüte.[30]

Bilder der Propheten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es fällt auf, dass unter den ursprünglich neunzehn Propheten auf der Rückseite des Kreuzes Mose nicht abgebildet ist. Als Hauptfigur des vorderen Mittelkreises wird er jedoch gegenüber allen anderen Propheten hervorgehoben dargestellt. Ohne eine mit seinem Namen gekennzeichnete Figur und möglicherweise ganz ohne bildliche Darstellung ist der Prophet Jeremia. Er wird aber in beiden Mittelkreisen zitiert. Auch Sacharja scheint zu fehlen, doch er könnte der Trauernde auf dem Markusquader sein, der ein Spruchband mit einem Zitat aus dem Buch Sacharja hält. Bei den Figuren ist ein hoher Grad der Individualisierung verwirklicht, der durch eine detaillierte Ausarbeitung mit unterschiedlicher Haar- und Barttracht und Kleidungsstücken erreicht wird. Darüber hinaus wenden sie sich in verschiedene Richtungen, mal nach rechts, mal nach links, und dann nach vorne, ohne dabei einem durchgehenden Muster zu folgen. Die Schriftbänder bilden ein dynamisch verbindendes Element, indem sie in der Vertikalen jeweils in das darunterliegende Fenster und auf dem Querbalken fast durchweg zu einer benachbarten Figur reichen. Nicht alle Propheten sind mit Heiligenscheinen ausgestattet, sie fehlen auf dem Oberteil bei David und Salomon, sowie auf dem Querbalken bei Naum, Aggeus und Balaam. Eine Reihenfolge der Propheten nach großen oder kleinen, oder nach ihrem Abfolge in Septuaginta oder Vulgata, ist nicht erkennbar. Die auf ihren Spruchbändern mitgegebenen Bibelverse helfen hier auch nicht. Die meisten werden als alttestamentarische Prophezeiungen der Passionsgeschichte gedeutet, und wenige beziehen sich auf die Auferstehung. Sie folgen aber keiner Gliederung.[29]

Auf dem Längsbalken sind oberhalb des Mittelkreises drei und darunter neun Propheten dargestellt, eine zehnte Figur ganz unten ist zerstört. Diese Propheten schauen als Halbfiguren jeweils aus einem kleinen Fenster mit Rahmen, die auf dem Fenstersturz den Namen des abgebildeten Propheten nennen. Von oben nach unten sind es die folgenden Propheten, die hier verwendete Schreibweise ihrer Namen entspricht der auf dem Kreuz:

Albani-Psalter, zweites Viertel 12. Jahrhundert, Heilige Drei Könige mit Spangenhelmen
  • David - David nimmt, gemeinsam mit Salomon, unter den abgebildeten Propheten eine Sonderstellung ein. Er trägt einen mit Punkten verzierten Spangenhelm, wie er in der karolingischen und ottonischen Buchmalerei als Attribut der Könige und Krieger diente. In England war er eine königliche Insigne und wurde so zum Beispiel im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts als Kopfbedeckung der Heiligen Drei Könige im Albani-Psalter dargestellt. Der Text auf Daniels Schriftband entstammt Psalm 21: FODERVNT MANVS MEAS ET PEDES MEOS DINVMERAVERVNT OMNIA Ossa Mea (Sie haben mir Hände und Füße durchbohrt. Ich kann all meine Knochen zählen, Ps 21,17-18 EU). Der Text ist unschwer als Prophezeiung der Kreuzigung Jesu zu verstehen;
  • Salomon - Auch Salomon trägt den Spangenhelm als Zeichen der Königswürde. Sein Schriftband zitiert eine Stelle aus dem Hohelied Salomos: ASCENDAM IN PALMAM ET APPPREHENDAM FRVCTVS EIVS (Ersteigen will ich die Palme, ich greife nach ihren Rispen, Hld 7,9 EU). Das Zitat könnte mit dem möglicherweise eine Palme darstellenden Astkreuz als Präfiguration der Auferstehung Christi zu sehen sein;
  • Abdias - VIRI FOEDERIS TVI ILLVSERVNT TIBI (Obd 1,7 EU));
  • Osea - ERO MORS TVA O MORS (Hos 13,14 EU);
  • Ysajas - OBLATVS EST QVIA IPSE VOLVIT (Jes 53,7 EU);
  • Micheas - NVMQVID DABO PRIMOGENITVM MEVM PRO SCELERE MEO DICIT DOMINVS (Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen [sagt der Herr], Mi 6,7 EU);
  • Abacuc - VE QVI POTVM DAT AMICO SVO MITTENS FEL (Hab 2,15 EU);
  • Sophonias - EGO INTERFICIAM OMNES QVI AFFLIXERVNT TE IN TEMPORE ILLO (Zef 3,19 EU);
  • Iohel - DE JERVSALEM DABIT VOCEM SVAM ET MOVEBVNTVR CELVM ET TERRA (JoelEU);
  • Daniel - POST EBDOMODAS SEPTVAGINTA DVAS OCCIDETVR CHRISTVS (Dan 9,26 EU);
  • Ezechiel - Auf dem Schriftband ist eine Prophezeiung der Passion Christi wiedergegeben: FILI HOMINIS ECCE DATA SVNT SVPER TE VINCVLA ET LIGABVNT TE (Und du, Menschensohn, siehe, sie werden dir Fesseln anlegen und dich mit ihnen binden, Ez 3,25 EU);
  • Matheus: SICVT FVIT JONAS IN VENTRE ceti Tribus DIEBVS ET TRIBVS NOCTIBVS ITA ERIT FILius. Es handelt sich bei diesem Text um den Anfang eines Bibelverses aus dem Matthäus-Evangelium, der vollständig Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein lautet (Mt 12,40 EU). Obgleich Matthäus nicht zu den Propheten des Alten Testaments gehört, ist das Zitat doch ein Bezug auf Jonas: Der HERR aber schickte einen großen Fisch, dass er Jona verschlinge. Jona war drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches (Jona 2,1 EU).
  • Jonas - Von dieser zehnten Darstellung ist weder das Bild, noch das begleitende Schriftband erhalten. Nur die Namensangabe auf dem Fenstersturz belegt, dass hier Jonas abgebildet war.[29][31]

Auf dem Querbalken sind links und rechts jeweils drei Propheten abgebildet, die ebenfalls Schriftbänder halten. Sie schweben aber ohne Fenster frei im verfügbaren Raum, die Schriftbänder sind auch hier ein verbindendes Element. Ihre Namen sind jeweils über der Figur in den Balken eingeritzt. Die innen abgebildeten Propheten schauen jeweils nach außen, während die beiden äußeren Paare nach innen zum Mittelkreis schauen. Von links nach rechts:

Grimbald-Evangeliar, frühes 11. Jahrhundert, Schule von Winchester, British Library Ms. 34890

Die sechs Propheten auf dem Querbalken, von links nach rechts:

  • Naum - AFFLIXI TE ET NOn affligaM TE uLTRA DIcit dominus (Nah 1,12 EU);
  • Aggeus - PONAM TE SICVT SIGNACVLVM (HagEU);
  • Balaam - Das Schriftband dieses Propheten trägt die Inschrift CONSVRGET HERO DE ISRAEL ET ERIT SEPVLCRVM EIVS GLORIOSVM. Das ist eine Synthese zweier Bibelstellen: ein Zepter erhebt sich in Israel aus dem 4. Buch Mose (Num 24,17 EU), und und seine Ruhe wird herrlich sein aus dem Buch Jesaia (Jes 11,10 EU);
  • Malachias - SI AFFLIGET HOMO deum quia VOS CONFIGitis me (Mal 3,8 EU);
  • Amos - VENDIDERVNT ARGENTO IVSTVM (Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen, Amos 2,6 EU)
  • Iob - Iob ist in einer Weise dargestellt, die ihn von allen anderen Propheten unterscheidet. Auf seinem Kopf und seinen Schultern liegt ein Tuch, seine Brust ist entblößt. Ijob wird in der christlichen Kunst häufig mit entblößtem Oberkörper oder nur mit einem Lendenschurz bekleidet dargestellt, um seine Wunden hervorzuheben. Der Text des Spruchbands lautet SCIO QVOD REDEMPTOR MEVS VIVIT ET IN CARne MEA VIDEBO DEVM SALVATOREM MEVM, eine Passage aus Ijob, Kapitel 19 (Mein Erlöser lebt, als Letzter erhebt er sich über dem Staub. Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen Hiob 19,25-26 EU). Der Text und die dem Christus auf den Vorderseiten von Lukas- und Markusquader ähnelnde Ausführung lassen Ijob als eine Präfiguration Christi erscheinen.[29][31]

