Unter Dualität von Lp-Räumen, kurz Lp-Dualität, versteht man eine Reihe von Sätzen aus dem mathematischen Gebiet der Funktionalanalysis, die sich mit den Dualräumen von Lp-Räumen beschäftigen, wobei
eine reelle Zahl ist. Die wesentliche Aussage lautet, dass Dualräume von Lp-Räumen wieder von dieser Art sind, nämlich Lq-Räume, wobei
sein muss. Das heißt, in einprägsamer Form gilt
.
Es sei
der sogenannte zu
konjugierte Exponent, das heißt diejenige Zahl
, für die
gilt. Dies ist äquivalent mit
. Ist weiter
ein Maßraum, dann kann man die Banachräume
und
über dem Körper
bilden, wobei
für
oder
steht. Wie üblich werden fast überall übereinstimmende Funktionen ohne weitere Hinweise identifiziert, um eine umständliche Sprech- und Schreibweise über Äquivalenzklassen von Funktionen zu vermeiden.
Nach der Hölderschen Ungleichung gilt
für alle
,
wobei
die Norm auf dem Lp-Raum bezeichnet und entsprechend
. Diese Abschätzung zeigt, dass
![{\displaystyle T_{g}\colon L^{p}(X,{\mathcal {A}},\mu )\rightarrow \mathbb {K} ,\quad f\mapsto \int _{X}fg\,\mathrm {d} \mu }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d0e4817ccb008e2d39d3254e0d3be7b080423d69)
ein beschränktes lineares Funktional auf
, also ein Element des Dualraums
ist, mit
. Mit Hilfe des Satzes von Radon-Nikodým kann man zeigen, dass jedes beschränkte lineare Funktional auf
von dieser Form ist und dass für die Normen sogar Gleichheit gilt. Man hat daher folgenden Satz[1][2]:
- Es seien
ein Maßraum und
. Dann ist die Abbildung
![{\displaystyle T:L^{q}(X,{\mathcal {A}},\mu )\rightarrow L^{p}(X,{\mathcal {A}},\mu )\,',\quad g\mapsto T_{g},\quad T_{g}(f):=\int _{X}fg\,\mathrm {d} \mu }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/576387d2996b2a3be680065276911535792cfe3d)
- ein isometrischer Isomorphismus.
Genau dieser Isomorphismus ist gemeint, wenn man kurz
schreibt.
Da
und
ja in einer symmetrischen Beziehung zueinander stehen, ergibt sich aus diesem Satz sofort
.
Verwendet man die im Satz angegebenen Isomorphismen, so erkennt man, dass es sich hier um die kanonische Einbettung von
in seinen Bidualraum handelt. Die Lp-Räume sind für
also reflexiv.
Obiger Satz, der manchmal nicht ganz korrekt als Satz von Riesz zitiert wird, hat mehrere Väter. Der bereits 1907 bewiesene Hilbertraum-Fall
geht auf M. Fréchet zurück.[3] Das Einheitsintervall steht hier für den Maßraum [0,1] mit der Borelschen σ-Algebra und dem auf [0,1] eingeschränkten Lebesgue-Maß. Die Verallgemeinerung dieses Ergebnisses auf beliebige Hilberträume ist auch als Darstellungssatz von Fréchet-Riesz (oder Rieszscher Darstellungssatz) bekannt.
F. Riesz hat drei Jahre später den Fall
für
bewiesen.[4] Das wurde dann von O. M. Nikodým auf den Fall endlicher Maßräume verallgemeinert.[5] Der allgemeinste Fall eines beliebigen Maßraums wurde schließlich 1950 von E. J. McShane behandelt.[6]
Ein sehr einfacher Spezialfall sind die Folgenräume
, die man erhält, wenn man
und für
das Zählmaß nimmt. Die Elemente aus
werden als Folgen
geschrieben, wobei eine solche Folge für die
-Funktion
steht. Für die Dualität zwischen
und
erhält man an Stelle obiger Integrale eine Summe:
für alle
und
.
Diese Aussage kann auch ohne maßtheoretischen Aufwand bewiesen werden.
