Original Play

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Original Play (deutsch „Ursprüngliches Spiel“) ist ein wissenschaftlich nicht anerkanntes Spielkonzept, das in den 1970ern von O. Fred Donaldson erfunden wurde.

Der Trägerverein International Foundation for Original Play wurde 2018 von Jolanta Graczykowska, der „einzigen autorisierten Vertreterin und Koordinatorin von Original Play für Europa seit 2002“, gegründet und als Non-Profit-Organisation in Polen registriert. In Österreich gibt es seit 2015 den Verein „Original Play Österreich – von Herzen spielen“. Verein und Stiftung bieten für Menschen, die mit Kindern arbeiten, aber auch „Interessierte“ Workshops, Seminare und Vorträge in mehreren Ländern Europas an.[1]

Das Logo wird aus zwei größeren blauen abstrakten Figuren und einer kleineren gebildet, die um ein rotes kleines Herz angeordnet sind und selbst spiralherzförmig ineinander verschlungen sind. Dazu gibt es noch Varianten, in welchen eine einzelne blaue Figur mit einem Herz abgebildet ist, die die jeweilige Nationalflaggen der Länderversion der Website tragen.

Erwachsene agieren „spielerisch“ mit nichtverwandten und -bekannten Jugendlichen und Kindern, aber auch laut Eigenangaben anderen Erwachsenen, in engem Körperkontakt vorzugsweise auf dem Boden: sich herumwälzen, aufeinander reiten, kuscheln oder anderweitig physisch aktiv werden. Die Initiative dazu soll laut Donaldson vom Kind bzw. Gegenüber des Original-Play-Spielleiters ausgehen. Kinder und Jugendliche können vom Spielleiter auch aktiv aufgefordert werden, mitzumachen und dann selbst entscheiden, ob sie teilnehmen wollen.

Donaldson unterscheidet „Original Play“ als ursprüngliches Spiel, in dem sich Erwachsene Kindern anpassen, von „cultural play“, das Kindern beigebracht werde, um sie an die Kultur der Erwachsenen anzupassen.[2]

Das Konzept soll laut Eigenangabe Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (mit und ohne Beeinträchtigungen) helfen, instinktiv zu spielen, dabei friedlich Freude und Vertrauen zum Ausdruck zu bringen, statt um einen Sieg zu kämpfen, und ihren Körper genauer kennenzulernen.[3] Durch Original Play solle ein psychologischer und physiologischer Prozess in Gang gesetzt werden, der eine Kombination aus kognitivem, emotionalem und sensorisch-motorischem Lernen ermögliche.[4] So erlebe das Individuum eine Zugehörigkeit zur Gruppe ohne Angst und Konkurrenz.

Jeder kann sich gegen eine Gebühr als Spielleiter bewerben. Eine Prüfung auf Straffälligkeit oder anderweitige Auffälligkeiten findet nicht statt.

Spielbeteiligte

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Seinen eigenen Angaben zufolge hat Donaldson die Methode weltweit mit Kindern und Wildtieren angewandt. Auf der Homepage wird dazu ausgeführt: „Seine Spielgefährt*innen sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, Bandenmitglieder, Flüchtlinge und Straßenkinder, Gefängnisinsass*innen, Krebspatient*innen, Delfine, Wale, Löwen, Grizzlybären, Wölfe, Paviane und Schmetterlinge.“[5] Bild- und Filmnachweise zu Donaldsons Aktivitäten belegen jedoch nur ein Interagieren mit Kindern bis zu einem Alter der Frühpubertät.

Original Play wird auf ausgelegten Matten gespielt. Spielzeuge kommen nicht zum Einsatz, es wird nur körperlich agiert. Es gibt nur zwei Spielregeln:

  • Die Teilnehmer werden vom Spielleiter eingeladen und sollen jedes Mal selbst entscheiden, ob sie auf die Matten kommen und ob bzw. wie sie in Kontakt treten.
  • Zweimaliges Klatschen des Spielleiters bedeutet, dass die oft nur einige Sekunden oder wenige Minuten dauernde Spieleinheit zu Ende ist und die Teilnehmer wieder zurück an ihren Platz gehen.

Eine Spieleinheit dauert nach Vereinsangabe je nach Alter der Teilnehmer und Gruppengröße zwischen 30 und 60 Minuten. Benötigt werde dazu ein ca. 50 m² großer Raum und ca. 10 m² Turnmatten für die Spielfläche.[6]

Die Kritik an Original Play betrifft:

  • die bruchstückhafte Biographie Donaldsons, perpetuierte falsche Angaben über Expertise und Auszeichnungen, die aber von ihm nie öffentlich korrigiert wurden
  • die fehlende pädagogische Evidenz des Verfahrens, deren Grundlagen und Erfolge sich hauptsächlich nur aus den Eigenangaben von Erfinder und Verein speisen
  • die angegebene fehlende Kontrolle der Interessenten, die ohne Überprüfung gegen Gebühr zum Spielleiter ausgebildet werden, um anschließend ihnen unbekannten Kindern und Jugendlichen zugeführt zu werden, mit denen sie dann körperlich nah agieren