Wie fast alle Elemente des Cloisters Cross weist auch die Reihe der Propheten auf England als Ursprungsort hin. Die Prophetenporträts der Rückseite des Cloisters Cross entsprechen überwiegend dem Typus des langbärtigen, asketischen Mönches orientalischer Herkunft, wie er in den englischen Bibeln des 11. und 12. Jahrhunderts zunehmend häufig vorkommt. Die auf dem Querbalken schwebenden Propheten mit Spruchband erinnern an Figuren der englischen Buchmalerei, wo sie ebenfalls im 11. und 12. Jahrhundert sehr beliebt waren. Große Reihen von Propheten sind in der mittelalterlichen christlichen Kunst selten. Das im frühen 11. Jahrhundert entstandene Grimbald-Evangeliar aus der Schule von Winchester Ms. 34890 zeigt auf einer Miniatur den Evangelisten Johannes mit der Trinität, anbetende Älteste, Heilige und Engel. Zwischen den Medaillons mit den Heiligen und Engeln sind an den Seiten jeweils zwei Paare aus Fenstern heraus nach oben zur Trinität blickende Propheten abgebildet, die die Fensterrahmen ein wenig überdecken oder sie zumindest berühren.[29]

Mittelkreis der Rückseite[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittelkreis der Rückseite, Agnus Dei mit Synagoga und Ecclesia
Pachomius empfängt von einem Engel die Ostertafeln

Beim Mittelkreis der Rückseite dienen wie auf der Vorderseite links und rechts von oben und unten herankommende ungeflügelte Engel als Halter. Die Figuren des Kreises sind teilweise nur im Zusammenhang mit ihren insgesamt fünf Schriftbändern zu deuten. Im Zentrum des Mittelkreises befindet sich das nach links stehende und von mehreren Figuren umgebene Agnus Dei. Auf der Brust trägt es eine rot aufgemalte Wunde, die ihm von der links abgewandt stehenden Figur, der Synagoga, mit einer Lanze beigebracht wurde. Das Lamm wendet sich nach hinten einem geflügelten Engel als Symbol der erlösenden Ecclesia zu.[32]

Links steht abgewandt, mit verbundenen Augen und gesenktem Haupt, die Synagoga. Sie hält in ihrer Rechten die Lanze, mit der sie soeben das verletzt hat, ein Blutstrahl spritzt ihr entgegen. Das in ihrer linken Hand gehaltene Spruchband reicht bis zum Kreis herab und ist rechts erheblich beschädigt. Lesbar ist MALEDICTVS OMNIS QVI, das mit PENDIT IN LIGNO zu ergänzen ist. Der Text entspricht einer Passage aus dem Brief des Paulus an die Galater (Verflucht ist jeder, der am Holz hängt, Gal 3,13 EU), die wiederum auf das Deuteronomium zurückgreift (denn ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter, Dtn 21,23 EU). Im Kontext ist die Darstellung eine Verspottung Jesu durch die Synagoga, durch die Juden.[32] Die Synagoga ist nur selten ein Motiv von Kunstwerken des 11. Jahrhunderts, sie erscheint häufiger im 12. Jahrhundert. Dabei sind Darstellungen, in denen sie das Lamm Gottes durchbohrt, außerordentlich selten.[33]

Links oben, nahe dem Namenszug IONES auf dem Mittelkreis, ist Johannes dargestellt. Seine trauernde Haltung entspricht jener des Johannes in der Kreuzabnahme auf dem Markuswürfel. Dabei wird der Apostel Johannes der mittelalterlichen Auffassung folgend mit dem gleichnamigen Evangelisten und dem Verfasser der Offenbarung zu einer Person vereinigt. Der Kreis selbst weist im oberen Bereich eine Beschriftung auf, die auch als Schriftband des über dem Lamm schwebenden Ältesten verstanden werden kann: IO(han)NES ET ego fLEBAM MVLTVM (Da weinte ich sehr, weil niemand für würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hineinzusehen) ist eine Stelle aus der Offenbarung des Johannes (Offb 5,4 EU). Dieser schwebende Älteste spricht zu dem am rechten Rand des Kreises stehenden geflügelten Engel als Symbol der Ecclesia. Der Text von dessen Schriftband, das nach links oben heraufreicht und die Inschrift auf dem Kreises unterbricht, fügt sich an den Text des trauernden Johannes an: (V)IDE NE FLEVERIS (Offb 5,5 EU) und DIGNES EST AGNVS EST ACCIPERE VIRTVTEM ET DIVINITATEM (Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit …, Offb 5,12 EU). Das Bibelzitat ist als Antwort der durch den Engel verkörperten Ecclesia an die den Gekreuzigten verfluchende Synagoga zu verstehen. Bemerkenswert an dieser Darstellung ist ihre große Ähnlichkeit mit einer Buchillustration aus dem Arundel-Psalter (fol. 9v), enstanden in Canterbury zwischen 1012 und 1023. Die Illustration oder zumindest eine Nachahmung in einem Musterbuch dürften dem Schnitzer des Cloisters Cross bekannt gewesen sein.[32]

Der Prophet unter dem Lamm hält ein Schriftband mit der dreizeiligen Aufschrift aus dem ersten Bekenntnis des Jeremia: eGO QVASI AGNVS maNSVETVS QVI PORTATVR AD VICTIMAM (Ich aber war wie ein zutrauliches Lamm, das zum Schlachten geführt wird, Jer 11,19 EU). Dort ist der Text des auf dem Kreis liegenden Propheten anzufügen, der aus demselben Bibelvers stammt: eradAMVS EVM DE TERRA VIVENTIVM (wir wollen ihn ausrotten aus dem Land der Lebenden, Jer 11,19 EU), eine erneute Präfiguration der Passion. Beide Figuren stellen den Propheten Jeremia dar, oben ohne und unten mit Heiligenschein.[32]

Der Mittelkreis der Rückseite weist eine Besonderheit der Schnitzerei auf. Am oberen Rand ist ein schmaler querrechteckiger Streifen Elfenbein eingepasst. Er zeigt den Kopf des Johannes, die obere Hälfte des von dem Engel gehaltenen Schriftbandes, den Körper des liegenden Ältesten und Anteile der oberen Engel. Die von Thomas Hoving zunächst geäußerte Vermutung, es handele sich um eine Reparatur aus späterer Zeit, ist mittlerweile widerlegt. Die Schnitzerei der Figuren und der Schrift weicht nicht von den übrigen Teilen des Kreuzes ab. Es wird vermutet, dass das verfügbare Elfenbein nicht hinreichend lang war, oder dass in dem bearbeiteten Stück des Materials ein Fehler war.[5]

Quader an den Balkenenden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf den Vorderseiten der drei Quader dominieren die Figuren, doch auch hier sind ein oder zwei Schriftbänder beigegeben. Auf den Quadern sind rückseitig die geflügelten Evangelistensymbole für Markus (Löwe), Johannes (Adler) und Lukas (Stier) abgebildet. Vermutlich war auf dem unteren Quader Matthäus mit dem Symbol des Menschen dargestellt. Die Quader tragen kurze Namensnennungen zur Identifizierung der symbolisierten Heiligen. Eine identische Anordnung der Evangelistensymbole, mit dem Agnus Dei im Zentrum, weist die Rückseite des Reichskreuzes auf, bei dem der Matthäus am unteren Balkenende erhalten ist. Dies ist die über Jahrhunderte häufigste Anordnung in der christlichen Kunst. Eine Übereinstimmung der Evangelistensymbole mit den ihnen in der christlichen Kunst üblicherweise zugeordneten Szenen aus dem Leben Christi ist nur teilweise erkennbar. Während der Adler auf dem Johanneswürfel wie üblich mit der Himmelfahrt Christi verbunden ist, zeigt der Markusquder mit dem Löwen vorne statt der Auferstehung die Kreuzabnahme. Der Stier des Lukas ist mit den Szenen der Auferstehung und des Besuchs der drei Frauen am Grab verbunden.[34]

Markusquader (rechts)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Markusquader, Vorderseite
Markusquader, Vorderseite
Markusquader, Rückseite
Markusquader, Rückseite

