Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt

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Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt, Edition von Max Friedlaender (um 1920)
Melodie

Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt ist ein tragikomisches Soldatenlied unbekannten Ursprungs.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Lied wird vielfach mit den napoleonischen Kriegen, speziell mit der Schlacht bei Preußisch Eylau (1807) in Verbindung gebracht.[1] Als frühester Beleg dafür gilt die Textfassung Preusch-Eilau ist ’ne schöne Stadt, die 1842 durch Rudolf Reusch überliefert ist.[2][3] Es sind etwa 60 Fassungen mit wechselnden Ortsnennungen dokumentiert, etwa Groß Glogau ist eine schöne Stadt (1875), Berlin ist eine wunderschöne Stadt (1892), Hannover (1892), Swinemünde, Kaiserslautern, Schleswig, Warschau und Zu Breslau.[4]

Als ältester Hinweis auf die Textfassung Lippe-Detmold gilt eine Erinnerung des Dichters Friedrich Wienke (1863–1930), der das Lied in seinen jungen Jahren um 1880 kennengelernst haben will.[5] In einem Roman aus dem Jahr 1888 ist diese Fassung als „alte[s], wohlbekannte[s] Lied“ zitiert.[6] Ein volkskundlicher Aufsatz von 1893 sieht das Lied als eine Variante des Soldatenlieds O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt.[7][8] Im Deutschen Liederhort (1893) fehlt das Lied. Max Friedlaender schreibt im Kommentarteil seines Deutschen Liederschatzes (um 1920), es sei „erst in den letzten Jahrzehnten bekannt geworden“,[9] also nicht lange vor 1900. Als Herkunftsregion von Text und Melodie gibt Friedlaender Westfalen an.[10] Seit der 10. Auflage 1913 steht es im Zupfgeigenhansl.[11][12] Zur Zeit des Ersten Weltkriegs war die mit Lippe-Detmold beginnende Fassung besonders populär.[4]

Die Melodie erscheint wohl erstmals 1883 in zwei Liederbüchern.[13] Johann Lewalter nahm 1892 irrig die Erstveröffentlichung der Melodie für sich in Anspruch, aufgezeichnet mit der Textfassung O Straßburg, eine wünderschöne Stadt und der Herkunftsangabe „aus Kassel“.[14] Sie weist Ähnlichkeiten mit dem Kaplied (1787)[15] von Christian Friedrich Daniel Schubart auf, das nach dem Zeugnis des Dichters Friedrich von Matthisson in allen „Volksklassen“ gesungen wurde.[16][17] Es stellt möglicherweise das Vorbild des Liedes dar.[18]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Text handelt von einem einzigen Soldaten in der „wunderschönen“ „großen Stadt“ „Lippe-Detmold“, der in den Krieg ziehen muss und dort vom ersten Schuss verletzt, vom zweiten Schuss getötet wird, vorher aber seinen Kameraden um einen Brief an seine Braut bittet. Den Schluss bildet die Klage des Generals, nicht mehr Krieg führen zu können, weil sein einziger Soldat tot sei. Das wird mit Alltagsausdrücken ohne strenges Versmaß und ohne Reime in komischem Gegensatz zum blutig-traurigen Geschehen beschrieben. Das Lied kann auch als Parodie auf die militärische Potenz deutscher Duodezfürstentümer aufgefasst werden.

Lippe-Detmold ist eine historische Bezeichnung für das Fürstentum Lippe und dessen Herrscherdynastie im Unterschied zu anderen Zweigen des Hauses Lippe;[19] als Bezeichnung für die Residenzstadt Detmold ist der Ausdruck eine ironische Kapriole.

Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt,
darinnen ein Soldat,
und der muß marschieren in den Krieg,
wo die Kanonen stehn.

Und als er in die große Stadt ’neinkam,
wohl vor des Hauptmanns Haus,
der Hauptmann schaut zum Fenster raus:
„Mein Sohn, bist du schon da?“

„Na, dann geh mal gleich zu deinem Feldwebel hin
und zieh den Blaurock an!
Denn du mußt marschieren in den Krieg,
wo die Kanonen stehn.“

Und als er in die große Schlacht rein kam,
da fiel der erste Schuß. (Bum! Bum!)
Ei, da liegt er nun und schreit so sehr,
weil er getroffen ist.

Ach Kamerad, lieber Kamerad mein,
schreibe du einen Schreibebrief,
schreibe du einen Brief an meine Braut,
daß ich getroffen bin.