Expertenurteile

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  • Die Diplom-Psychologin Fabienne Becker-Stoll, Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik, warnt vor Original Play.[7] Die Methode sei wissenschaftlich und entwicklungsbiologisch nicht fundiert und laufe Grundbedürfnissen von Kindern zuwider; ihre Einführung an manchen Einrichtungen sei fahrlässig und naiv. Gesund entwickelte Kinder suchten keinen Körperkontakt mit Fremden, und es sei klar, dass es in dieser Konstellation eine Dominanz der Erwachsenen gebe.[8] Original Play sei nicht nur in fachlicher Hinsicht grober Unfug und entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage, sondern sehe für sie auch aus wie eine Einladung für Pädophile.[9]
  • Der Bildungswissenschaftler Wilfried Datler bezeichnet es als problematisch, dass vermittelt werde, dass es wünschenswert sei, innerhalb kürzester Zeit mit zunächst fremden Personen in solch einen intimen Kontakt zu kommen. Körperbetontes Spiel sei wichtig, aber mit Vertrauenspersonen wie den Eltern.
  • Die Psychologin Michaela Huber hält Buch und Methode Donaldsons für höchst unwissenschaftlich. Eine im Buch beschriebene Szene erinnere sie an pädokriminelle Videos. Das, was da propagiert werde, sei nahe an Pädophilie und werbe dafür, dass Kinder keine Grenzen haben sollen.[10]
  • Der österreichische Pädagoge und Psychologe Josef Christian Aigner möchte die Methode oder Gruppe nicht verteidigen, hält aber schwerwiegende Vorverurteilungen des Vereins für überzogen. Vor allem bemängelt er an der Diskussion, dass Männer in pädagogischen Berufen mit Kindern und pädagogisch beabsichtigter Körperkontakt pauschal mitverdächtigt und vorverurteilt würden.[16]
  • Susanne Viernickel, die an der Universität Leipzig das Fach Pädagogik der frühen Kindheit lehrt, lehnt Körperkontakt von Kindern mit Fremden, die keine Bezugspersonen wie Eltern und Erzieher sind, ab. Sie äußerte: „Diese Methode suggeriert Kindern: Es ist okay, wenn fremde Personen Körperkontakt bei ihnen suchen.“

Verbote von Original Play

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  • In Niederösterreich wurde auf Weisung der Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister ein vorläufiges Verbot erlassen, solche Angebote in Bildungseinrichtungen zu praktizieren; auch die Stadt Wien empfiehlt Schulen und Kindergärten, auf die Zusammenarbeit mit Original Play bis auf Weiteres zu verzichten. Ebenso stellte der Verein Österreichische Kinderfreunde vorerst die Kooperation mit Original Play ein.[17] Damit entsprechen sie einer Verbotsforderung des Kinderpsychiaters Karl Heinz Brisch.[18]
  • Im Oktober 2019 verbot das Bundesland Brandenburg das Durchführen von Original Play in Kindertagesstätten des Landes.[19] Zuvor hatte auch Berlin ein solches Verbot beschlossen.[20] Auch in Rheinland-Pfalz wurde die Ausführung von Original Play an Kindertagesstätten des Landes im Oktober 2019 mit einem Verbot belegt.[21]
  • Mitte November 2019 haben auch Bayern und Bremen die Durchführung von Original Play in Kindergärten und Kindertagesstätten untersagt.[22][23]
  • In einem Artikel auf Spiegel Online wurden im November 2019 zusätzliche Überlegungen und Argumente pro und contra angeführt. Die Sozialbehörde in Hamburg riet von einer Anwendung von Original Play ausdrücklich ab und der Kinderschutzbund tritt für ein bundesweites Verbot von Original Play in Deutschland ein.
  • Steve Heitzer musste im Oktober 2019 nach Protesten ein Original-Play-Seminar absagen, das er im November 2019 als Kooperationspartner des Veranstalters CORDAT im bayerischen Regensburg durchführen wollte.[24]

Kritik am Verbot von Original Play

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  • Der Wirtschaftsredakteur András Szigetvari äußerte am 7. November 2019 in einem Kommentar in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, dass er das bundesweite Verbot der Bildungsministerin Iris Rauskala für „Bundesschulen, weiter mit diesem Verein zusammenzuarbeiten“ für „plausibel vertretbar“ halte, „schließlich haben bisher weder der Verein noch irgendein namhafter Entwicklungspsychologe schlüssig und auf Basis wissenschaftlicher Arbeiten erklärt, welchen einzigartigen pädagogische Mehrwert Original Play hat.“ Er kritisierte allerdings, dass „der Eindruck erweckt“ werde, „Original Play ziehe lauter Pädophile an, denen es leicht gemacht wird, Kinder zu missbrauchen“, was „sich kein unbescholtener Mensch gefallen lassen“ müsse, und nannte das eine „maßlose Debatte“.[25]
  • Der Titel eines Kommentars von Heike Klovert im Bildungsressort von Spiegel Online[26] lautet: Warum es falsch ist, Original Play zu verbieten. Klovert führte aus: „Kinder sollen sich geborgen fühlen. Und gleichzeitig sollen sie lernen, dass sie selbst bestimmen dürfen, ob sie Körperkontakt möchten. Die Trainer, die Original Play einsetzen, wollen ihnen genau das vermitteln.“[27]