Der Markusquader trägt auf der Vorderseite eine zusammengefasste Darstellung von Kreuzabnahme und Beweinung Christi. Solche Verschmelzungen sind in der mittelalterlichen christlichen Kunst nicht selten. Im Zentrum der Darstellung steht der feingliedrige und fast vollplastisch geschnitzte bärtige Jesus Christus, der gegenüber den übrigen etwa 20 Figuren deutlich größer ist und einen Heiligenschein trägt. Er hat den Kopf unnatürlich stark nach rechts geneigt. Dadurch signalisiert der Künstler, dass es sich um den bereits verstorbenen Christus handelt. Seine Hüfte ist nach rechts ausgeschwungen und der Lendenschurz ist leicht geöffnet und gibt das linke Bein frei. Die Rechte ist bereits vom etwa 3,5 Zentimeter hohen Kreuz gelöst und nach unten zu Maria gebogen. Einen Kontrast bildet der unnatürlich nach oben gebogene linke Arm, aus dessen Hand von einem Knecht mit einer Zange der Nagel herausgezogen wird. Links des Christus steht Maria, die seine rechte Hand hält. Rechts von ihm, wegen der nach unten abfallenden Bodenlinie etwas tiefer als Maria, steht der trauernde Johannes. Die drei Figuren scheinen im Raum zu schweben, unter ihnen befindet sich mit dem Kopf nach links der quer liegende und in Leinen gewickelte Leichnam Christi, nun ohne Heiligenschein. Beispiele für den Christus am Kreuz mit und danach ohne Heiligenschein finden sich mehrfach in der englischen Kunst des 12. Jahrhunderts. Sie zeigen Christus am Kreuz als Gott mit Heiligenschein, während er nach der Kreuzabnahme als sterblicher Mensch ohne Nimbus gezeigt wird. Gelegentlich bleibt der Heiligenschein auch am Kreuz zurück. Am linken Rand des Bildes steht oben Longinus mit seiner Lanze. Entgegen den üblichen Darstellungen kauert Josef von Arimathäa, der meist den vom Kreuz abgenommenen Jesus entgegennimmt, links unten in der Ecke. Er hält ein Schriftband mit der Inschrift PLANGENT EVM QVASI VNIGENITVM, ein Bezug auf Kapitel 12 des Buchs Sacharja (Sach 12 EU). Zwischen Jesus und Johannes und von rechts drängen neugierige Zuschauer heran, die rechts oben im Bild durch ihre Judenhüte als Hohepriester erkennbar sind. Rechts unten kauert eine Figur mit einem Krug, bei der es sich um Okeanos oder um eine Allegorie der Paradiesflüsse handeln könnte. Am Himmel über der Szene sind, jeweils im Clipeus, Sol und Luna in ihrer Trauer abgebildet.[30]

Das Bild des Markusquaders weist Übereinstimmungen mit dem Evangeliar der Judith von Flandern auf: die Gotteshand am Längsbalken, der Christus mit geneigtem Kopf und ausschwingender Hüfte, über der Szene die weinenden Sol und Luna mit bedeckten Gesichtern. Es gibt weitere Übereinstimmungen mit der Kreuzabnahme des Psalter Clm 13067 auf. Dort ist der Christus ebenfalls mit der befreiten rechten und der noch an das Kreuz genagelten linken Hand dargestellt. Die Arme sind nach unten und oben gerichtet, der linke Arm im Bogen wie auf dem Quader, aber wesentlich gröber ausgeführt. Johannes und Maria sind weiter vom Christus entfernt, doch der Knecht mit der Zange ist auch hier dargestellt. Ein wichtiger Unterschied liegt in der Rolle des Josef von Arimathäa, der nun Christus vom Kreuz abnehmen hilft. Der leidende Christus mit seinem stark geneigten Kopf und der herausgeschwungenen Hüfte weist wiederum auf die englische Kunst des 11. Jahrhunderts hin.[30]

Die Rückseite zeigt einen nach links stehenden geflügelten Löwen, das Evangelistensymbol des Marcus, der sich nach hinten zum Mittelkreis umwendet. Er hat ein recht breites Gesicht und trägt im Unterschied zu den Symbolen von Lukas und Johannes keinen Heiligenschein, wie die drei Propheten auf der Vorderseite des Kreuzbalkens. Seine durch abwärts gerichtete kleine Flammen stilisierte Lockenmähne reicht bis an die Brust. Mit seinen vorderen Pranken hält er ein Buch, das auf dem mit einem Muster aus liegenden Rhomben verzierten Boden liegt. Die hinteren Läufe wirken wie in der Vorwärtsbewegung begriffen, und der Schwanz ist S-förmig erhoben. Oberhalb des Bildes ist der Name des Evangelisten angegeben, SCS MARCUS. Die Haltung und Ausführung des Löwen lässt sich eher mit angelsächsischer als mit kontinentaler Kunst in Verbindung bringen.[34]

Lukasquader (links)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lukasquader, Vorderseite
Lukasquader, Vorderseite
Lukasquader, Rückseite
Lukasquader, Rückseite

Der Lukasquader zeigt deutlich weniger Figuren als der Markusquader, insgesamt nur zehn. Sie sind aber mit bis zu 4,2 Zentimeter deutlich größer und, bezogen auf die zur Verfügung stehende Fläche, geradezu monumental. Die Abbildung zeigt die Auferstehung Christi, verbunden mit dem Besuch der drei Frauen am Grabe (Mt 28,1-8 EU, Mk 16,1-8 EU, Lk 24,1-5 EU). Links oben ist Christus zu sehen, wie er sich aus dem Grab erhebt. In seiner Rechten hält er ein Patriarchenkreuz, die Linke trägt ein Wundmal und weist nach oben, zur Gotteshand vor dem Kreuztitulus. Vor ihm sitzt ein Engel auf dem offenen Sarkophag, der ein breites Spruchband mit der Aufschrift QVERITIS JESVM NAZARENVM CRVCIFIxum (Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten, Mk 16,6 EU) hält. Der Engel verbirgt mit seiner Gestalt und seinen Flügeln Christus vor den drei Frauen, die sich von rechts oben nähern. Die erste schwingt ein Weihrauchfass und trägt einen Salbentopf. Auch die zweite Frau führt einen Salbentopf mit sich, während die dritte nur teilweise am rechten Bildrand erscheint. Am unteren Bildrand liegen fünf schlafende Soldaten mit Helmen, Schilden, Lanzen und Schwertern schwer bewaffnet, die von dem Geschehen, das sie verhindern sollten, nichts mitbekommen (Mt 27,62-66 EU).[17]

Auch die Darstellung auf dem Lukasquader lässt sich auf angelsächsische Vorbilder zurückführen. Am nächsten kommt ihr eine Miniatur des Evangeliars Ms. A.10.22 (fol. 104v) in der Bibliothek des Wadham Colleges in Oxford. Das Evangeliar wurde unterschiedlich auf die Zeit um 1040 oder auf das Ende des 11. Jahrhunderts datiert. Christus fehlt hier, doch er wird durch einen sprießenden Stab symbolisiert, den der Engel vor sich hält. Die Abbildung der drei Frauen am Grab ist mit jener auf dem Cloisters Cross fast identisch, bis hin zu dem Räuchergefäß, den Salbentöpfen und der am Bildrand nur teilweise sichtbaren dritten Frau. Auch hier sind schlafend auf dem Boden liegende Soldaten abgebildet, allerdings sind es nur drei.[17]

Das auf der Rückseite abgebildete Evangelistensymbol des Lukas ist als nach rechts stehender geflügelter Stier dargestellt, der sich nach hinten zum Mittelkreis mit dem Agnus Dei umwendet. Er trägt Locken auf dem Kopf, die sich, auf dem Hals mit einer flankierenden Punktreihe, bis zur Brust hinziehen. Er steht leicht aufgerichtet, mit den vorderen Hufen auf einem Buch. Der Hintergrund besteht aus Quadraten, die jeweils mit einem vierblättrigen floralen Elemet gefüllt sind. Am Oberrand befindet sich die Inschrift SCS LVCAS.[34]

Johannesquader (oben)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tiberius-Psalter (Cotton MS Tiberius C VI), fol. 15r, um 1050
Tiberius-Psalter (Cotton MS Tiberius C VI), fol. 15r, um 1050
Johannesquader, darunter Kajaphas und Pilatus im Disput, Titulus crucis und Gotteshand
Johannesquader, darunter Kajaphas und Pilatus im Disput, Titulus crucis und Gotteshand
Johannesquader, Rückseite

