Manfred Gerner

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Manfred Gerner (* 12. März 1939 in Haan) ist ein deutscher Architekt und Denkmalpfleger. Er gilt als internationaler Experte für Fachwerkbauten.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gerner wurde als Sohn eines Zimmermeisters geboren und lernte zunächst das Zimmererhandwerk,[1] bevor er von 1959 bis 1963 Architektur studierte. Nach Abschluss seines Studiums als Diplomingenieur für Hochbau arbeitete er im Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main. Bis 1972 baute er zahlreiche Kindertagesstätten und Schulen. Zudem war an der Restaurierung historischer Gebäude, darunter dem Kaiserdom St. Bartholomäus beteiligt. Im Jahr 1975 wurde Gerner wissenschaftlicher Mitarbeiter des Referats Denkmalpflege in Frankfurt am Main. Bis 1980 widmete er sich dabei umfassend dem Fachwerkbau.

Von 1981 bis 2000 war Gerner Leiter des Deutschen Zentrums für Handwerk und Denkmalpflege – Propstei Johannesberg (ZHD) in Fulda, das sich zum Kompetenzzentrum für die Restauratorenausbildung im Handwerk entwickelte,[2] jedoch 2001 Insolvenz anmeldete.[3] Im Jahr 1983 wurde er als Sachverständiger für Fachwerkinstandsetzung vereidigt. Bereits ab 1980 war Gerner an Hochschulen auch international als Gastdozent tätig, übernahm Lehraufträge und Seminare. Ab 1991[4] war er Dozent an der Fachhochschule Erfurt und wurde dort Ende 1997[4] zum Honorarpofessor[5] bestellt; er lehrte dort im Fachbereich Architektur, Institut für konstruktives Entwerfen, das Fach Bausanierungstechnik.[4] 2009 wurde er emeritiert.[6]

Nach 2000 arbeitete Gerner als Leiter der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda[7] und betreibt seit 2004 ein eigenes Beraterbüro, das sich mit Fachwerkbauten beschäftigt. Gerner war bis 2013 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte[8] und seit 2013 ist deren Präsident.[9] Im Rahmen der Arbeit bei der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte war er Initiator von Projekten wie Fachwerk macht Schule und der Fachwerktriennale.[10]

Gerner unternahm ab 1962 zahlreiche Reisen und Expeditionen unter anderem nach Tibet, Nepal und vor allem Bhutan, wo er unter anderem vergleichende Architekturuntersuchungen durchführte. Er zählt „zu den besten Kennern der traditionellen Architektur und Handwerkskunst nicht nur in Bhutan, sondern im gesamten Himalayaraum“.[11] Im Jahr 2003 wählte ihn die Deutsche Bhutan-Himalaya-Gesellschaft zu ihrem Präsidenten.

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fachwerkhaus Schellgasse 8 in Frankfurt am Main, im Kern dendrochronologisch datiert auf 1291/92

Gerner gilt als „einer der profiliertesten Fachwerkspezialisten Deutschlands“.[12] Der auch als „Fachwerkpapst“[13] bezeichnete Gerner legte mehr als 250 Fachwerkbauten frei bzw. sanierte sie. Zudem gelang ihm 1979 der Nachweis des gotischen Fachwerkhauses Schellgasse 8 in Frankfurt am Main von 1291/92 als eines der ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands.[14][15] Nach der politischen Wende von 1989 lag ein Fokus seiner Arbeit auf den Umgebindehäusern im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechische Republik, die er in das Bewusstsein der Denkmalpflege rückte und durch Restaurierungsmaßnahmen bekannt machte. Mit Landeskonservator Gottfried Kiesow prägte Gerner wesentlich „die Entwicklung der Denkmalpflege und Handwerkerfortbildung in der damaligen Bundesrepublik“.[13] Als Denkmalpfleger setzte sich Gerner unter anderem erfolgreich für die Bewahrung des Königsberger Doms ein.

