Lena Schilling

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Lena Schilling (2022)

Lena Schilling (* 8. Jänner 2001 in Wien[1]) ist eine österreichische Klimaaktivistin und Spitzenkandidatin der österreichischen Grünen für die Europawahl 2024.[2]

Leben

Schilling wuchs in einer „sozialistisch-kommunistischen Familie“[3] als einzige Tochter einer Sozialarbeiterin und eines Bankmanagers[4] auf. Sie nahm bereits im Alter von 4 Jahren mit ihren Eltern an Demonstrationen gegen die damalige schwarz-blaue Bundesregierung Schüssel II teil.[5] Sie besuchte an der HBLA Herbststraße den Kunstzweig. Nach der Matura begann sie an der Universität Wien das Studium der Politikwissenschaften.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde sie als Klimaaktivistin der Fridays-for-Future-Bewegung.[6][7][8] Als solche trat sie unter anderem 2019 auf dem Gemeindetag des Österreichischen Gemeindebundes neben dem Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin und dem Nationalratspräsidenten als Rednerin auf.[9] Seit Anfang 2020 ist Schilling nicht mehr bei Fridays for Future aktiv.[10]

Schilling ist Gründerin des Jugendrates,[11] der die Besetzung der Baustelle des Wiener Lobautunnels durchführte.[12][13] Die von ihr mitgeführten Proteste stellten laut Kleiner Zeitung „die größten Öko-Proteste seit der Besetzung der Hainburger Au[14] dar. Gemeinsam mit Veronika Bohrn Mena und Daniela Brodesser war Schilling die Sprecherin der „Initiative Lieferkettengesetz Österreich“. Auf FM4 wurde sie Anfang 2021 als „die vielleicht politisch aktivste junge Frau des Landes“ bezeichnet,[11] Ende 2021 nahm sie an einer bundesweit ausgestrahlten Podiumsdiskussion der Reihe „Im Zentrum“ teil.[15]

Im Jahr 2022 wirkte Schilling als Mitglied im Stiftungsbeirat der Gemeinwohlstiftung COMÚN und war dort auch Vorsitzende des Bewegungsfonds, aus dessen Mitteln zivilgesellschaftliche Initiativen gefördert werden.[16][17]

Von 1. Juni 2023 bis 19. Jänner 2024 schrieb sie die wöchentliche Kolumne Streitbar in der größten österreichischen Boulevardzeitung Kronen Zeitung.[18][19]

Bis zu ihrem Antreten als Spitzenkandidatin für die österreichischen Grünen für die Europawahl 2024 arbeitete Schilling laut eigener Aussage als Tanzlehrerin,[20][21] diese Berufsbezeichnung wurde neben „Autorin“ auch auf der Vorschlagsliste zur Europawahl angegeben.[22]

Politik

Am 22. Jänner 2024 wurde die zu dieser Zeit parteilose Lena Schilling von Bundessprecher Werner Kogler als Spitzenkandidatin der österreichischen Grünen für die Europawahl 2024 vorgestellt. Ihr erster Listenplatz wurde beim grünen Bundeskongress am 24. Februar in Graz von 96,6 Prozent der Delegierten bestätigt.[23][2]

Kontroversen

Am 7. Mai 2024 veröffentlichte Der Standard mehrere Vorwürfe gegen Schilling. So soll sie fälschlicherweise über das Ehepaar Bohrn Mena das Gerücht verbreitet haben, Veronika Bohrn Mena habe eine Fehlgeburt durch häusliche Gewalt von Sebastian Bohrn Mena erlitten. Eine gerichtliche Unterlassungserklärung dazu wurde von Schilling unterzeichnet, das Ehepaar fordert zudem in einer Anfang April eingebrachten Zivilklage den öffentlichen Widerruf der Aussagen.[24][25] In einem anderen Fall soll Schilling gegenüber Bekannten einem Journalisten eines privaten Medienunternehmens Belästigung vorgeworfen haben; eine interne Untersuchung des Unternehmens unter Vorlage der betroffenen Chats soll kein relevantes Fehlverhalten gefunden haben. Auch soll Schilling eine Liebesbeziehung zu einem Fernsehjournalisten frei erfunden und ihm Beziehungen mit anderen Grünen-Politikerinnen angedichtet haben. Weiters berichtete Der Standard von Aussagen ehemaliger aktivistischer Mitstreiterinnen Schillings, die ihr einen problematischen und manipulativen Umgang insbesondere mit jüngeren Aktivisten attestierten. Dies sei auch ein Grund gewesen, warum „sich Schilling vom Jugendrat und der Klimabewegung entfernt“ habe.[26][27][28]