Ein entsprechender Satz über den Dualraum von L1-Räumen gilt nicht in voller Allgemeinheit. Bildet man den zu 1 konjugierten Exponenten, so muss man
nehmen. H. Steinhaus konnte 1919 in der Tat
![{\displaystyle L^{1}([0,1])\,'\cong L^{\infty }([0,1])}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5fb76d5548778ff0379887b39a0f3e28a0407f94)
zeigen, wobei die isometrische Isomorphie durch den zum oben definierten Operator
analogen Operator vermittelt wird.[7]
Die zusätzliche Schwierigkeit besteht letztlich darin, dass die auftretenden Räume, von trivialen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr reflexiv sind. Es lässt sich aber noch folgender Satz zeigen:[8][9]
- Es sei
ein
-endlicher Maßraum. Dann ist die Abbildung
![{\displaystyle T:L^{\infty }(X,{\mathcal {A}},\mu )\rightarrow L^{1}(X,{\mathcal {A}},\mu )\,',\quad g\mapsto T_{g},\quad T_{g}(f):=\int _{X}fg\mathrm {d} \mu }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c27fdf1a1387341f5a8cf566cf2fb4640a1f0849)
- ein isometrischer Isomorphismus.
Auf die zusätzliche Voraussetzung der
-Endlichkeit des Maßraums kann nicht verzichtet werden. Betrachtet man zum Beispiel auf
die
-Algebra
derjenigen Mengen, die abzählbar sind oder deren Komplement abzählbar ist, und als Maß
das Zählmaß, so ist
der Raum aller Funktionen
, die höchstens an abzählbar vielen Stellen von null verschieden sind und für die
gilt. Offenbar ist durch
ein beschränktes lineares Funktional auf
definiert. Wäre dieses von der Form
für ein
, so müsste
konstant gleich 1 auf
und konstant gleich 0 auf
sein. Eine solche Funktion ist aber nicht
-messbar. Daher kann in diesem Beispiel die im Satz beschriebene Isomorphie nicht bestehen.
Es gibt aber eine wichtige Situation, die auch gewisse nicht-
-endliche Maßräume umfasst, in der man dennoch zu einem befriedigenden Resultat kommt, nämlich die der lokalkompakten Gruppen. In der harmonischen Analyse ist folgender Satz wichtig[10]:
- Es seien
eine lokalkompakte Gruppe,
die Borelsche
-Algebra auf
und
ein reguläres Borelmaß auf
. Dann ist
![{\displaystyle T\colon L^{\infty }(G,{\mathcal {B}},\mu )\rightarrow L^{1}(G,{\mathcal {B}},\mu )\,',\quad g\mapsto T_{g},\quad T_{g}(f):=\int _{G}fg\,\mathrm {d} \mu }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/62147d566cffe45c62783eaf633faa84feb53d24)
- ein isometrischer Isomorphismus.
Dabei heißt das Maß
regulär, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:
für alle kompakten Teilmengen
,
für alle offenen Teilmengen
,
für alle Borelmengen
.
Der Satz gilt also insbesondere auch für das Haarsche Maß auf
, das heißt, man kann den Dualraum der Gruppenalgebra
auch für nicht-
-endliche Gruppen durch obigen Satz beschreiben.
Für
ist Lp(X,A,μ) zwar kein normierter Raum, aber immerhin ein vollständiger topologischer Vektorraum[11][12] mit der Quasinorm
![{\displaystyle N_{p}\,:\,L^{p}\left(X,{\mathcal {A}},\mu \right)\,\rightarrow \,\mathbb {R} \;,\qquad N_{p}\left(f\right):=\left(\int _{X}\left|f\right|^{p}\mathrm {d} \mu \right)^{\frac {1}{p}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f056f87e63dfbf73198003034b03eac861ec69bd)
bzw. der Pseudonorm oder Fréchet-Metrik
![{\displaystyle \varrho _{p}\,:\,L^{p}\left(X,{\mathcal {A}},\mu \right)\,\rightarrow \,\mathbb {R} \;,\qquad \varrho _{p}\left(f\right):=\left(N_{p}\left(f\right)\right)^{p}=\int _{X}\left|f\right|^{p}\mathrm {d} \mu \;.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/75db1ab63404ee676e965717d17004b4d6df99ec)
Diese Räume sind im Allgemeinen nicht lokalkonvex, der Satz von Hahn-Banach also im Allgemeinen nicht anwendbar, sodass es möglicherweise „sehr wenige“ lineare stetige Funktionale gibt. Insbesondere ist nicht gesichert, dass die schwache Topologie auf
Punkte trennen kann.
