Collectio Avellana

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Die Collectio Avellana (Sigle oft „CA“) ist eine spätantike Sammlung von 244 Schreiben, vornehmlich kaiserlichen Reskripten und päpstlichen Briefen, aus der Zeit zwischen 367 und 553.

Entstehung, Inhalt, Überlieferung

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Die Avellana wurde kurz nach der Mitte des 6. Jahrhunderts, zwischen 556 und 561 kompiliert. Sie ist in zwei heute im Vatikan aufbewahrten hochmittelalterlichen Handschriften sowie neun deutlich jüngeren Abschriften erhalten. Die Sammlung hat ihren Namen von den Brüdern Pietro und Girolamo Ballerini nach dem Kloster S. Croce di Fonte Avellana in den Marken erhalten, der Bibliotheksheimat des ältesten Manuskriptes (Vat. lat. 4961). Otto Günther besorgte eine kritische Edition der Avellana, die 1895/98 in zwei Bänden erschien; sie ist bis heute die maßgebliche Ausgabe.

Die enthaltenen Dokumente sind wichtige, oft nur hier überlieferte Quellen der spätantiken Geschichte. Eröffnet wird die Sammlung mit einem – die Geschehnisse des Jahres 367 reflektierenden – Reskript des Kaisers Valentinian I. aus dem Jahr 368, geschlossen wird sie mit einem Brief von Papst Vigilius an Kaiser Justinian I. von 553. Die Schreiben sind nach Form, Inhalten und beteiligten Personen sehr vielfältig. Neben kaiserlichen Reskripten sind Berichte städtischer Präfekten enthalten, Briefe von Bischöfen und Korrespondenzen zwischen Kaisern und Päpsten.

Die Sammlung ist im Vergleich zu ihrer Bedeutung wenig erforscht. Soweit wissenschaftliche Untersuchungen sich der unsystematischen Ansammlung von Texten bisher angenommen haben, wird attestiert, dass die weltlichen und kirchlichen Spitzenrepräsentanten sich überwiegend mit kirchengeschichtlichen Fragen auseinandersetzen. Thematisiert sind vornehmlich kritische Fragen zu Glaubensabspaltungen und heterodoxen Weltanschauungen. Da sich nur wenige Wiederholungen zu anderen Akten finden lassen, wird davon ausgegangen, dass der Kompilator Lücken schließen wollte, die sich kraft Interpretation oder aus Grundlagenwerken wie dem Liber Pontificalis oder der kaiserlichen Reichsordnung nicht oder unzureichend nur beantworten ließen.

Übersicht über die Sammlung

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Einzelne Schreiben

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Valentinian I. legte in den Reskripten 6 bis 8 sowie 10 und 11 Zeugnis darüber ab, wem die Anredeform parens carissime atque amantissime gebührte.[1]

Kaiser Flavius Honorius setzte ausweislich der Briefe 21 bis 32 Achilleus von Spoleto 419 als Vorstand für die anstehenden Osterfeierlichkeiten in Rom ein, nachdem Bonifatius I. und Gegenkandidat Eulalius um den Bischofssitz stritten und der Stadt verwiesen werden mussten.[2]

Ausweislich der erhaltenen Handschriften wurde die Sammlung im hochmittelalterlichen Italien (wieder) rezipiert. Möglicherweise wurde sie auch von kanonischen Sammlungen, die um 1100 in Italien entstanden, als Vorlage verwendet.

Handschriften (Auswahl)

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Edition und (Teil-)Übersetzung

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  • Otto Günther: Epistulae Imperatorum Pontificum Aliorum inde ab a. CCCLXVII usque ad a. DLIII datae Avellana quae dicitur Collectio, 2 Bände (= CSEL 35), Prag u. a. 1895.
  • Frank Martin Ausbüttel: Streit um den Papstthron. Schismen in der Spätantike (= Texte zur Forschung. Band 114). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2022, ISBN 978-3-534-27524-3 (lateinisch-deutsche Ausgabe von 35 Dokumenten aus der Collectio Avellana).
  • Otto Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur. Band 5: Die letzte Periode der altkirchlichen Literatur mit Einschluss des ältesten armenischen Schrifttums. Herder, Freiburg 1932 (archive.org [abgerufen am 14. Juli 2022]). (Neu aufgelegt in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt 2007). Einschlägig v. a. § 52 (Die Päpste des 6. Jahrhunderts), S. 278–284
  • Otto Günther: Avellana-Studien (= Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Band 134/V). Gerold, Wien 1896 (archive.org [abgerufen am 3. Juni 2022]).
  • Detlev Jasper: The Beginning of the Decretal Tradition: Papal Letters from the Origin of the Genre Through the Pontificate of Stephen V. In: idem, Horst Fuhrmann (Hrsg.): Papal Letters in the Early Middle Ages (= History of Medieval Canon Law in the Middle Ages). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 2001, ISBN 0-8132-0919-6, S. 3–133, 83–85.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, ISBN 0-8132-0918-8, S. 37–38 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Mario Lauria: Avellana Collezione. In: Enciclopedia Italiana di scienze, lettere ed arti. Band 5. Rom 1932 (treccani.it [abgerufen am 13. Juli 2022]).
  • Friedrich Maassen: Geschichte der Quellen und der Literatur des canonischen Rechts im Abendlande bis zum Ausgange des Mittelalters. Vol. 1: Die Rechtssammlungen bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts. Leuschner & Lubensky, Graz 1870, S. 490–500 (digitale-sammlungen.de [abgerufen am 12. Mai 2022]).
  • Christoph Markschies: Collectio Avellana. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 3, Metzler, Stuttgart 1997, ISBN 3-476-01473-8, Sp. 65.
  • Rita Lizzi Testa, Giulia Marconi (Hrsg.): The Collectio Avellana and Its Revivals. Cambridge Scholars Publisher, Newcastle upon Tyne 2019, ISBN 978-1-5275-2755-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Commons: Collectio Avellana – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n. Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 43 Fußnote 66.
  2. Bärbel Dümler: Achilleus, Bischof von Spoleto. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 11. Herder, Freiburg im Breisgau 2001, Sp. 2.