Reaktion des Vereins

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In einer vom Verein initiierten Pressekonferenz wurden einige österreichische Medienhäuser am 13. November 2019 zu einem Gedankenaustausch eingeladen.[28]

  • Fred Donaldson: Playing by heart, Health Communications, 1993, ISBN 978-1-558742-53-6
    • Fred Donaldson: Von Herzen spielen: Die Grundlagen des ursprünglichen Spiels. Arbor-Verlag, Freiamt im Schwarzwald 2004. ISBN 978-3-936855-12-8 (aus dem Amerikanischen von Karin Petersen)
  • Fred Donaldson: Playing For Real: Re-Playing The Game of Life, Eigenverlag, 2017, ISBN 978-0-692885-86-4

Einzelnachweise

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  1. Original Play Veranstaltungen. In: Originalplay.at. Abgerufen am 30. November 2019.
  2. Katherine T. Ratliffe: Clinical Pediatric Physical Therapy: A Guide for the Physical Therapy Team. Mosby, 1998. S. 58.
  3. Una Stannard: A Few Kind Words About Hate: The Dark Side of Family Life and the Bible. GermainBooks, 2006. S. 202ff.
  4. Was ist Original Play? (Selbstdarstellung der Original Play Stiftung). Abgerufen am 23. November 2019.
  5. über mich (Selbstdarstellung der Original Play Stiftung zu Fred Donaldson), abgerufen am 30. November 2019
  6. Verein „Original Play Österreich - von Herzen spielen“ (Selbstdarstellung). Abgerufen am 23. November 2019.
  7. "Original Play": Unter Verdacht, Die Zeit, 6. November 2019
  8. Bente Lubahn: Unter Verdacht, Die Zeit 46, 7. November 2019, S. 42
  9. Original Play:"Wie eine Einladung für Pädophile", sueddeutsche.de, 14. November 2019
  10. „Irritierendes“ Spiel mit Kindern, ORF.at, 24. Oktober 2019
  11. Heike Klovert: Kritik an Kita-Methode "Original Play": Berlin erwägt Verbot. In: Spiegel Online. 25. Oktober 2019, abgerufen am 15. Mai 2020.
  12. Original Play: Trauma-Expertin nennt Kita-Angebot "nahe dran an Pädophilie", Focus.de, 27. Oktober 2019
  13. Vorwürfe gegen Verein: „Irritierendes“ Spiel mit Kindern. In: ORF. 24. Oktober 2019, abgerufen am 22. November 2019.
  14. a b Evangelische Kirche warnt vor Kita-Spiel "Original Play", evangelisch.de, 30. Oktober 2019
  15. Gabriele Scherndl: "Missbrauchsvorwürfe. Original Play: Wenn Fremde zum Raufen kommen". In: Der Standard. 30. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.
  16. Josef Christian Aigner: Debatte über Verein Original Play: Viel Lärm um das Falsche? In: apps.derstandard.at. Der Standard, 12. November 2019, abgerufen am 18. November 2019.
  17. Kurier.at: "Original Play" darf in Niederösterreich nicht mehr tätig sein. 29. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.
  18. Kurier: "Verstörende Spiele: Lädt Verein zum "Kindesmissbrauch" ein?" 24. Oktober 2019, abgerufen am 19. März 2018.
  19. Auch Brandenburg verbietet umstrittenes Kita-Spiel. Abgerufen am 2. November 2019.
  20. Berliner Senat verbietet umstrittenes Kita-Spiel "Original Play". Abgerufen am 2. November 2019.
  21. Umstrittene Spielmethode in Kitas: In Rheinland-Pfalz untersagt, rheinpfalz.de, 7. November 2019
  22. Original Play: "Wie eine Einladung für Pädophile", sueddeutsche.de, 14. November 2019
  23. Original Play: Umstrittene Spielmethode ist in Bremen verboten, Weser-Kurier, 15. November 2019
  24. Nach Missbrauchs-Vorwürfen: "Original-Play"-Kurse abgesagt, br.de, 28. November 2019
  25. András Szigetvari: Kommentar: Original Play: Maßlose Debatte: Mit Generalverdächtigungen in der Debatte zu operieren ist falsch und verunsichert bloß Eltern, Der Standard, 7. November 2019
  26. Heike Kovert, spiegel.de
  27. Heike Klovert: Umstrittene Spielmethode in Kitas: Warum es falsch ist, Original Play zu verbieten, 12. November 2019
  28. Gabriele Scherndl: Missbrauchsvorwürfe: "Spielerisches Raufen": Original Play geht in die Offensive, Der Standard, 13. November 2019
  29. Apa\/herbert Pfarrhofer: "Original Play" für größten unwissenschaftlichen Unfug... In: diepresse.com. 9. Dezember 2019, abgerufen am 15. Mai 2020.