Prototypisch ist das Beispiel
mit der Borel-Algebra
über dem Intervall
und dem Borel-Lebesgue-Maß
. Hier sind die einzigen konvexen offenen Mengen die leere Menge
und der gesamte Raum
selbst.[11][13][14] Da Urbilder konvexer offener Mengen in
unter einem linearen stetigen Funktional konvexe offene Mengen in
sind, folgt, dass das Nullfunktional das einzige lineare stetige Funktional ist. Der Dualraum ist somit trivial:
.
Insbesondere ist in diesem Raum die Aussage des Trennungssatzes nicht gültig, da sich keine zwei Punkte durch eine abgeschlossene Hyperebene trennen lassen. Die schwache Topologie auf
ist indiskret.
Es gibt aber auch weniger extreme Beispiele, wie die Folgenräume
mit dem Zählmaß
. Diese Räume besitzen zwar nichttriviale absolutkonvexe offene Mengen, aber nicht genug um eine Nullumgebungsbasis zu bilden: Da jede konvexe offene Menge in
unbeschränkt ist, sind auch die
nicht lokalkonvex.[15] Trotzdem gibt es „viele“ lineare stetige Funktionale. Es gilt nämlich für
:
![{\displaystyle \left(\ell ^{p}\right)'=\left(\ell ^{1}\right)'=\ell ^{\infty }\;.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f22d980978e0093e41fd9e23aa30aa84fea02c4a)
Die Inklusion „
“ sieht man leicht, denn für
und
gilt:
![{\displaystyle \left|\sum \limits _{k\in \mathbb {N} }x_{k}\,y_{k}\right|\leq \left(\sum \limits _{k\in \mathbb {N} }\left|x_{k}\right|\right)\,\left(\sup \limits _{k\in \mathbb {N} }\left|y_{k}\right|\right)\leq N_{p}\left(x\right)\,\left\|y\right\|_{\infty }\;.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1524b8b313e48967e8f0712441e052b4fffef269)
Für
,
und
das Zählmaß, also
mit der
-Quasinorm, ist die Topologie auf diesem Raum sogar mit der üblichen Topologie des
identisch, da es auf jedem endlichdimensionalen reellen oder komplexen Vektorraum genau eine Hausdorff-Topologie gibt, die den Raum zu einem topologischen Vektorraum macht.[16] Obwohl die Kugeln in der erzeugenden Quasinorm nicht konvex sind, erzeugt diese eine lokalkonvexe Topologie:
![{\displaystyle n^{1-{\frac {1}{p}}}\,N_{p}\left(x\right)\leq \left\|x\right\|_{1}\leq N_{p}\left(x\right)\;.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9fe005ea2a09a35e7afa62821d99fc8cbddf0fc0)
Der Satz von Hahn-Banach ist anwendbar und der Dualraum wieder
, wie im euklidischen bzw. unitären Fall. Die schwache Topologie ist aus den gleichen Gründen wie oben mit der
-Quasinormtopologie sowie der üblichen Topologie identisch.
Ist neben dem Maßraum
noch ein Banachraum
gegeben, so kann man den Raum
aller
-messbaren Funktionen
, für die das Integral
endlich ist, bilden, wobei wie üblich fast überall übereinstimmende Funktionen identifiziert werden (siehe auch Bochner-Integral). Die Norm
![{\displaystyle \|f\|_{p}:=\left(\int _{X}\|f(x)\|^{p}\,\mathrm {d} \mu (x)\right)^{\frac {1}{p}}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3f76055b8e1f962630eea00873882c9542b292df)
macht
zu einem Banachraum. Sind nun
und
, so kann man
![{\displaystyle \int _{X}gf\,\mathrm {d} \mu =\int _{X}\underbrace {g(x)} _{\in E\,'}(\underbrace {f(x)} _{\in E})\,\mathrm {d} \mu (x)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1d532a0c8d266570bbf7b8551cfedb0d0859ed3c)
bilden, und es gilt:
.