In diesem Zusammenhang kamen Vorwürfe mit einem früheren Vorfall auf: Im Oktober 2023 trat der grüne Nationalratsabgeordnete Clemens Stammler zurück, nachdem er alkoholisiert einen Journalisten gewürgt hatte, der einer von Stammler vermeintlich belästigten jungen Frau zu Hilfe gekommen sei.[29] Dabei handelte es sich bei der von der Klubspitze gegenüber der Partei lediglich als „NGO-Mitarbeiterin“ bezeichneten Frau um Schilling. Stammler kritisierte, dass die Klubspitze daraufhin nicht die Belästigungsvorwürfe gegen ihn aufzuklären versucht habe, sondern bemüht gewesen sei, den Namen Schillings „aus der Geschichte zu halten“.[30][31][32][33]

Schilling mit Werner Kogler (2024)

Die Parteispitze der Grünen stellte sich am Tag nach der Veröffentlichung der ersten Vorwürfe hinter die Kandidatin und bezeichnete die Vorwürfe als Kampagne und „anonymes Gemurkse und Gefurze“;[34] für letztere Aussage entschuldigte sich Parteichef Werner Kogler später.[35] Die taz kritisierte das Krisenmanagement der Grünen und erklärte, dieses erinnere an „Demokratiefeinde“.[36]

Der Standard und Der Spiegel veröffentlichten am 21. Mai 2024 Berichte, wonach Schilling vor ihrer Nominierung „mit mehreren Personen aus ihrem Umfeld“ Überlegungen angestellt habe, nach der Wahl die Grünen zu verlassen und sich der Linksfraktion anzuschließen. Schilling widersprach, teilte mit, dass ein Beitritt zur Linksfraktion für sie „absolut ausgeschlossen“ sei[37][38] und beantragte die Mitgliedschaft bei den Grünen.[39]

Neben Kritik an den Grünen wurde auch die Berichterstattung über Schilling kritisiert. Manfred Perterer schrieb in den Salzburger Nachrichten vom „Verlust jeglicher Verhältnismäßigkeit“. Schilling würde „fertiggemacht wie eine Schwerverbrecherin.“[40] Florian Gasser schrieb in der Zeit: „Der Voyeurismus und die diebische Freude daran, dass sich eine Grüne, eine junge Frau noch dazu, vielleicht unmoralisch verhalten haben könnte, waren stärker als das journalistische Ethos und politische Spielregeln.“[41] Stefan Kappacher nannte die Berichterstattung „eine Grenzüberschreitung“ und beklagte die mangelnde Distanz zwischen Journalisten und Politikern in Österreich.[42] Ähnliches schrieb Andreas Koller: „Jäger und Gejagte gehören demselben Biotop an, sie verkehren in derselben Social-Media-Blase, sie kennen einander viel zu lange und viel zu gut, sie nutzen den EU-Wahlkampf zur konfliktreichen Familienaufstellung.“[43]