Gerner ist Autor zahlreicher Publikationen zu Fachwerk und Fachwerkforschung, Holzbau und Denkmalpflege. Sein 1979 erschienenes Standardwerk Fachwerk. Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung erschien 1998 in 8. Auflage. Zudem verfasste er mehrere Bücher über die Architektur in Europa und vor allem Asien.

Für Kontroversen sorgte Manfred Gerners im Jahr 2003 erschienenes Buch Formen, Schmuck und Symbolik im Fachwerkbau, in dem er Erklärungen bestimmter Teile des Fachwerks unmittelbar (durch Anmerkungen und Literaturhinweise nachgewiesen) aus einer Ausbildungsschrift der NSDAP bzw. des SS-Ahnenerbes übernommen hatte.[16] Der Vorwurf lautete, dass Gerner „völkisch-ideologisch geprägte Deutungen von Strebenfiguren an neuzeitlichen Fachwerkbauten als ‚Runen‘ [übernahm], wie sie zuletzt von NS-Forschern wie Karl Theodor Weigel in den 1930er-Jahren vertreten wurden.“[17] Öffentlich kritisiert wurde Gerner dabei u. a. von dem Fachwerkexperten und Kunsthistoriker G. Ulrich Großmann, was Der Spiegel aufgriff[18] und zu Rechtsstreitigkeiten führte. Infolgedessen nahm der Fraunhofer IRB-Verlag das Buch 2004 vom Markt.[16]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für seine Fachwerkforschung und den Aufbau des Deutschen Zentrums für Handwerk und Denkmalpflege (ZHD) wurde Gerner 1984 mit dem deutschen Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Im Jahr 1993 erhielt er den Hessischen Denkmalschutzpreis und wurde im Folgejahr zum Mitglied der Hessischen Akademie der Forschung und Planung im Ländlichen Raum berufen. Gerner erhielt 1996 das Kant-Diplom der Universität und Kant-Gesellschaft Kaliningrad/Russland. Im Jahr 1997 wurde ihm das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.[9]