Auf dem Johannesquader wird Christi Himmelfahrt dargestellt. Im Zentrum steht der leicht nach links gewandte Christus, der am Oberrand des Bildes in einer Wolke verschwindet und von dem daher nur die untere Körperhälfte zu sehen ist (Apg 1,9-12 EU). Am Oberrand schweben beiderseits Christi zwei Engel, die weißen Männer aus der Apostelgeschichte. Sie sind nach außen gewandt und halten jeweils ein am Bildrand nach unten reichendes Schriftband. Bei dem linken Schriftband lautet die Aufschrift VIRI GALILEI QVID STAIS ASPICIENTES IN CELVm, rechts heißt es SIC VENIET QVEMADMODVM VIDIST. Beides sind Zitate aus der Apostelgeschichte (Apg 1,11 EU). Links und rechts vom entschwebenden Christus sind fünf Figuren dargestellt, die ihm nach oben hinterherschauen. Links stehen zwei Apostel, von denen einer weitgehend durch das Schriftband verborgen ist, und Maria, rechts zwei Apostel. Von vier weiteren Aposteln, unterhalb Jesu und hinter einem angedeuteten Berg hervorschauend, sind nur die Köpfe abgebildet. Ihre nach rechts oben gewandten Köpfe gleichen die entgegengesetzte Körperhaltung Jesu aus. In die Darstellung ragen die Köpfe der unterhalb des Quaders miteinander streitenden Figuren, ein Hohepriester und Pontius Pilatus.[35]

Der Bildtypus des in den Himmel auffahrenden und in den Wolken verschwindenden Christus ist um das Jahr 1000 in England entwickelt worden. Die Vorstellung geht wahrscheinlich auf die Kenntnis der Verhältnisse in der Ende des 7. Jahrhunderts auf dem Ölberg errichteten Himmelfahrtskapelle zurück, die Anfang des 11. Jahrhunderts zerstört wurde. Die Kapelle wurde an der Stelle errichtet, wo die Himmelfahrt Christi der Überlieferung zufolge stattgefunden hat und am Boden seine Fußabdrücke erhalten sein sollten. Die Kuppel wies ein Opaion auf, um den von Christus genutzten Weg zwischen Erde und Himmel stets frei zu halten. Eine frühe Darstellung findet sich auf dem um 1050 entstandenen Tiberius-Psalter Cotton MS Tiberius C VI auf fol. 15r, der sich heute in der British Library in London befindet. Dieses Bild zeigt bei der Darstellung des in der Wolke verschwindenden Christus und bei den Größenverhältnissen der Apostel und Christi große Übereinstimmungen mit der Darstellung auf dem Cloisters Cross. Allerdings fehlen die Engel, und die Figuren der Miniatur erreichen bei weitem nicht die Lebensähnlichkeit der Schnitzereien.[35][36]

Der Adler auf der Rückseite des Johannesquaders steht nach links, ist aber nach hinten gewendet. Seine Flügel sind beide nach hinten gerichtet, in der Weise, wie die Flügel von Engeln bisweilen dargestellt werden. Er trägt am Körper eine schuppenartige Befiederung, an den Schwingen hingegen die zu erwartenden langgestreckten Federn. Wie der auf dem Lukaswürfel besteht der Hintergrund aus Quadraten, hier mit achtstrahligen Sternchen gefüllt. In seinen Fängen hält er, im Unterschied zu den mit Büchern als Attributen versehenen Löwe und Stier auf den beiden anderen Quadern, ein Schriftband. Der linke Fang ist beschädigt, nur ein Stumpf des Beines und eine Kralle auf dem Schriftband sind erhalten. An der Oberkante des Würfels ist die teilweise verkürzte Namensnennung JOHANNES EVANGELIST angebracht. Das Schriftband trägt die Aufschrift VIDERVNT IN QVEM TRANSFIXERVNT OS NON COMMINuetis ex eo. Diese an das Evangelium nach Johannes angelehnten Zeilen (Joh 19,36-37 EU) greifen zurück auf das 2. Buch Mose, in dem Gott Mose und Aaron Anweisungen für die Speisen zum Pessachfest erteilt: Trag nichts vom Fleisch aus dem Haus! Und ihr sollt keinen seiner Knochen zerbrechen (Ex 12,46 EU). Ein noch deutlicherer Bezug und eine Präfiguration des Kreuzestodes Christi findet sich im Buch Sacharja: Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint (Sach 12,10 EU).[34]

Auf der oberen und den seitlichen Schmalseiten des Johannesquaders ist eine Inschrift aufgebracht, die von der rechten zur linken Seite herumläuft. Sie ist in großen griechischen Buchstaben geschrieben, die teilweise außergewöhnliche Formen zeigen. Die Transkription lautet ANTHROPOS CHRISTOS PANTOCRATOR und weist nach Wiltrud Topić-Mersmann auf die drei Naturen Christi hin, Mensch, Gott und Weltenherrscher.[18][30]

Matthäusquader (unten)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas, englisch, 1150-1175, Vorder- und Rückseite
Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas, englisch, 1150-1175, Vorder- und Rückseite
Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas, englisch, 1150-1175, Vorder- und Rückseite

Der ursprüngliche Matthäusquader ist verloren, an seiner Stelle wurde ein Quader ohne Schnitzereien angefügt. Der verschollene Quader wird ähnliche Szenen wie die übrigen getragen haben, auf der Vorderseite eine Szene aus dem Matthäus-Evangelium und auf der Rückseite einen geflügelten Menschen als Evangelistensymbol. Wahrscheinlich befand sich auf den Schmalseiten, wie bei anderen mittelalterlichen Kreuzen, eine Aufschrift, die auf den Stifter oder sogar auf den Künstler hinwies.[37] Die Figuren des Adam und der Eva auf der Vorderseite des Kreuzes, die den Stamm des Lebensbaums umklammern, stehen möglicherweise in Bezug zu den Darstellungen auf dem verschollenen Matthäusquader. Über Adam ist sein Name ADAM eingeritzt. Sein Spruchband, Lendenschurz und seine Beine sind ersetzt. Daher ist die Inschrift des Spruchbands nicht mehr vorhanden. Wiltrud Mersmann spekulierte, dass der untere Quader, wie der Johannesquader oben, einen Abschluss bildete. Christi Auffahrt in den abschließenden Himmel könne unten mit dem aufgerissenen Rachen des Leviathan und der Höllenfahrt ein Gegenstück besessen haben. Alternativ schlug sie eine Szene mit den Heiligen Drei Königen vor.[11] Auch eine Weihnachtsszene würde der naheliegenden Absicht entsprechen, vorne auf dem Matthäusquader eine Szene aus dem Evangelium nach Matthäus zu zeigen.[37]

1963, nach dem Kauf des Cloisters Cross, identifizierte Kurt Weitzmann die im Kunsthandel angebotene Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas als die fehlende Verblendung an der Vorderseite des Matthäusquaders. Das Objekt wurde daraufhin vom Metropolitan Museum of Art angekauft. In der von Weitzmann und Thomas Hoving vertretenen Annahme, die Plakette sei ursprünglich mit Metallstiften auf einem inneren Kern aus Metall befestigt gewesen, wurde die Plakette auf dem unteren Quader befestigt.[3]

Als erster Kunsthistoriker stellte Willibald Sauerländer die Plakette als Teil des Cloisters Cross in Frage. Er machte geltend, dass die Plakette in Bezug auf die Art des verwendeten Elfenbeins, des Stils, der „überraschenden“ Ikonographie und der im Vergleich zu den drei anderen Bibelszenen geringeren Größe nicht Teil des Kreuzes gewesen sein könne.[38] Spätere Autoren nannten für die Plakette und die drei Quader an den Balkenenden fast identische Maße, führten aber die abweichende Oberflächenstruktur der Plakette als Argument gegen eine Zugehörigkeit zum Cloisters Cross an. Zudem fehlt der Plakette das auf den anderen Quadern enthaltene Schriftband, mit dem die direkte Rede einer namentlich bekannten Figur wiedergegeben wird. Die Figuren, die auf den anderen Quadern ruhig, aufeinander bezogen und wohlgeordnet wirken, sind auf der Kaiphas-Plakette vergleichsweise grob, schematisch und innerhalb des verfügbaren Raums deplaziert ausgeführt.[37][39]

1991 griff Bernice R. Jones vom Queens College der City University of New York das Thema auf und plädierte erneut für die Theorie der Plakette als Vorderseite des Matthäuswürfels. Das Prophetentum Christi und seine Anklage durch Kajaphas stünden am Anfang der Passionsgeschichte und seien innerhalb des Bildprogramms von zentraler Bedeutung.[40] Die Plakette scheint aus deutlich hellerem Elfenbein als das Cloisters Cross gearbeitet zu sein. Jones wies zur Erklärung darauf hin, dass Elfenbein identischer Herkunft abhängig von den Bedingungen der Aufbewahrung stark unterschiedliche Färbungen annehmen kann. Die drei oberen Würfel sind aus massiven Elfenbeinstücken herausgearbeitet. Jones zufolge musste der Matthäus-Quader als Fuß des Altarkreuzes abweichend gestaltet werden. Aus dem zur Verfügung stehenden Walrosszahn konnte kein hinreichend großes massives Stück gewonnen werden. Stattdessen wurde der ursprüngliche Sockel um einen möglicherweise hohlen Metallkörper aufgebaut. Darauf wurden sechs Plättchen aus Walrosselfenbein mit Metallstiften fixiert, so dass für den Betrachter der Eindruck eines Fußes aus massivem Elfenbein entstand. Zumindest die vordere und hintere Fläche wurden mit Schnitzereien geschmückt. Vorne war dies die Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas, hinten eine Darstellung des Evangelistensymbols, eines geflügelten Menschen.[3][39]

Kunstgeschichtliche Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liber vitae von New Minster, fol. 9r, um 1020

Datierung, Herstellungsort und Zuschreibung des Cloisters Cross waren Gegenstand von vorwiegend in den 1970er Jahren geführten Debatten unter Mediävisten und Kunsthistorikern, die keinen befriedigenden Abschluss gefunden haben.

Datierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine ausgesprochene Frühdatierung nahm Wiltrud Mersmann 1963 in der Erstveröffentlichung des Cloisters Cross vor. Sie war nach einer umfassenden Analyse von Stil und Ikonographie und nach Vergleichen mit zahlreichen anderen mittelalterlichen Darstellungen davon überzeugt, dass das Kreuz eine Arbeit aus dem zweiten Viertel oder zweiten Drittel des 11. Jahrhunderts ist.[41] Der am Cloisters Cross fast durchgehende Verzicht auf Bodenlinien oder Sitzflächen, die den Figuren einen festen Stand geben würden, und die schwebenden Propheten des Querbalkens, sind Mersmann zufolge Merkmale des Winchester-Stils des 11. Jahrhunderts. Sie sind auf dem Kontinent zu dieser Zeit unbekannt. Im 12. Jahrhundert wird in der christlichen Kunst größerer Wert auf das Körperliche und auf das Handeln der Figuren gelegt. Das schließt einander berührende Figuren ein, die es auf dem Cloisters Cross kaum gibt.[4] Ursula Nilgen bezeichnete Mersmanns Versuch, mit „großem wissenschaftlichem Aufwand“ eine Datierung auf das 11. Jahrhundert zu belegen, als „missglückt“.[42]

Unmittelbar nach dem Erwerb des Cloisters Cross durch das Metropolitan Museum of Art verwarf Thomas Hoving Mersmanns Einschätzung. Er lieferte eine sehr späte Datierung auf die Dekade von 1181 bis 1190. Dieser Zeitraum würde sowohl die Wahl des Samson von Tottington zum Abt der Benediktinerabtei St. Edmund in Bury St Edmunds am 21. Februar 1182, als auch das Massaker an den Juden der Stadt im Jahr 1190 umfassen. Hoving hielt es auch für möglich, dass die bildlichen Darstellungen bereits um 1150 geschnitzt wurden, und die Texte erst zur Zeit Samsons hinzu kamen. Zur Begründung seiner Spätdatierung wies Hoving darauf hin, dass die Ausführung der Schnitzereien eindeutig dem Übergang von der Romanik zur Gotik zuzuordnen ist.[43]

Peter Lasko nahm eine Datierung auf das frühe 12. Jahrhundert vor und begründete seine Auffassung mit der vorsichtigen und nur angedeuteten Ausführung der für die englische Kunst des 12. Jahrhunderts typischen Faltenwürfe der Gewänder, und mit der Ähnlichkeit der Kopftypen zum kleinfigurigen flämischen Stil des 11. Jahrhunderts.[25]

Die englische Mediävistin Jennifer O’Reilly behandelte das Cloisters Cross in einer Arbeit über Astkreuze in der angelsächsische Kunst nur am Rande. Ihr zufolge ist der Adam des Cloisters Cross die erste englische Darstellung Adams an einem grob behauenen Astkreuz und auf das zweite Viertel des 12. Jahrhunderts zu datieren.[16]

Ein wichtiges Argument für eine späte Datierung ist die Darstellung der Figuren in einer Weise, als hafteten ihre feuchten Gewänder an ihren Körpern und Gliedmaßen. Dieser möglicherweise auf die byzantinischen Kunst zurückgehende Stil wird in der angelsächsischen kunsthistorischen Forschung als damp-fold style bezeichnet und kam in der englischen Buch- und Wandmalerei des 12. Jahrhunderts auf. Er wurde von Meister Hugo entwickelt, der von 1121 bis 1148 in der Benediktinerabtei St. Edmund in Bury St Edmunds in der englischen Grafschaft Suffolk tätig war. Seine Schüler und spätere Künstler sorgten für die weitere Verbreitung.[44]

Ursula Nilgen vertrat die Auffassung, dass der damp-fold style auf dem Cloisters Cross nur vereinzelt und in Ansätzen erkennbar ist.[45] Sie datierte das Kreuz auf die Zeit des Übergangs zur Gotik zwischen 1170 und 1180.[46]

Das Metropolitan Museum of Art datiert das Cloisters Cross heute auf die Mitte des 12. Jahrhunderts, etwa 1150 bis 1160.[1]

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Metropolitan Museum of Art gibt als Herkunft des Cloisters Cross nur „British“ an. Bury St. Edmunds wird nur beiläufig erwähnt, mit einem Hinweis auf die Jahrzehnte später in der Stadt verübten Judenverfolgungen und die Ausweisung aller Juden aus der Stadt im Jahr 1189.[1]

Den ersten Versuch einer Herkunftsbestimmung unternahm Wiltrud Mersmann 1963. Die zahlreichen Übereinstimmungen der Typen und ihrer Ausführung bis in kleinste Details lassen für Mersmann eine Herstellung des Kreuzes im 11. Jahrhundert durch einen in England lebenden oder dort ausgebildeten Künstler als wahrscheinlich erscheinen.[4]

Anfang der 1970er Jahre zweifelte Willibald Sauerländer sowohl die Herkunft aus Bury St Edmunds an, als auch die These von der Einheit von Cloisters Cross, der Plakette mit Christus vor dem Hohepriester Kajaphas und des Osloer Korpus.[38] Auch John Beckwith verwarf in den folgenden Jahren die Herkunft aus Bury St Edmunds. Er legte sich aber mit Nachdruck darauf fest, dass die drei Objekte zusammengehören.[47] Ursula Nilgen bezeichnete 1985 die zugunsten einer Herkunft aus Bury St Edmunds vorgebrachten Argumente als die Überbewertung von Koinzidenzen.[45]

Urheber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Cloisters Cross zeichnet sich nicht nur durch eine außerordentliche handwerkliche und künstlerische Qualität aus. Die Dichte der Bibelzitate und ihre zuweilen originelle Verwendung und ihre Einordnung in ein gleichfalls originelles Bildprogramm sind ohne Vorbild und ohne Nachfolger. Der Künstler muss eine Person von herausragender Kenntnis der Bibel gewesen sein. Einzig die im Titulus crucis zutage tretende mangelnde Kenntnis der hebräischen Schrift passt nicht in dieses Bild. Im 12. Jahrhundert war es üblich, eine Struktur von festgefügten Gegenüberstellungen abzubilden. Das konnten Propheten des Alten Bundes und Personen des Neuen Bundes sein, oder auch Synagoga und Ecclesia. Der Schöpfer des Cloisters Cross griff nur gelegentlich auf unmittelbare Gegenüberstellungen zurück, etwa in der Inschrift neben dem Astkreuz mit der Verspottung Noahs und der Verspottung Christi. Er zitiert ausgiebig Propheten des Alten Testaments, stellt Passion und Auferstehung Christi in eindringlichen Bildern dar, und zitiert aus den Evangelien und der Offenbarung des Johannes. Doch sogar auf die im Mittelalter geläufige Gegenüberstellung der Synagoga und der Ecclesia verzichtet er, indem er die christliche Kirche in Gestalt eines Engels darstellt. Dennoch ist die Quelle der Texte auf dem Kreuz am ehesten in mittelalterlichen Schriften zu suchen, die sich aus christlicher Sicht mit dem Verhältnis von Judentum und dem Christentum befassten und teilweise die Gottesmordthese vertraten. Es gab Streitschriften, in denen ein Disput zwischen Ecclesia und Synagoga, oder zwischen einem Christen und einem Juden, über den rechten Glauben dargestellt wurde. Dabei bezog sich die Ecclesia vielfach auf Prophezeiungen des Alten Testaments, in denen die Passion Christi und seine Auferstehung vorhergesagt wurden. Solche Schriften waren auch in England verbreitet und lassen sich bis auf frühchristliche Vorläufer wie die Altercatio Ecclesiae et Synagogae zurückverfolgen.[32][48][49]