Publikationen

Weblinks

Commons: Lena Schilling – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Conny Bischofberger: Rettet man so das Weltklima, Frau Schilling? In: Kronen Zeitung. 6. Februar 2022, abgerufen am 28. November 2023.
  2. a b EU-Wahl: Lena Schilling wird grüne Spitzenkandidatin. In: orf.at. 22. Januar 2024, abgerufen am 22. Januar 2024.
  3. https://gruene.at/app/uploads/sites/1/2024/05/20240521_VollstaendigeAntwortenStandard.pdf
  4. Veronika Dolna: Der Wert der Natur: Lena Schilling führt die größten Öko-Proteste seit Jahrzehnten. 26. November 2021, abgerufen am 17. Dezember 2021.
  5. Lena Schilling: Studentin gegen Stadtstraße, derStandard.at vom 6. März 2022
  6. Cathren Landgesell: „Es ist Zeit, selbst etwas zu tun“, Wiener Zeitung vom 22. Februar 2018, abgerufen am 14. Dezember 2021.
  7. „Rettet das Klima“, sagt der Hausverstand: „Im Zentrum“ zur Klimakrise. Abgerufen am 17. Dezember 2021 (österreichisches Deutsch).
  8. Cathren Landsgesell: Future Challenge – „Es ist Zeit, selbst etwas zu tun.“ Abgerufen am 17. Dezember 2021.
  9. Helmut Reindl: Gemeinden sind die Konstante in der Republik, kommunal.at vom 1. Juli 2019, abgerufen am 14. Dezember 2021.
  10. Lena Schilling: Studentin gegen Stadtstraße. Abgerufen am 6. Mai 2024 (österreichisches Deutsch).
  11. a b Women in Protest: Wer ist Lena Schilling? 9. März 2021, abgerufen am 8. November 2021.
  12. Jugendrat droht: Wird Lobau-Tunnel gebaut, machen wir zweites Hainburg! Abgerufen am 8. November 2021.
  13. josef.gebhard: Warum eine 20-jährige Studentin die Lobau besetzen will. 5. Juni 2021, abgerufen am 8. November 2021.
  14. Veronika Dolna: Klima-Proteste: Die „Zuckergoscherlrevolutionärin“, die Baustellen lahm legt. 9. September 2021, abgerufen am 8. November 2021.
  15. „Im Zentrum“: Wie teuer muss Klimaschutz sein? Was die Energiewende uns alle kosten wird. Abgerufen am 17. Dezember 2021.
  16. Stiftung – Gemeinwohlstiftung COMÚN. Abgerufen am 18. Juni 2022.
  17. 3 Initiativen und 4 Fonds: Gemeinwohlstiftung COMÚN startet in Arbeitsjahr 2023. 31. Januar 2023, abgerufen am 31. Januar 2023.
  18. Lena Schilling ist das neue Gesicht in der „Krone“, krone.at, 1. Juni 2023, abgerufen am 5. Juni 2023.
  19. Lena Schilling | krone.at. Abgerufen am 5. Mai 2024.
  20. Lena Schilling: „Jetzt gehe ich dorthin, wo die Entscheidungen getroffen werden.“ Abgerufen am 5. Mai 2024.
  21. Interview: Aktivismus und Arbeitswelt: Wie geht das zusammen? derstandard.at vom 25. November 2022, abgerufen am 9. Mai 2024.
  22. BMI: Parteien die kandidieren, Bewerberinnen und Bewerber – Liste 4, BMI, Verlautbarung der Listen und Bewerberinnen und Bewerber der Europawahl 2024, abgerufen am 11. Mai 2024
  23. 24 02 2024 um 17:50 von Elisabeth Hofer: Die Grünen gehen mit Schilling in die EU-Wahl – und mit Sartre. 24. Februar 2024, abgerufen am 25. Februar 2024.
  24. Katharina Mittelstaedt Fabian Schmid: Was Schilling aufgrund der Klage droht – und was nicht. In: Der Standard. 15. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024 (österreichisches Deutsch).
  25. Walter Mayr, Oliver Das Gupta: Affäre Lena Schilling in Österreich: Wie die Grünen sich selbst und ihre Spitzenkandidatin demontieren. In: Der Spiegel. 16. Mai 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 23. Mai 2024]).
  26. Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid: Lena Schillings EU-Kandidatur gerät in Turbulenzen. In: derstandard.at. 7. Mai 2024, abgerufen am 7. Mai 2024.
  27. Oliver Das Gupta: Österreich: Grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling unter Druck. In: Der Spiegel. 7. Mai 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Mai 2024]).
  28. Fabian Schmid, Katharina Mittelstaedt: Worum es bei den Vorwürfen rund um Lena Schilling geht. In: Der Standard, 9. Mai 2024.
  29. gernot.bauer: Grün-Politiker tritt nach Belästigung und tätlichem Angriff zurück. In: profil.at. 25. Oktober 2023, abgerufen am 12. Mai 2024.
  30. Fabian Schmid, Katharina Mittelstaedt: Grüner Ex-Abgeordneter nach Belästigungsvorwurf durch Schilling: „Habe lange genug geschwiegen.“ In: Der Standard, 10. Mai 2024.
  31. bonavida.iris,miller.max: Grüne Grauzonen: Die Causa Schilling und ihre Folgen. 17. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  32. michael.hammerl: Belästigung? Was hinter dem Rücktritt von Ex-Grünen-Mandatar Stammler steckt. 10. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  33. "Es wurde alles getan, um Lena Schillings Namen aus der Geschichte zu halten". Abgerufen am 23. Mai 2024.
  34. 08 05 2024 Um 11:36: „Anonymes Gefurze“: Grünen-Spitze kritisiert Vorwürfe gegen Lena... 8. Mai 2024, abgerufen am 15. Mai 2024.
  35. Schilling erklärt sich ein wenig mehr zu Vorwürfen, Kogler entschuldigt sich. 17. Mai 2024, abgerufen am 19. Mai 2024 (österreichisches Deutsch).
  36. Lara Ritter: Vorwürfe gegen Österreichs EU-Kandidatin: Pfui-Bäh-Pups-Rhetorik. In: Die Tageszeitung: taz. 13. Mai 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 15. Mai 2024]).
  37. Grünen-Kandidatin Schilling überlegte, nach der EU-Wahl zu Linksfraktion zu wechseln, Der Standard, 21. Mai 2024.
  38. Die Spitzenkandidatin und ihr zwiespältiges Verhältnis zu den Grünen, Der Spiegel, 21. Mai 2024.
  39. Nach neuen Vorwürfen: Schilling jetzt Parteimitglied der Grünen. 22. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  40. Salzburger Nachrichten: Lena Schilling und der Verlust jeglicher Verhältnismäßigkeit. 22. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  41. Florian Gasser: Lena Schilling: Von der diebischen Freude am Privatleben einer jungen Frau. In: Die Zeit. 22. Mai 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 24. Mai 2024]).
  42. Widerruf der Stabilität - gehörtgebloggt - Kappachers Radioblog. 22. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024 (deutsch).
  43. Salzburger Nachrichten: Die Affäre Schilling ist ein Ausdruck mangelnder Distanz. 20. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.