Im Jahr 2011 brachte Bhutan eine Briefmarke auf den Markt, die neben dem Rathaus Duderstadt auch Manfred Gerner zeigt.[19] Im Jahr 2014 folgte eine Briefmarke, die als Motiv das Stellmacherhaus in Zgorzelec und Manfred Gerner zeigt.[20]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Instandsetzen und Erhalten historischer Häuser: individuelles Wohnen und Denkmalschutz. Bauverlag, Wiesbaden 1978, ISBN 3-7625-0812-7. Neuausgabe: Historische Häuser erhalten und instandsetzen. Augustusverlag, Augsburg 1990, ISBN 3-8043-2490-8.
  • Fachwerk. Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-02475-8. (8. Auflage 1998)
  • Bhutan: Kultur und Religion im Land der Drachenkönige. Verlag Indoculture, Stuttgart 1981, ISBN 3-921948-05-3.
  • Fachwerksünden. Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz, Geschäftsstelle beim Bundesminister des Innern, Bonn 1986, ISBN 3-922153-03-8.
  • Architekturen im Himalaja. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-02587-8.
  • Handwerkliche Holzverbindungen der Zimmerer. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1992, ISBN 3-421-03027-8.
  • Umgebindesünden, mit Adrian Hehl. Fulda: Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Osnabrück: Deutsche Bundesstiftung Umwelt, 1994, DNB 942480805.
  • Umgebindekonstruktionen im Dreiländereck Polen, Tschechien und Deutschland sowie in Russland, Tibet und China: ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte von Umgebindekonstruktionen aus technischer Sicht. Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Fulda 1995, ISBN 3-931991-06-7.
  • Abbundzeichen: Zimmererzeichen und Bauforschung. Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Fulda 1996, ISBN 3-931991-09-1.
  • Handwerk und Denkmalpflege in Hessen, mit Karin Grösch und Gerwin Stein. Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Propstei Johannesberg, Fulda 1996, ISBN 3-931991-06-7.
  • Fachwerklexikon: Handbuch für Fachwerk und Holzkonstruktionen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1997, ISBN 3-421-03146-0.
  • Werner von Ursel: Hochmeister des Deutschen Ordens und Chronik von Niederursel. Deutsches Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege, Propstei Johannesberg, Fulda 1998, ISBN 3-931991-20-2.
  • Friedhofskultur. Hohenheim-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-89850-051-9.
  • Formen, Schmuck und Symbolik im Fachwerkbau. Fraunhofer-IRB-Verl., Stuttgart 2003, ISBN 3-8167-6354-5.
  • Fachwerk: Entwicklung, Instandsetzung, Neubau. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-03575-2.
  • Rathaus Duderstadt, die Sanierung 2000–2008. Verlag Mecke, Duderstadt 2010, ISBN 978-3-86944-025-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurzbiografie von Manfred Gerner auf randomhouse.de (Memento vom 21. April 2015 im Internet Archive)
  2. Gabriele Angelstein: Mit dem Roten Bau Eindruck gemacht. Deutschland-Preis von Europa Nostra. In: Frankfurter Rundschau, 18. April 1997, S. 28.
  3. Martin Angelstein: Aufbauspritze fürs marode Gebälk. Zentrum für Handwerk und Denkmalpflege sucht nach Geld, um Existenz zu sichern. In: Frankfurter Rundschau, 5. September 2001, S. 35.
  4. a b c M. Gerner zum Professor bestellt. In: bm-online.de. 1. September 1998, abgerufen am 25. Mai 2024.
  5. Roland Hahn, Pressestelle: Honorarprofessur. In: idw-online.de. 30. Mai 2001, abgerufen am 25. Mai 2024.
  6. Diana Wetzestein: Abschied ins neue Amt. In: journal.fachwerkagentur.de. 23. Mai 2014, abgerufen am 24. Mai 2024.
  7. Ostheimer Fachwerk kritisch betrachtet. In: Frankfurter Neue Presse, 12. April 2003, S. 21.
  8. Durch sechs Bundesländer – 25 Jahre Deutsche Fachwerkstraße. Oberhessische Zeitung, 12. Januar 2015.
  9. a b Vorstand - Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e.V. Abgerufen am 30. April 2024.
  10. Festvortrag über Alsfelder Rathaus. In: Oberhessische Zeitung, 28. April 2012.
  11. Profil von Manfred Gerner auf bhutan-gesellschaft.de
  12. Drachenhaut schützt vor Blitzen. Fachwerk-Experte lobt Altstadt. In: Nassauische Neue Presse, 24. Februar 2007, S. 3.
  13. a b Abschied ins neue Amt. journal.fachwerkagentur.de, 23. Mai 2014 (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive).
  14. G. Ulrich Grossmann: Dendrochronologie in der hessischen Hausforschung 1975–1980. In: Beiträge zur Hausforschung (BzHsF), Jg. 3, 1983, S. 77–105 (Digitalisat), hier S. 88.
  15. Manfred Gerner: Das Fachwerkhaus Frankfurt-Sachsenhausen, Schellgasse 8 (1291-92). In: Jahrbuch für Hausforschung, Bd. 32 (1981) S. 367-375
  16. a b G. Ulrich Großmann: Runen und Fachwerk. In: gnm.de. 2007, abgerufen am 25. Mai 2024 (Darstellung der Kontroverse aus der Sicht Großmanns mit zahlreichen Details).
  17. Andreas Klöppel: Fachwerksymbolik ideologisch gedeutet. In: Leipziger-Volkszeitung, 25. Mai 2010, S. 21.
  18. Gezänk ums Gebälk. In: Der Spiegel. Nr. 10, 2004, S. 169 (online1. März 2004).
  19. Erik Westermann: Fachwerk-Liebesgrüße vom Dach der Welt. goettinger-tageblatt.de, 21. Januar 2011.
  20. Zgorzelecer Stellmacherhaus ziert Briefmarke im Himalaya. In: Sächsische Zeitung, 4. März 2014, S. 18.