Norman Scarfe nahm 1973 eine Zuschreibung an Meister Hugo vor

Ursula Nilgen nahm 1985 eine Zuschreibung an den Umkreis des Simon-Meisters vor.[46]

Judenfeindliche Darstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Cloisters Cross birgt eine komplexe Ikonographie und einen Textkorpus, die sich in vielfältiger Weise mit Juden und Christen befassen und dabei antijüdische Stereotype reproduzieren. Immer wieder werden die Juden als Feinde Christi und des Christentums oder als Gottesmörder diffamiert. Damit reflektiert das Kreuz eine zunehmend judenfeindliche Stimmung im mittelalterlichen England, die in Pogromen und Vertreibungen gipfelte.[7]

Das Cloisters Cross wurde erstmals 1963 von der österreichischen Kunsthistorikerin Wiltrud Mersmann mit einem mehr als 100 Seiten umfassenden Aufsatz im Wallraf-Richatz-Jahrbuch publiziert. Dabei lieferte Mersemann eine umfangreiche Beschreibung des Kreuzes und setzte die bildlichen Darstellungen in Bezug zur Bibel. Sie scheiterte jedoch an der Einordnung der antijüdischen Symbole und Inschriften. Der Konflikt zwischen Christentum und Judentum wird von ihr nur beiläufig und aus der Sicht des Christentums gestreift. Die Vokabeln „Jude“ (auch im Plural und in Zusammensetzungen) oder „jüdisch“ tauchen auf etwa 100 Seiten ungefähr 20 Mal auf, mehrheitlich im Zusammenhang mit Judenhüten.[50]

Thomas Hoving befasste sich bereits 1964 mit den judenfeindlichen Aussagen des Cloisters Cross.[42]

Ursula Nilgen hob 1985 hervor, dass die Ikonographie nichts mit der „irrationalen Aggressivität einer Pogrom-Atmosphäre“ zu tun habe. Sie sei vielmehr Ausdruck eines im 11. Jahrhundert bedeutenden theologischen Disputs, der unter christlichen Theologen geführt wurde, aber auch Juden aufgezwungen wurde. Ziel war es die jüdische Ablehnung Jesu Christi als Sohn Gottes und als Messias aus dem Alten Testament heraus zu widerlegen. Der Vorwurf des Gottesmords, der aus dem Evangelium nach Johannes abgeleitet wurde, wird auch auf dem Cloisters Cross vorgetragen. Er ist aber nicht als unmittelbare Diffamierung oder gar als Aufforderung zur Gewalt gegen Juden zu verstehen. Er ist vielmehr der Versuch, im Sinne einer Judenmission, die Juden zum „richtigen“ Glauben zu bekehren, sie sollten glauben wie die „guten Juden“. Dazu werden auf dem Cloisters Cross Vorbilder mit Judenhüten dargestellt. Beispiele sind im vorderen Mittelkreis Juden, die zur ehernen Schlange aufblicken, und auf dem Markusquader der trauernde Josef von Arimathäa.[51]

Aufschrift beiderseits des Astkreuzes[18]

Seitenflächen des Längsbalkens.

Die auf dem Titulus verwendete Bezeichnung Christi als Bekenner ist vor dem Hintergrund der christlichen Judenfeindlichkeit im mittelalterlichen England zu sehen. Christus als König der Juden zu bezeichnen war als Folge ihrer gesellschaftliche Ächtung nicht mehr akzeptabel.[19]

Pilatus-Szene[18]

Mittelkreis mit Agnus Dei[32]

Zahlreiche Figuren des Cloisters Cross sind durch ihre Judenhüte als Juden gekennzeichnet. Das war in der christlichen Kunst nicht ungewöhnlich, und es war nichtnbzwingend abwertend. Auch in der mittelalterlichen jüdischen Kunst, insbesondere Buchmalereien, gibt es zahlreiche Beispiele der Abbildungen von Juden, auf denen sie mit einem Judenhut gekennzeichnet sind. Im Zusammenhang mit den antijüdischen Inschriften und vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Judenverfolgungen in England sind die Judenhüte des Cloisters Cross als Kennzeichnung der Feinde Christi und als Ausdruck von Judenfeindlichkeit zu sehen.[52]

Thomas Hoving war als Kurator von The Cloisters maßgeblich am Erwerb des Cloisters Cross beteiligt. Später fand unter seiner Leitung als Direktor des Metropolitan Museum of Art die Erforschung des Kreuzes statt. Im Jahr 2001 gab Hoving in einem Interview an, dem Museum seien die antisemitischen Inschriften des Kreuzes bekannt und es weigere sich, sie als solche anzuerkennen.[53] Erst eine populärwissenschaftliche Veröffentlichung des Metropolitan Museum of Art aus dem Jahr 2016 bezeichnet Texte und Bildprogramm des Cloisters Cross als eindeutig antijüdisch.[7]

Provenienz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang 1949 erschien bei dem seit wenigen Monaten vom bayerischen Kultusministerium verwalteten und kurz vor seiner Abwicklung stehenden Munich Central Collecting Point in München der jugoslawische Maler, Kunstsammler und Kunsthändler Ante Topić Mimara. Er wollte angeblich im Auftrag Jugoslawiens die Herausgabe von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs geraubter Kunstwerke fordern. Dazum präsentierte er der Sammelstelle eine Liste mit 166 Kunstwerken aus dem sichergestellten Bestand, die er als Raubkunst aus Jugoslawien ausgehändigt haben wollte. Das war der größte Teil der insgesamt 175[54] nach Jugoslawien restituierten Kunstwerke. Die Liste war mithilfe der Kunsthistorikerin Wiltrud Mersmann erstellt worden, die von März 1946 bis Juli 1949 im Central Collecting Point arbeitete. Mersmann bescheinigte Kunstwerken ohne Eigentümernachweis eine jugoslawische Provenienz. Daher enthielt die Liste Kunstwerke, die keinen Bezug zu Jugoslawien hatten, aber für Topić Mimara von Interesse waren. Im Mai und Juni 1949 wurden die ausgewählten Objekte nach Jugoslawien transportiert.[55]

Wiltrud Mersmann und Ante Topić Mimara heirateten 1957. Mersmann wies den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten Jahrzehnte später zurück und machte geltend, dass alle Handlungen unter der Aufsicht von Stefan P. Munsing stattgefunden hatten, der seinerzeit im Central Collecting Point für solche Restitutionsfälle zuständig war. Nach ihrer eigenen Beteiligung gefragt erklärte sie Topić Mimara zum Verantwortlichen für die Unterschlagungen. Während der 1950er und 1960er Jahre bot Topić Mimara seine Sammlung oder Teile davon wiederholt US-amerikanischen und anderen Museen an, auch dem Metropolitan Museum of Art. Die mangelnde Qualität der angebotenen Werke, vielfach Fälschungen, Verfälschungen und durch unsachgemäße Restaurierungen stark beschädigte Stücke, ließen die potentiellen Kunden von einem Kauf Abstand nehmen.[55]

1955 begann Topić Mimara damit, das Cloisters Cross zum Verkauf anzubieten. Er kontaktierte eine Reihe von Museen, darunter das Cleveland Museum of Art, das British Museum und das Victoria and Albert Museum. Das British Museum war an einem Kauf des Altarkreuzes als eines nationalen Kulturguts von besonderer Bedeutung sehr interessiert. Der Ankauf scheitrte daran, dass die britische Regierung einen Nachweis der Herkunft verlangte, den Topić Mimara nicht liefern wollte.[56] Anfang der 1960er Jahre wurde das Kreuz von einem Kunstagenten dem Museum of Fine Arts in Boston angeboten. Das Kreuz wurde zunächst für eine Fälschung gehalten, aber schließlich von Hanns Swarzenski als echt eingestuft. Da das Museum of Fine Arts nicht über die Mittel für den Ankauf verfügte, vermittelten Swarzenski und Perry T. Rathbone, der Direktor des Museums, einen Kontakt mit Thomas Hoving. Hoving war Kurator der Zweigstelle The Cloisters des Metropolitan Museum of Art in New York City.[57]

