Benutzer:Chapsyx/OSTEN Festival

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„Osten“ ist ein Festival für Kunst und gegenseitiges Interesse, das in Bitterfeld-Wolfen stattfindet. Es erforscht und feiert „den Osten“ als Landschaft der Veränderungen für Mensch, Natur und Zusammenleben.[1]

Idee und Geschichte

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Als Reaktion auf die Bundestagswahl 2017 beschäftigten sich die Dramaturgen Aljoscha Begrich und Ludwig Haugk sowie die Kulturmanagerin Christine Leyerle mit der Frage nach Kunst im ostdeutschen ländlichen Raum: Auf der Suche nach einer Möglichkeit, der wachsenden Kluft zwischen urbanen Zentren und ländlichen Räumen zu begegnen, entstand der Gedanke in die Offensive zu gehen.[2] Es entstand die Idee, ein Festival auszurichten, das sich speziell mit den ostdeutschen Umbruchserfahrungen auseinandersetzt und der sozialen und politischen Geschichte Plattformen der Erzählung gibt. Als besonders geeigneter Standort für dieses Vorhaben erschien ihnen Bitterfeld-Wolfen: Hier konzentrieren sich Entwicklungen und Erfahrungen, die auch andere Regionen in Ostdeutschland sowie andere ehemals sozialistische Länder prägen. Die Region gehörte mit der VEB Filmfabrik ORWO und dem VEB Chemisches Kombinat Bitterfeld (CKB) zum Chemiedreieck der DDR.[3] Zum Ende der DDR war die Region ein ökologisches Katastrophengebiet, wurde als „dreckigste Region Europas“ bezeichnet.[4] Mit der politischen Wende 1989/90 kamen massive Veränderungen auf die damals noch eigenständigen Städte Bitterfeld und Wolfen zu: Abwanderung, Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit prägten das Leben und den Alltag in den 1990er Jahren.[5] Auch die meisten an die Betriebe gekoppelten Kultureinrichtungen mussten mit dem Zusammenbruch der Industrie schließen. Heute gehört der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen wieder zu den wirtschaftlichen Schwergewichten in Sachsen-Anhalt.[6] Die gut ausgebaute Infrastruktur lockt neue Unternehmen aus Zukunftsbranchen wie Photovoltaik- und Halbleiter-Herstellung an. Durch die Flutung des ehemaligen Braunkohlentagebaus Goitzsche ist eine Seenlandschaft entstanden, die auf Freizeitangebote und Tourismus setzt. Neben den Umbruchserfahrungen, die sich in Bitterfeld-Wolfen und Region konzentrieren, hat die besondere Geschichte des Bitterfelder Kulturpalastes und seine untrennbare geschichtliche Verankerung im „Bitterfelder Weg“ die Festivalmacher:innen von dem Standort überzeugt.[7]

Mithilfe der Kunst will das Festival die gewaltigen Umbrüche, die die biografische, politische und ökologische Landschaft nachhaltig verändert haben, erfahrbar machen und den Austausch darüber anregen.[8] Was lässt sich aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen? Welche Zukunftsentwürfe sind denkbar? Was bedeutet Osten heute? Was ist spezifisch, was international? Diesen und weiteren Fragen spüren Künstler:innen und Kulturinstitutionen beim Festival, gemeinsam mit den Menschen aus Bitterfeld-Wolfen, in Theater, Performances, Workshops, Ausflügen und vielem mehr nach. Dabei lädt das Festival ganz im Sinne des Bitterfelder Wegs zum Mit- und Selbermachen ein. Das Festival richtet sich an Menschen aus Bitterfeld-Wolfen, indem es ungewöhnliche Zugänge zur Stadt entwickelt, und an Menschen von außerhalb, die sich für das Besondere dieser Landschaft und ihrer Geschichte begeistern lassen.

Im Zentrum des ersten Festivals stand der geschichtsträchtige Kulturpalast in Bitterfeld. In den 1950er Jahren von den Menschen aus der Region selbst erbaut, war er ein Ort des künstlerischen Aufbruchs in der DDR.[9] Hier wurde der sogenannte „Bitterfelder Weg“ ausgerufen. Die Idee: Arbeit und Kunst näher zusammenbringen, in dem Arbeiter:innen sich künstlerisch ausprobieren und Künstler:innen die Produktion in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellen. An den Gedanken, Kunst und Kultur für alle zugänglich zu machen und Menschen verschiedenster sozialer Herkunft zusammenzubringen, knüpft das Festival mit unterschiedlichsten, künstlerischen Formaten der Begegnung an: von Performances, Workshops und Gesprächen bis hin zu gemeinsamen Ausflügen von Künstler:innen und Menschen aus Bitterfeld-Wolfen. Mit aufwändig gestalteten Schubkarren, die an den Aufbau des Kulturpalastes erinnerten, konnten die rund 5.000 Besucher:innen außerdem Kunstwerke über Bitterfeld-Wolfen in dem Gebäude besichtigen – und dabei selbst aktiv gestalten. Am Programm haben sich mehr als 60 Künstler:innen und 150 Studierende sowie ein breites Netzwerk aus fast 30 Kulturinstitutionen beteiligt.[10]

