Monotropie (Bindungstheorie)

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Monotropie bezeichnet die Annahme von John Bowlby aus den Anfängen der Bindungstheorie, dass Säuglinge nur in der Lage seien, eine exklusive einseitige – d. h. monotrope[1] – Bindung mit einer einzigen primären Bindungsperson einzugehen und dass dies normalerweise die Mutter sei. Bowlby gab die Annahme jedoch bald zugunsten einer moderateren Einstellung auf. Wissenschaftlich ist heute erwiesen, dass die Mutter nicht Hauptbindungsperson sein muss und bereits Säuglinge mehrere Bindungspersonen haben können. Dennoch wird die Bindungstheorie immer wieder herangezogen, um das westliche Leitbild exklusiver Mutterschaft zu stützen und Kinderbetreuung durch andere Personen als die Mutter (Alloparenting) zu kritisieren – innerhalb der Familie (Vater, Verwandte, Kindermädchen, Babysitter, Geschwister, Tagesmutter etc.) oder in Institutionen (Kindertagespflege, Kinderkrippe etc.).[2][3][4][5][6][7]

Obgleich die Monotropieannahme wissenschaftlich schnell widerlegt war, ist sie bis heute höchst einflussreich in der Fachdiskussion (Wissenschaft, Kindermedizin, Psychotherapie, Pädagogik etc.), in Elternratgebern, in Leitbildern von Elternschaft und in der öffentlichen Meinung.[7] Sie befördert auch den aktuellen Trend des 'Intensiven Bemutterns' (Intensive Mothering), in dem die Mutter die exklusive Bindungsperson ist.[8][9]

Die Perspektiven, Bedürfnisse, Erfahrungen und Probleme von Müttern selbst werden mit dieser Fokussierung auf das Kind weitgehend vernachlässigt und selten thematisiert.[7][10]

  • John Bowlby: The nature of a child’s tie to his mother, in: International Journal of Psycho-Analysis, 1958, 39, 350–373.
  • John Bowlby; Mary D. Salter Ainsworth: Child Care and the Growth of Love. 1965.
  • Heidi Keller: Mythos Bindungstheorie. Konzept, Methode, Bilanz. Weimar 2019.

Einzelnachweise

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  1. monotrop. In: DWDS. Abgerufen am 3. März 2021.
  2. John Bowlby: The nature of the child's tie to his mother. In: International Journal of Psycho-Analysis, 1958, 39, 350–373. 1958, abgerufen am 3. März 2021.
  3. John Bowlby, Mary D. Salter Ainsworth: Child Care and the Growth of Love. 1965.
  4. Monotropie. In: Lexikon der Biologie. Spektrum, abgerufen am 3. März 2021.
  5. Melanie Lerch: Die frühe Eltern-Kind-Beziehung in Elternratgebern. Relevanz und Analyse der Vermittlung von bindungstheoretischen Konzepten und Erkenntnissen der Eltern-Säuglings-Interaktionsforschung. Berlin 2015 (fu-berlin.de [PDF]).
  6. Heidi Keller: Mythos Bindungstheorie. Konzept, Methode, Bilanz. Weimar 2019, S. 55 f.
  7. a b c Michael Matzner: Vaterschaft aus der Sicht von Vätern. Subjektive Vaterschaftskonzepte und die soziale Praxis der Vaterschaft. Wiesbaden 2004, S. 91 ff.
  8. Sabine Diabaté, Samira Beringer: Simply the Best!? Kulturelle Einflussfaktoren zum „intensive mothering“ bei Müttern von Kleinkindern in Deutschland. In: Zeitschrift für Familienforschung. Band 30, Nr. 3, 2018.
  9. Linda Rose Ennis: Intensive Mothering: The Cultural Contradictions of Modern Motherhood. Bradford 2014.
  10. Desiree Waterstradt: Elternschaft als blinder Fleck. Herausforderungen auf dem Weg zu einer kritischen Elternschaftsforschung. In: Soziologische Revue. Band 41, Nr. 3, 2018, S. 400–418.