1963 konnte Topić Mimara das seinerzeit als Bury St Edmunds Cross bezeichnete Kreuz für 600.000 US-Dollar an das Metropolitan Museum of Art verkaufen. Topić Mimara gab gegenüber Hoving an, dass er das Kreuz von einem osteuropäischen Kloster gekauft habe. Weitere Einzelheiten zur Provenienz nennte er nicht. Hoving missachtete Warnungen ehemaliger Mitarbeiter des Central Collecting Point und der Schweizer Polizei vor der dubiosen Vergangenheit Topić Mimaras. Auch US-amerikanische Experten für Raubkunst wurden nicht kontaktiert, das FBI hatte keine Informationen über Topić Mimara.[55][56]

Im Jahresbericht 1962/63 des Metropolitan Museum of Art wurde das Kreuz als Neuerwerbung aufgeführt und als eine der zwei oder drei bedeutendsten Arbeiten der romanischen Elfenbeinschnitzerei beschrieben.[58] James Rorimer, der Direktor des Museums, nannte das Kreuz eine der bedeutendsten Erwerbungen, die das Museum jemals getätigt habe. Topić Mimara verwendete den Erlös zum Kauf des Schloss Neuhaus bei Salzburg. Er starb 1987, seine Witwe und der gemeinsame Sohn lebten über Jahrzehnte in dem Schloss und betrieben darin eine Galerie.[55]

Spekulationen über die Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Thomas Hoving veröffentlichte 1975[59] und 1981[60] zwei in weiten Teilen romanhafte und spekulative Darstellungen des Kaufs und seiner Vorgeschichte. Die 1975 veröffentlichte Schilderung beinhaltet die Angabe Topić Mimaras, er habe das Kreuz nach und nach in Einzelteilen von einem osteuropäischen Mönchskloster erworben, weil er sich den Kauf des ganzen Kreuzes nicht leisten konnte. Topić Mimara soll Teile des Kreuzes 1938 dem Berliner Kunsthistoriker Erich Meyer vom Kaiser-Friedrich-Museum gezeigt haben. Ein weiteres Teil ist angeblich 1947 oder 1948 von Hermann Schnitzler, damals Kurator des Schnütgen-Museums in Köln, begutachtet worden.[56]

Erst in den 1980er Jahren, nach der Veröffentlichung von Hovings Buch King of the Confessors, meldete sich Josef H. Kugler, ein ungarischer Einwanderer in die Vereinigten Staaten, und machte eine Reihe von detaillierten Angaben zum Cloisters Cross. Anfang der 1930er Jahre soll sich das Kreuz im Besitz eines Priesters und Freundes seines Großvaters befunden haben. Der Priester lebte damals im Kloster Zirc im Bakonywald. Die Angaben Kuglers enthielten mehrere Details, die seinerzeit noch nicht publiziert waren. Mehrere Versuche Kuglers Geschichte zu verifizieren verblieben ohne Ergebnis. Der britische Historiker Norman Scarfe nahm die Angaben Kuglers zur Grundlage einer Theorie über die Herkunft des Kreuzes. Basierend auf Kuglers Angabe, das Kreuz sei ursprünglich im Besitz eines Ritters im Dienst von Richard Löwenherz gewesen, brachte Scarfe das Kreuz mit dem Lösegeld für Richard in Verbindung. Samson von Tottington, seit 1180 der Abt von Bury St Edmunds, war maßgeblich am Beibringen des Lösegelds beteiligt.[56]

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Cloisters Cross wird nur selten außerhalb des Metropolitan Museum of Art ausgestellt. Es war eines der bedeutendsten Exponate der Ausstellungen The Year 1200: A Centennial Exhibition at the Metropolitan Museum of Art zum 100. Jahrestags der Gründung des Museums 1870 und Masterpieces of Fifty Centuries zur darauffolgenden Jahreswende. 1974 wurde es im Victoria and Albert Museum in London in der Ausstellung Ivory Carving in Early Medieval England zur frühmittelalterlichen englischen Elfenbeinschnitzerei gezeigt. Dabei wurde es mit dem Osloer Korpus vereint.[25] Die vorerst letzte Präsentation außerhalb des Metropolitan Museum fand 1984 im Rahmen der Ausstellung English Romanesque Art 1066—1200 in der Londoner Hayward Gallery statt. Diese Ausstellung versammelte Werke der englischen romanischen Kunst.[1]

Weitere mittelalterliche Elfenbeinkreuze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kruzifix von Ferdinand und Sancha, León, um 1063, heute im Museo Arqueológico Nacional de España, Madrid
Kruzifix von Ferdinand und Sancha, León, um 1063, heute im Museo Arqueológico Nacional de España, Madrid
Kruzifix von Ferdinand und Sancha, León, um 1063, heute im Museo Arqueológico Nacional de España, Madrid

Elfenbeinkreuze des zehnten bis 12. Jahrhunderts sind gegenüber den mit Edelsteinen oder Email verzierten Altarkreuzen und Triumphkreuzen ausgesprochen selten. Die überlieferten Exemplare sind meist Pektorale in entsprechendem Formt. In der Größe ist dem Cloisters Cross nur das Kruzifix von Ferdinand und Sancha vergleichbar. Es wurde um 1063 von dem Königspaar von León, Ferdinand I. der Große und Sancha von León, der Basilika San Isidoro in León gestiftet. Das Kreuz misst 52 mal 34 Zentimeter und Längs- und Querbalken sind aus zwei Teilen zusammengefügt. Es ist, ohne den figürlich gearbeiteten Korpus, nur einen Zentimeter tief. Gegenüber dem Cloisters Cross zeichnet es sich durch eine Fülle filigraner Ranken aus, in denen sich zahlreiche kleine und kaum individualisierte Figuren befinden. Es handelt sich um das Weltgericht, in dem Menschen gegen das Böse kämpfen, dargestellt durch Fabelwesen. Die Rückseite des Madrider Kreuzes zeigt das Agnus Dei vor einem quadratischen Feld in der Mitte. Die Evangelisten sind in quadratischen Feldern an den Balkenenden ebenso wie auf dem Cloisters Cross angeordnet. Das Kruzifix befindet sich heute im heute im Museo Arqueológico Nacional de España in Madrid.[49]