Man erhält daher wieder eine Abbildung
![{\displaystyle T\colon L^{q}(X,{\mathcal {A}},\mu ,E\,')\rightarrow L^{p}(X,{\mathcal {A}},\mu ,E)\,'}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/60ff9c17903778f921ce61f9f840da37dc63600c)
und man kann folgenden Satz zeigen[17]:
- Sind
ein Maßraum,
ein separabler, reflexiver Banachraum und
sowie
der zu
konjugierte Exponent, so ist
![{\displaystyle T\colon L^{q}(X,{\mathcal {A}},\mu ,E\,')\rightarrow L^{p}(X,{\mathcal {A}},\mu ,E)\,',\,g\mapsto T_{g},\,T_{g}(f)=\int _{X}gf\,\mathrm {d} \mu }](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/7220b70e840333f70f43da43902b2314d6691094)
- ein isometrischer Isomorphismus.
Es gilt also die erwartete und leicht einprägsame Formel
.
Es sei eine Folge
positiver Zahlen, sogenannter Gewichte, gegeben. Der zugehörige gewichtete
-Raum ist der Folgenraum
![{\displaystyle \ell ^{p}(w):=\left\{(a_{n})_{n}\left|\,\textstyle \sum \limits _{n\in \mathbb {N} }|a_{n}|^{p}w_{n}^{p}<\infty \right.\right\}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/408b31526bac53e47b484e8c4e33808932ba7542)
mit der Norm
.
Dies ist nichts anderes als der Raum
, wobei das Maß
durch
definiert ist. Wendet man darauf obigen Satz über die Lp-Dualität an, erhält man einen isometrischen Isomorphismus
.
In der Theorie der Folgenräume betrachtet man aber lieber eine durch den Ausdruck
gegebene Dualität, das heißt, man möchte die Faktoren
vermeiden. Dazu muss man von der Folge
zur Folge
übergehen. Da
, gilt
,
wobei
für die aus den Kehrwerten der
gebildete Folge von Gewichten steht. Man erhält also einen isometrischen Isomorphismus
.
Kombiniert man diesen mit obigem isometrischen Isomorphismus
, so gelangt man zu[18]:
- Es seien
eine Folge von Gewichten,
und
der zu
konjugierte Exponent. Dann ist
![{\displaystyle S\colon \ell ^{q}\left({\tfrac {1}{w}}\right)\rightarrow \ell ^{p}(w)\,',\ b=(b_{n})_{n}\mapsto S_{b},\ S_{b}((a_{n})_{n})=\sum _{n\in \mathbb {N} }a_{n}b_{n}}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/37d3109cfbb0323d892e847ef2dec506f1bf353b)
- ein isometrischer Isomorphismus.
Dieser isometrische Isomorphismus ist gemeint, wenn man
![{\displaystyle \ell ^{p}(w)\,'\cong \ell ^{q}\left({\tfrac {1}{w}}\right)}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/1caf10bffb72a39e1f8c9d009def756f28ca9508)
schreibt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass dieser nicht der isometrische Isomorphismus aus dem allgemeinen Satz über Lp-Dualität ist, außer wenn alle Gewichte gleich 1 sind.
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- ↑ Dunford, Schwartz: Linear Operators, Part I, General Theory. ISBN 0-471-60848-3, Kapitel IV.8, Theorem 1
- ↑ M. Fréchet: Sur les ensembles de fonctions et les opérations linéares, C. R. Acad Sci Paris 144 (1907), Seiten 1414–1416
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- ↑ O. M. Nikodým :Contribution à la théorie des fonctionelles linéaires en connexion avec la théorie de la mesure des ensembles abstraits, Mathematica Cluj 5 (1931), Seiten 130–141
- ↑ E. J. McShane: Linear functionals on certain Banach spaces, Proc Amer. Math. Soc. 1 (1950), Seiten 401-408
- ↑ H. Steinhaus: Additive und stetige Funktionaloperationen, Math. Zeitschrift 5 (1919), Seiten 186–221
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- ↑ Dunford, Schwartz: Linear Operators, Part I, General Theory. ISBN 0-471-60848-3, Kapitel IV.8, Theorem 5
- ↑ Donald L. Cohn: Measure Theory. Birkhäuser, Boston 1980, ISBN 3-7643-3003-1, Theorem 9.4.8
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