Für die zweite Ausgabe vom 1. bis 16. Juni 2024 zieht das Festival nach Wolfen.[11] Im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung stehen insbesondere die Geschichte der ehemaligen Film- und Faserfabrik und die historischen Verstrickungen nach Rochester in den USA und Schostka in der Ukraine. Alle drei Städte blicken auf eine gemeinsame Geschichte industrieller Farbfilmproduktion zurück und teilen Erfahrungen von Umweltverschmutzung, De-Industrialisierung, Arbeitslosigkeit und der Suche nach neuen Perspektiven. Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt stellt, mit Blick auf den 40. Jahrestag einer der ersten Umweltdemonstrationen der DDR zwischen Bitterfeld und Wolfen, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur dar. Ein dritter Schwerpunkt richtet den Blick in die Zukunft: In vielfältigen Formaten setzen sich etwa internationale Künstler:innen der Bauhaus Study Rooms am letzten Festivalwochenende mit den industriellen Umbrüchen in Bitterfeld-Wolfen auseinander und fragen: Was kommt nach der Industrie? Mehr als 100 Künstler:innen, mehr als 70 Studierende sowie 30 Kulturinstitutionen beteiligen sich am Festivalprogramm, darunter neben Kitas, Schulen, Jugendclubs und Vereinen aus der Region etwa auch mehrere Kunsthochschulen und Theater, die Köthener Bachfesttage, die Stiftung Bauhaus Dessau, die Akademie der Künste Berlin und die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.

Während sich das erste Festival auf den Bitterfelder Kulturpalast konzentrierte, wird das Festival 2024 mehrere Orte der Industriekultur in Wolfen zur Bühne machen und ungewöhnliche Räume der Stadt im Areal zwischen der ehemaligen Werksfeuerwehr der Film- und Faserfabrik, die Festivalzentrum wird, dem Industrie- und Filmmuseum Wolfen, dem Rathaus Bitterfeld-Wolfen und dem ehemaligen Kino bespielen.[12]

Hinter dem Festival steht der Verein Kulturpark, der Kulturschaffende und Zivilgesellschaft in der Region Bitterfeld-Wolfen vernetzen und kulturelle Strukturen aufbauen möchte, wo die Grunderfahrung seit der Wiedervereinigung vielfach die des Rückbaus und der Schließung von Kultur ist.[13] Der Vereinsvorstand Aljoscha Begrich, Christine Leyerle und Ludwig Haugk, der die erste Ausgabe in 2022 künstlerisch geleitet hat, verantwortet und trägt das Festival auch in 2024 weiter. Die zweite Ausgabe leiten Aljoscha Begrich und Susanne Beyer. Am Programm dafür arbeiten Aljoscha Begrich, Anne Diestelkamp, Martin Naundorf und Christian Tschirner.[14]

Festival OSTEN, VON WOLFEN LERNEN und ORIGINAL WOLFEN werden gefördert durch das Land Sachsen-Anhalt, die Kulturstiftung des Bundes (gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien), die E.ON Stiftung, die Bundeszentrale für politische Bildung, LOTTO Sachsen-Anhalt und das Goethe Institut. Hauptsponsor ist die Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH, die Arbeit des Kulturpark e.V. von Anfang maßgeblich unterstützt hat. Weitere Sponsoren sind Autohaus Grimm, Filmotec GmbH, Jeske Media, Kino Wolfen Entwicklungsgesellschaft mbH, ORWO Net GmbH, SPLITTER – Manufaktur für Veranstaltungen, Stadtwerke Bitterfeld-Wolfen GmbH, Wohnungs- und Baugesellschaft Wolfen mbH und Wohnstättengenossenschaft Bitterfeld-Wolfen eG. Unterstützt wird das Festival durch die Stadt Bitterfeld-Wolfen und den Landkreis Anhalt-Bitterfeld.[15]

Ulrich Seidler: Komm aus deiner Blase, Kumpel! Ein Festival für Bitterfeld. In: Berliner Zeitung. 26. Juni 2022, abgerufen am 18. Mai 2024.

Janika Jähnisch: Kunstfestival Osten in Bitterfeld: Zeige deine Wunde. In: Monopol Magazin. 30. Juni 2022, abgerufen am 18. Mai 2024.

Vera De Wel: Das Werksorchester von Bitterfeld. In: ARD Tagesthemen. 8. Juli 2022, abgerufen am 18. Mai 2024.

Valerie Schönian: Der Osten in Großbuchstaben. In: DIE ZEIT. 14. Juli 2022, abgerufen am 18. Mai 2024.

Dennis Wagner: Ein Jahr im Palast. In: MDR KULTUR. 14. Juli 2022, abgerufen am 18. Mai 2024.

Einzelnachweise

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  1. [1] osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  2. Ausgerechnet Bitterfeld? Molekül – Das Chemieparkmagazin. Nr. 1, 2022, S. 10-12.
  3. Buna, Leuna-Werke & Co. – Das Chemiedreieck der DDR mdr.de. 25. November 2021, abgerufen am 19. Februar 2024.
  4. Umweltsünden in der DDR: "Bitteres aus Bitterfeld" mdr.de. 24. Oktober 2019, abgerufen am 19. Februar 2024.
  5. Silke Röbenack Der lange Weg zur Einheit – Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Ost- und Westdeutschland bpb.de. 15. Oktober 2020, abgerufen am 19. Februar 2024.
  6. Andre Damm Rings um Bitterfeld-Wolfen starten Technologie-Unternehmen durch mdr.de. 7. Juli 2023, abgerufen am 19. Februar 2024.
  7. Ausgerechnet Bitterfeld? Molekül – Das Chemieparkmagazin. Nr. 1, 2022, S. 10-12.
  8. osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  9. Greif‘ zur Feder, Kumpel. Bitterfelder Weg: zwischen Werkbank und Schreibmaschine ostkunstwest.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  10. OSTEN 2022 osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  11. osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  12. osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  13. [2] kultur-park.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  14. [3] osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.
  15. [4] osten-festival.de, abgerufen am 18. Mai 2024.

Kategorie:Festival Kategorie:Theater Kategorie:Ostdeutschland seit 1990