Digitaler Binnenmarkt

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Der Digitale Binnenmarkt (englisch Digital Single Market) ist ein geplanter Wirtschaftsraum zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der hauptsächlich auf die Wirtschaftsbereiche Digitales und Telekommunikation ausgerichtet sein soll. Er stellt ein Programm der Digitalen Agenda für Europa zum Europäischen Binnenmarkt im Rahmen der Strategie Europa 2020 (EU 2020) dar.

Ziel und Nutzen

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Das Hauptziel des Digitalen Binnenmarktes der EU besteht darin, dass die europäische Wirtschaft im Digitalbereich wieder den Anschluss an die weit fortgeschrittenen Volkswirtschaften der USA, Japans und Südkoreas findet. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen ein besserer Zugang zu digitalen Waren und Dienstleistungen, bessere Rahmenbedingungen für digitale Netze und Dienstleistungen, eine stärkere Digitalisierung der Wirtschaft geschaffen und ein verstärkter Ausbau der digitalen Netze vorgenommen werden.

Durch die Beseitigung der Einzelmärkte in der EU und den Ersatz durch einen großen Binnenmarkt soll neben 3,8 Mio. neuen Arbeitsplätzen auch ein Anstieg der EU-Wirtschaftsleistung um 415 Milliarden Euro erreicht werden.[1]

In der EU ist inzwischen die Abhängigkeit von chinesischen Digitalprodukten weit verbreitet 76 Prozent der rumänischen, 59 Prozent der deutschen und 17 Prozent der französischen 5G-Funkzugangsnetze sind mithilfe chinesischer Komponenten bereitgestellt worden. In der Tschechischen Republik, Schweden oder den baltischen Staaten besteht hingegen keinerlei Abhängigkeit.[2]

Wenn sich demokratische Staaten gegenüber autoritären ihre demokratischen Normen als globalen Standard etablieren wollen, bedeutet dies folglich auch, ihre Industriepolitiken mit Digitalpolitiken eng zu verknüpfen.

Die Europäische Kommission legte am 6. Mai 2015 das Papier "Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa" (KOM(2015)192)[3] als Weiterentwicklung der Digitalen Agenda für Europa (KOM(2010)245) vor.[4]

Innerhalb der Europäischen Kommission war dafür der Vizepräsident und EU-Kommissar für Digitalen Binnenmarkt Andrus Ansip zuständig, der Anfang 2017 übergangsweise ebenfalls zuständiger EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft war.

Am 9. Dezember 2015 stellte der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger eine EU-Verordnung vor, nach welcher es Verbrauchern in der EU ermöglicht wird, Streamingdienste auch im EU-Ausland zu nutzen. Bisher konnte man diese Dienste meist nur im Heimatland des Nutzers abrufen, mit der geplanten Verordnung wird ein kostenfreier Abruf in allen EU-Ländern ermöglicht.[5]

Die Europäische Kommission leitete 2015 ein Kartellverfahren gegen Google wegen Vorwürfen der manipulierten Anzeige von Suchergebnissen ein. Das Urteil wurde 2022 vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. Google musste sein Geschäftsmodell anpassen und sucht bei der Weiterentwicklung seines Produktportfolios nun schon im Vorfeld Zugang zur Mitgestaltung europäischer Cyberpolitiken.[2]

Im EU-Großprojekt digitale Infrastruktur traten 2016 die NIS-Richtlinie, eine Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit, Anfang 2023 die überholte Fassung NIS-2-Richtlinie und als Ergänzung die CER-Richtlinie (Crititcal Entities Resilience) zum Schutz vulnerabler Infrastrukturen in Kraft.

Die seit 2018 anwendbare Datenschutzgrund­verordnung (DSGVO) stellt ein innovatives Regulierungsinstrument dar. Im Bereich des Großprojekts Cybersicherheit wurde 2019 mit der Erteilung eines dauerhaften Man­dats für die seit 2004 bestehende EU-Cybersicherheits­agentur (ENISA) ein wichtiger Integrationsschritt voll­zogen.

Die EU-Datenstrategie von 2020 will „den Austausch und die breite Nutzung von Daten kanalisieren und gleichzeitig hohe Datenschutz-, Sicherheits- und Ethik-Standards wahren“. Dem Papier zufolge ist das Ziel die Schaffung eines „Binnenmarkts für Daten“, in dem der Zugang zu öffentliche Daten erleichtert werden und in dem es für private Anbieter einfacher werden soll, vorhandene Daten mit Wissenschaft oder Forschung zu teilen.[6]

EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen forderte bei der Vorstellung der Digitalen Agenda für Europa 2020: „Das kommende Jahrzehnt muss Europas ,digital decade' sein“. Rund ein Fünftel des 750 Milliarden Euro großen Corona-Wiederaufbauplans sollen in die digitale Technik fließen. Dafür soll die europäische Industrie einen Mikroprozessor der neuen Generation entwickeln und eine europäische Cloud zur Datenspeicherung aufbauen.[7]

Zentral sind das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) sowie das Gesetz über digitale Dienste (Digital Ser­vices Act, DSA), die im Februar 2024 voll in Kraft traten. Das DMA soll Transparenz und Wettbewerbsgerechtigkeit entlang der Lieferkette erhöhen. Das DSA beinhaltet eine Pflicht zur Auskunft über die Speicherung und Kommerzialisierung von Nutzerdaten.[2]

Ende Mai 2024 verabschiedete die EU mit der KI-Verordnung die weltweit erste Regulierg dieser Art.[8] Sie soll sicherstellen, dass KI-Systeme möglichst transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sind. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die KI-Systeme von Menschen überwacht werden.

Einzelnachweise

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  1. Digitaler Binnenmarkt. (PDF; 270 KB) In: EU-Gemeinderäteinformation. Regionalverband Pongau, September 2015, archiviert vom Original am 11. März 2016; abgerufen am 29. November 2021.
  2. a b c Annegret Bendiek / Isabella Stürzer: Neofunktionalistische Mechanismen der digitalen Agenda: Von der Digitalmarkt­integration zur externen Wirkung euro­päischer Cyberpolitiken. In: Stand der Integration: Zehn zentrale politische Projekte der EU und wie sie die Union verändern. Raphael Bossong Nicolai von Ondarza, 16. April 2024, abgerufen am 10. Juni 2024.
  3. Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. COM(2015) 192 endg. {SWD(2015) 100 final}; nicht im Amtsblatt veröffentlicht (deutsche Fassung, auf EUR-Lex).
  4. Bundeskanzleramt Österreich: Digitaler Binnenmarkt / Digitale Agenda für Europa (Übersicht) (Memento vom 4. Februar 2016 im Internet Archive)
  5. Digitalpläne der EU-Kommission: Ein Problemchen jetzt, die Brocken später, Spiegel online, 9. Dezember 2015
  6. Karoline Meta Beisel: Im Angesicht der Gefahr. 19. Februar 2020, abgerufen am 10. Juni 2024.
  7. Hans-Peter Siebenhaar: EU ruft zur digitalen Aufholjagd auf. Handelsblatt, 16. Juni 2020, abgerufen am 10. Juni 2024.
  8. Einigung der EU-Staaten: KI-Gesetz ist endgültig beschlossen. Abgerufen am 10. Juni 2024.