Das Gunhildskreuz aus Walrosselfenbein wurde von Gunhild, einer Tochter des dänischen Königs Sven Estridsson, um 1100 gestiftet. Eine Inschrift auf dem Kreuz weist Liutger als sein Schöpfer aus, der die Betrachter um ein Gebet für sich bittet. Das heute im Nationalmuseet in Kopenhagen aufbewahrte Kreuz ist deutlich kleiner als das Cloisters Cross, es misst etwa 28,4 mal 22 Zentimeter und ist aus zwei Teilen zusammengesetzt. Der Korpus fehlt, das Kreuz erreicht aber wegen seiner figürlichen Darstellungen eine Dicke von 2,5 Zentimeter. Auch dieses Kreuz hat Mittelkreise, die sich hier in einem Vierpass befinden. Der vordere Kreis diente nur als Kreuznimbus für den Korpus. An den Balkenenden der Vorderseite sind Medaillons angebracht, die von links im Uhrzeigersinn Ecclesia, Vita und Synagoga als Dreiviertelfiguren und Mors zusammengekauert in einem Sarg zeigen. Der rückseitige Mittelkreis zeigt Christus als Weltenrichter. In den Medaillons befinden sich jeweils mehrere Figuren, oben die Geretteten mit dem armen Lazarus in Abrahams Schoß und unten die Verlorenen mit dem von Dämonen gequälten reichen Mann, links die Gesegneten und rechts die Verdammten. Obgleich die Gestaltung der Kreuze sich stark voneinander unterscheidet gibt es Ähnlichkeiten. Auch das Gunhildkreuz ist mit vielen Inschriften ausgestattet, Christus wird von vier Engeln umgeben und das Kreuz weist Reste grüner und roter Fassung auf.[49][61]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Avigdor Blaustein/Cloisters Cross – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d The Cloisters Cross, ca. 1150–60, Metropolitan Museum of Art, 2020, abgerufen am 13. November 2020.
  2. a b c d e f g h i Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 7-13.
  3. a b c Bernice R. Jones: A Reconsideration of the Cloisters Ivory Cross, S. 66-72.
  4. a b c d e Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 74-80.
  5. a b c Elizabeth C. Parker, Charles T. Little: The Cloisters Cross. Its art and meaning, S. 20-29.
  6. Elizabeth C. Parker, Charles T. Little: The Cloisters Cross. Its art and meaning, S. 17-19.
  7. a b c d Wendy A. Stein: The Cloisters Cross. In: dieselbe, How to Read Medieval Art, Metropolitan Museum of Art, New York City, 2016, ISBN 978-1-58839-597-9, S. 58-60.
  8. W. L. Hildburgh: On Palm-tree Crosses, Archaeologia, Band 81, 1931, S. 49-61, doi:10.1017/S0261340900005270 und derselbe: A Mediaeval Bronze Pectoral Cross, The Art Bulletin, Band 14, Nr. 2, S. 79-102, doi:10.1080/00043079.1932.11408947.
  9. Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 52-53.
  10. a b c Cynthia Hahn: Inscriptions and Interactions: Text and Image on the Cloisters Cross and other Ivories, Acta ad archaeologiam et artium historiam pertinentia, Band 24, 2011, S. 185-210, doi:10.5617/acta.5781.
  11. a b c d Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 44-50.
  12. Ernst H. Kantorowicz: The Quinity of Winchester, The Art Bulletin, Band 29, Nr. 2, 1947, S. 73-85, doi:10.2307/3047110.
  13. Michael Norris: Altar cross, ca. 1150–60. In: derselbe: Medieval Art. A Resource for Educators, Metropolitan Museum of Art, New York, 2005, ISBN 1-58839-083-7, S. 68-71.
  14. Philippe Verdier: La grande croix de l'abbé Suger à Saint-Denis, Cahiers de civilisation médiévale, Band 13, Nr. 49, 1970, S. 1-31, doi:10.3406/ccmed.1970.3059 und derselbe: What Do We Know of the Great Cross of Suger in Saint-Denis, Gesta, Band 9, Nr. 2, 1970, Papers on the Renaissance of the Twelfth Century Read at the Symposium Held in the Museum of Art, Rhode Island School of Design, May 14 and 15, 1969, S. 12-15, doi:10.2307/766651.
  15. a b Sabrina Longland: A Literary Aspect of the Bury St. Edmunds Cross, S. 49-50.
  16. a b Jennifer O’Reilly: The rough-hewn cross in Anglo-Saxon art. In: Carol A. Farr und Elizabeth Mullins (Hrsg.): Jennifer O’Reilly. Early Medieval Text and Image 2. The Codex Amiatinus, the Book of Kells and Anglo-Saxon Art. Routledge, Abingdon, Oxon 2019, ISBN 978-0-367-21995-6, Kapitel 14, S. 276-287.
  17. a b c Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 31-38.
  18. a b c d e f g h Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 13-19.
  19. a b Thomas P. F. Hoving: The Game of Duplicity, The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Band 26, Nr. 6, 1968, S. 241-246, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fresources.metmuseum.org%2Fresources%2Fmetpublications%2Fpdf%2FArt_Forgery_The_Metropolitan_Museum_of_Art_Bulletin_v_26_no_6_February_1968.pdf~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D (PDF, 6,5 MB).
  20. Carl Selmer: The Runic Inscription of Codex Latinus Monacensis 13067, Publications of the Modern Language Association of America, Band 53, 1938, Nr. 3, S. 645-655, doi:10.2307/458645.
  21. Francesco Bella, Carlo Azzi: 14C Dating of the ‘Titulus Crucis’. Radiocarbon, Band 44, 2002, Nr. 3, S. 685–689 (PDF, 75 kB).
  22. Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 48.
  23. Wera von Blankenburg: Das Holzkreuz der ehemaligen Sammlung Fuld in Berlin. Ein Dokument monumentaler ottonischer Plastik, Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Band 55, 1934, S. 139-153, doi:10.2307/25169938.
  24. Sabrina Longland: The ‘Bury St. Edmunds Cross’. Its exceptional place in English twelfth-century art, S. 163 (Bild 2 und Bildunterschrift).
  25. a b c Peter Lasko: Medieval Ivory Carvings at the Victoria and Albert Museum, The Burlington Magazine, Band 116, Nr. 856, 1974, S. 426-430, doi:10.2307/877749.
  26. Sabrina Longland: A Literary Aspect of the Bury St. Edmunds Cross.
  27. Sabrina Longland: A Literary Aspect of the Bury St. Edmunds Cross, S. 45-47.
  28. Sabrina Longland: The ‘Bury St. Edmunds Cross’. Its exceptional place in English twelfth-century art, S. 170-171.
  29. a b c d e Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 50-62.
  30. a b c d Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 19-31.
  31. a b Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, Anhang II, S. 107-108.
  32. a b c d e f Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 66-71.
  33. Sabrina Longland: The ‘Bury St. Edmunds Cross’. Its exceptional place in English twelfth-century art, S. 171-172.
  34. a b c d Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 62-66.
  35. a b Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 38-44.
  36. Robert Dershman: Another Look at the Disappearing Christ: Corporeal and Spiritual Vision in Early Medieval Images, The Art Bulletin, Band 79, Nr. 3, 1997, S. 518-546, doi:10.2307/3046264.
  37. a b c Elizabeth C. Parker: The Missing Base Plaque of the Bury St. Edmunds Cross, Gesta, Band 14, Nr. 1, 1975, S. 19-26, doi:10.2307/766643.
  38. a b Willibald Sauerländer: “The Year 1200,” A Centennial Exhibition at the Metropolitan Museum of Art. February 12–May 10, 1970, The Art Bulletin, Band 53, Nr. 4, S. 506-516, doi:10.1080/00043079.1971.10790547.
  39. a b Bernice R. Jones: A Reconsideration of the Cloisters Ivory Cross, S. 85.
  40. Bernice R. Jones: A Reconsideration of the Cloisters Ivory Cross, S. 65.
  41. Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 97-105.
  42. a b Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 39-40.
  43. Norman Scarfe: The Bury St. Edmunds Cross. The Work of Master Hugo? Proceedings of the Suffolk Institute of Archeology, Band 33, Teil 1, 1973, 75-85, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fsuffolkinstitute.pdfsrv.co.uk%2Fcustomers%2FSuffolk%2520Institute%2F2014%2F01%2F10%2FVolume%2520XXXIII%2520Part%25201%2520%281973%29_Bury%2520St%2520Edmunds%2520Cross%2520The%2520work%2520of%2520Master%2520Hugo%2520N%2520Scarfe_75%2520to%252085.pdf~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D, PDF, 1 MB.
  44. Elizabeth Parker McLachlan: In the Wake of the Bury Bible: Followers of Master Hugo at Bury St. Edmunds, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, Band 42, 1979, S. 216-224, doi:10.2307/751094.
  45. a b Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 54-56.
  46. a b Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 57-64.
  47. Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 41-42.
  48. Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 72-74.
  49. a b c Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara, S. 80-94.
  50. Wiltrud Mersmann: Das Elfenbeinkreuz der Sammlung Topic-Mimara.
  51. Ursula Nilgen : Das große Walroßbeinkreuz in den "Cloisters", S. 44-48.
  52. Wendy A. Stein: Abiud. In: dieselbe, How to Read Medieval Art, Metropolitan Museum of Art, New York City, 2016, ISBN 978-1-58839-597-9, S. 50-51.
  53. Melik Kaylan: Cross Of Shame, Forbes.com, 10. Juli 2001, abgerufen am 18. November 2020.
  54. Iris Lauterbach: Der Central Collecting Point in München. Kunstschutz, Restitution, Neubeginn. Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München Bd. 34, Deutscher Kunstverlag 2015, ISBN 978-3-422-07308-1, S. 194.
  55. a b c d Konstantin Akinsha: Ante Topic Mimara,"The Master Swindler of Yugoslavia", by Konstantin Akinsha, ArtNEWS, September 2001, abgerufen am 18. November 2020.
  56. a b c d Elizabeth C. Parker, Charles T. Little: The Cloisters Cross. Its art and meaning, S. 14-16.
  57. Perry T. Rathbone: Necrology - Hanns Swarzenski (1903-1985), Gesta, Band 24, 1985, Nr. 2, S. 175-176, doi:10.1086/ges.24.2.766975.
  58. Margaret B. Freeman: Medieval Art and The Cloisters, The Metropolitan Museum of Art Bulletin, Band 22, Nr. 2, S. 74-76, doi:10.2307/3258248.
  59. Thomas Hoving: The chase, the capture. In: Thomas Hoving et al.: The chase, the capture. Collecting at the Metropolitan. Metropolitan Museum of Art, New York 1975, S. 70-98, ISBN 0-87099-139-6.
  60. Thomas Hoving: King of the Confessors.
  61. T. A. Heslop: Gunhild’s Cross: Seeing a Romanesque Masterwork through Denmark, Art History, Band 43, Nr. 2, 2020, S. 432-457, doi:10.1111/1467-8365.12503.

Kategorie:Romanische Skulptur Kategorie:Kreuz (Bildhauerei) Kategorie:Werk der Elfenbeinkunst Kategorie:Metropolitan Museum of Art