Kaum als er diese Worte ausgesprochen hatte,
da fiel der zweite Schuß. (Bum! Bum!)
Ei da liegt er nun und schreit nicht mehr,
weil er erschossen ist.

Und als das der General erfuhr,
da rauft er sich den Bart:
„Womit soll ich führen meinen Krieg,
denn mein Soldat ist tot!“[10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karl Voretzsch: Zu den deutschen Volksliedern aus Böhmen und aus Niederhessen. In: Zeitschrift für Volkskunde. 3, 1891, S. 176–189, hier S. 182; Textarchiv – Internet Archive.
  • Johannes Künzig: Lieder der badischen Soldaten. Hrsg. im Auftrage des Badischen Volksliedausschusses. Ausgabe B (mit Anmerkungen) über Herkunft und Verbreitung der einzelnen Liedes, über seine Entwicklungsgeschichte und seine Vorkommen in der Literatur. Eichblatt, Leipzig 1927, OCLC 249667761, Nr. 6.
  • Karl Wehrhan: Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt. In: Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde. 11, 1933, ZDB-ID 203059-7, S. 81–94.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. so auch im Volksliederarchiv
  2. R. F. Reusch: Aberglaube und Volkslieder des Preußischen Samlandes (Fortsetzung). In: Preußische Provinzial-Blätter. 27, 1842, S. 460 f. (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  3. Otto Holzapfel: Liedverzeichnis: Die ältere deutschsprachige populäre Liedüberlieferung. Lieder L – Z., S. 28 f. = Update 2023 bei www.ebes-volksmusik.de.
  4. a b Wolfgang Steinitz: Der grosse Steinitz – Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Reprint in einem Band, Zweitausendeins, Frankfurt 1983, ISBN 3-88436-101-5, S. 444 f.
  5. Karl Wehrhan: Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt. In: Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde. 11, 1933, ZDB-ID 203059-7, S. 81–94, hier S. 88 f.
  6. Ewald von Wald-Zedtwitz: Der Fluch von Braneck. Otto Janke, Berlin 1888, S. 31; Digitalisat in der Google-Buchsuche.
  7. Karl Voretzsch: Zu den deutschen Volksliedern aus Böhmen und Niederhessen. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, Band 3, 1893, S. 176–189, hier: S. 182; Digitalisat in der Google-Buchsuche.
  8. O Straßburg, du wunderschöne Stadt. In: Alojado Liederarchiv. Abgerufen am 15. März 2024.
  9. Deutscher Liederschatz, Leipzig o. J., S. 318
  10. a b Deutscher Liederschatz, S. 216
  11. Hans Breuer (Hrsg.): Der Zupfgeigenhansl. 90. Auflage. Friedrich Hofmeister, Leipzig 1920, S. 186 f.; digital.ub.uni-duesseldorf.de.
  12. DeutschesLied.com
  13. Otfried Schambach: Liederhalle für Deutschlands Jugend. Bonde, Altenburg 1883, Nr. 55, sowie: Alfred Müller: Volkslieder aus dem Erzgebirge. Annaberg 1883, S. 22; Digitalisat in der Google-Buchsuche. Zitiert nach: Karl Wehrhan: Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt. In: Niederdeutsche Zeitschrift für Volkskunde. 11, 1933, ZDB-ID 203059-7, S. 81–94, hier S. 94.
  14. Johann Lewalter: Deutsche Volkslieder. In Niederhessen aus dem Munde des Volkes gesammelt, mit einfacher Klavierbegleitung, geschichtlichen und vergleichenden Anmerkungen. III. Heft. Gustav Fritzsche, Hamburg 1892, S. 34 f.; Textarchiv – Internet Archive.
  15. Auf auf ihr Brüder und seid stark (Das Kaplied). In: Volksliederarchiv (11.000 Lieder). Abgerufen am 15. März 2024.
  16. Friedrich von Matthisson: Erinnerungen. Zweytes Buch. In: Schriften. Band 3. Orell, Füßli & Co., Zürich 1825, S. 69 f.; Digitalisat in der Google-Buchsuche.
  17. Hartmut Schick: Schubart und seine Lieder. In: Christian Friedrich Daniel Schubart: Sämtliche Lieder (= Denkmäler der Musik in Baden-Württemberg. 8). Strube, München 2000, ISBN 3-921946-33-6, S. XV–XXXII, hier: S. XXIII; DOI:10.5282/ubm/epub.17479.
  18. Hans Christoph Worbs: Das große Buch vom deutschen Volkslied. Fackelträger, Hannover 1969, S. 234.
  19. vgl. Dokument über eine innerdynastische Auseinandersetzung 1739