Hans-Jürgen Rose

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hans-Jürgen Rose (* 31. Oktober 1961 in Wolfen;[1]8. Dezember 1997 in Dessau[2]) war ein Mann, der an schwersten inneren Verletzungen starb, wenige Stunden nachdem er aus dem Polizeirevier Dessau in Sachsen-Anhalt entlassen worden war.[3]

Der Maschinenbauingenieur Hans-Jürgen Rose wurde in der Nacht des 6. auf den 7. Dezember 1997 von der Polizei aufgegriffen, weil er unter Alkoholeinfluss Auto gefahren war, und um 03:35 Uhr aus dem Polizeirevier Dessau entlassen.[4] Am 7. Dezember 1997 wurde er am frühen Morgen um 05:06 Uhr schwer verletzt unweit des Polizeireviers in der Wolfgangstraße Nr. 15, vor dem Treppenaufgang des Hauses in hilfloser Lage aufgefunden.[4] Er hatte schwerste innere Verletzungen, u. a. einen Lungenabriss und eine Lendenwirbelzerschmetterung.[4][5] Er starb am nächsten Tag im Krankenhaus an den Folgen dieser Verletzungen.[3] Im Krankenhaus brachte man seine Verletzungen zunächst mit einem Verkehrsunfall in Verbindung; am Auffindeort gab es aber keine Spuren eines Verkehrsunfalls.[4]

Der Allgemeinmediziner Claus Metz, der Akten zu Rose gesichtet hatte, äußerte die Vermutung, Rose könne in einem hinteren Gebäudeteil des Dessauer Polizeireviers an eine Säule gefesselt und mit Stahlknüppeln gefoltert worden sein.[6] Schon nach Aussagen von Rechtsmedizinern der Rechtsmedizin Halle, die Roses Leiche 1998 untersucht hatten, entsprach die Schwere von Roses Verletzungen dem, was „bei einem Sturz aus größerer Höhe zu erwarten gewesen wäre“.[2] Vermutlich sei Rose an dem Auffindeort außerhalb des Polizeireviers, an dem er von einem Passanten aufgefunden wurde, platziert worden.[6]

Die Ursache für Roses Tod ist bis heute offiziell ungeklärt. Ein Ermittlungsverfahren wurde am 17. Oktober 2002 eingestellt. Rund zehn Jahre später tauchte der Name Hans-Jürgen Rose eher zufällig im Prozess um den Tod von Oury Jalloh auf der gleichen Wache auf. Da ein Zusammenhang zwischen den Fällen möglich schien, wurde unter dem Druck der Öffentlichkeit durch die Staatsanwaltschaft im Februar 2013 das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen und ohne weiterführende Erkenntnisse am 28. Februar 2014 erneut eingestellt.[7]

Bekanntheit erlangte der Fall 2020, parallel zu dem Todesfall von Mario Bichtemann, im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall von Oury Jalloh, der im selben Polizeirevier starb, aus dem Rose kurz vor seinem Tod entlassen worden war.[8] Auch in diesem Fall war der Polizeibeamte Andreas S. Dienststellenleiter.

Das Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt behauptete Anfang 2018, zu Roses Tod lägen keine polizeilichen Erkenntnisse mehr vor, weder in schriftlicher noch in digitaler Form.[9] Der Sonderbericht zum ungeklärten Todesfall Jallohs (Stand August 2020) widerspricht dieser Darstellung. Die Akten zu dem Fall seien vollständig vorhanden.[7]

Anfang 2024 erstattete Roses Familie Anzeige wegen Mordes gegen vier Polizeibeamte aus Dessau.[10][11] Im März 2024 erstattete die Initiative Recherche Zentrum beim Generalbundesanwalt ebenfalls Anzeige wegen Mordes.[12]

Die Anzeigen erfolgten, nachdem neue Erkenntnisse vorliegen. Offenbar wurden Unterlagen zum Tathergang in der Nacht 1997 manipuliert. Das Logbuch der Polizeiwache, den sogenannten Lagefilm in dem eingehende Anrufe, Einsätze und Aufenthalte auf der Wache protokolliert werden, wurde demnach verändert. Der renommierte britische Schriftgutachter John Welch stellte in einem Gutachten fest: „Die Unkenntlichmachung einiger Einträge ist offensichtlich: Es gibt Hinweise auf andere Änderungen, die heimlich vorgenommen wurden.“ Insbesondere die Zeiten, die Rose betreffen, seien laut Welch wahrscheinlich nachträglich manipuliert worden.[13]

Polizeirevier Dessau

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Roses Tod ist nicht der einzige Fall, der im Zusammenhang mit der Polizeiwache Dessau steht. 2002 wurde Mario Bichtemann in seiner Zelle tot aufgefunden. Die Ursache: Schädelbasisbruch.[14] In derselben Arrestzelle des Reviers verbrannte drei Jahre später, 2005 Oury Jalloh, gefesselt an Händen und Füßen. Die Polizeibeamten behaupten, er habe sich selbst angezündet.

In allen drei Fällen standen Polizisten des Polizeireviers Dessau der Polizei Sachsen-Anhalt im Fokus. Alle drei Fälle konnten nie vollständig aufgeklärt werden.[14][13]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Ermittlungsakten Hans-Jürgen Rose. In: FragDenStaat. Abgerufen am 12. Mai 2024.
  2. a b Christian Jakob: Expertise im Fall Oury Jalloh. In: taz. Abgerufen am 7. Juni 2020.
  3. a b Prüfvermerk der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zu den Ermittlungen zum Todesfall Ouri Jallow(sic!), anonymisierte Presse-Ausgabe, 2018
  4. a b c d Prüfvermerk der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg zu den Ermittlungen zum Todesfall Ouri Jallow. 29. November 2018, abgerufen am 4. April 2021.
  5. Manuskript zu „Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau–Chronik eines deutschen Skandals.“
  6. a b Sebasian Bähr: Der Oury-Jalloh-Komplex. In: neues-deutschland.de. 23. Oktober 2018, abgerufen am 4. April 2021.
  7. a b Sonderbericht im Fall Oury Jalloh, beauftragt durch den Landtag von Sachsen-Anhalt, von Jerzy Montag und Manfred Nötzel vom 26. August 2020
  8. Der Fall Oury Jalloh: Neue Vorwürfe gegen die Polizei. In: Deutsche Welle. Abgerufen am 7. Juni 2020.
  9. Christian Jakob: Und weg sind die Akten. In: taz. Abgerufen am 7. Juni 2020.
  10. https://taz.de/Polizeigewalt-in-Dessau/!5998023/
  11. Kaveh Kooroshy, Anna Isabel Schwarzer und Carla Spangenberg RBB: Polizeirevier Dessau - Ein neuer Fall Oury Jalloh? Abgerufen am 1. Juni 2024.
  12. faz.net: Neue Anschuldigungen gegen Dessauer Polizisten (28. März 2024)
  13. a b Kaveh Kooroshy, Anna Isabel Schwarzer und Carla Spangenberg RBB: Polizeirevier Dessau - Ein neuer Fall Oury Jalloh? Abgerufen am 1. Juni 2024.
  14. a b Christian Jakob: Polizeigewalt in Dessau: Sein Name war Rose. In: Die Tageszeitung: taz. 28. März 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 1. Juni 2024]).