Otto Zollinger

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Otto Zollinger (* 6. Mai 1886 in Fällanden; † 22. April 1970 in Zürich-Adliswil) war ein Schweizer Architekt, der von 1924 bis 1944 in Saarbrücken arbeitete. Schöpfer des Restaurantbegriffs "Mövenpick".

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1903–1907 machte Otto Zollinger eine Zeichner-Lehre im angesehenen Zürcher Architekturbüro Chiodera und Tschudy. Bereits im Alter von 24 Jahren eröffnete er sein eigenes Architekturbüro in Zürich, obwohl er keine eigentliche Architekturausbildung absolvierte und sich zeitlebens als Autodidakt bezeichnete. In dieser Anfangszeit betätigte sich Zollinger nicht nur als Architekt, sondern auch als Innenarchitekt bzw. Möbeldesigner und vereinzelt als Bühnenbildner für das Schauspielhaus Zürich und sogar als Choreograph für Feuerwerke an Seenachtsfesten der Stadt Zürich.

Ab 1910 tat Otto Zollinger sich hervor mit einer beträchtlichen Anzahl von zum Teil exklusiven Wohnbauten und Villen in Zürich, die durchwegs dem Geschmack seiner Zeit, dem Heimatstil und dem neuklassizistischen Stil, verpflichtet waren. Und im deutschen Rheinland vollführte er 1910 den Ausbau der mittelalterlichen Wasserburg Schloss Hülchrath, welche heute noch als exklusive Eventlocation besteht.

Schon 1912 beteiligte sich Zollinger am Wettbewerb für ein Schweizer Nationaldenkmal in Schwyz. Die Gesamtgestaltung seines prämierten Beitrages wurde dann aber nicht für eine weitere Bearbeitung ausgewählt. Erfolgreicher war er 1922 mit dem ersten Platz im Wettbewerb für das Wehrmänner-Denkmal auf der Forch für die im Aktivdienst gestorbenen Wehrmänner des Kantons Zürich.

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg stagnierte die schweizerische Volkswirtschaft, es mangelte an Bauaufträgen. Am Zeltweg in Zürich, wo sich sein Büro befand, verkaufte Zollinger auch Einrichtungsgegenstände von Künstlern und betrieb eine Kunstschule. Seit 1920 war er Mitglied im Schweizer Werkbund, einer Vereinigung von Architekten.

Otto Zollinger selbst bezeichnete es als einen Zufall, dass seine Aufmerksamkeit in dieser Zeit auf das Saargebiet fiel, das nach dem Krieg auf 15 Jahre vom Deutschen Reich abgetrennt und durch den Völkerbund verwaltet wurde. 1924 eröffnete er sein Architekturbüro in Saarbrücken. An seinem neuen Wohnort Saarbrücken war er nicht minder erfolgreich. Er beschäftigte sich mit diversen Innenausbauten im Stil des Art déco – in erster Linie private Villen und dann auch Geschäftshäuser für Mode und Schuhe. Zollingers Architektur entwickelte nun hin zu einer gemässigten Moderne im Sinne des Neuen Bauens, mitunter näherten sich seine Entwürfe auch der radikalen Linie des Bauhauses an. Interessant aus dieser Zeit ist das Haus der Arbeiterwohlfahrt 1930, welches das einzige Gebäude dieser Art in Saarbrücken blieb, bevor es im Krieg stark beschädigt und später verändert wieder instand gestellt wurde.

Eigentlich bezeichnet das Jahr 1929 einen Wendepunk im Werk von Otto Zollinger. Der Einfluss der Moderne manifestiert sich nicht nur bei der Villa Streiff in Küsnacht, sondern auch beim Seebad in Vevey-Corseaux im gleichen Jahr und beim Kursaal Lido in Ascona 1930, welche er von Saarbrücken aus realisierte und heute noch bestehen, teilweise unter Denkmalschutz. Weitere private Wohnhäuser im Stil Neues Bauen aus jener Zeit stehen heute noch in Ensdorf bei Saarbrücken und in Metz. Ein imposantes Hauptwerk war die 1933 ausgeführte Erweiterung der Walsheim-Brauerei nähe Saarbrücken. Sie galt damals als die modernste Brauerei der Region. Das dominante Kellerhochhaus und den markanten Malzturm ordnen einige Autoren dem Stil Bauhaus zu. Kurz vor dem Krieg erfolgte die Enteignung der Brauerei durch das Nazi-Regime. Ein französischer Beschuss im Krieg verursachte erhebliche Schäden und später erfolgte dann der Abbruch.

Zu jener Zeit baute die Walsheim-Brauerei auch ein Netz an Schnellgaststätten auf um den eigenen Bierausschank zu fördern. Sowohl für diese Brauerei als auch für andere Bauherren realisierte Zollinger in vielen solchen Gaststätten für die urbane Bevölkerung im Saarland und in Lothringen den Innenausbau in einem Art déco-ähnlichen Stil. Diese Gaststätten wurden dann auch zum Grundstein für seine späteren Aufträge bei den Mövenpick-Restaurants in der Schweiz.

Innenraumgestaltungen und Möbelentwürfe wurden zu einem wichtigen Betätigungsfeld. In den von Zollinger zu jener Zeit entworfenen Häusern, welche die Formenspraches vom Stil Neues Bauen zeigten, gelang ihm nicht nur die Uebereinstimmung von Raum und Inneneinrichtung, sondern auch die mit dem gesamten Bau: Innen und Aussen bildeten eine Einheit. Da alles aus jener Zeit nur mit Schwarzweiss-Fotos dokumentiert ist, muss man sich die grosse farbliche Vielfalt durch die Farbbeschreibungen Zollingers oder in den Fachzeitschriften vorstellen.

Während Zollingers Saarbrückner Zeit entwarf Zollinger viele leider nicht realisierte Grossprojekte für Hotels in Ascona, Cannes, Split und andernorts.

1945, nach dem Krieg, kehrte Zollinger zurück nach Zürich. Von 1948 bis 1958 war Mövenpick eine sehr wichtige Schaffensphase. Für Ueli Prager erfand er einerseits den Namen Mövenpick und andererseits war er verantwortlich für die Architektur der Innenausbauten und Inneneinrichtungen in Zürich, Luzern und Bern, welche damals in der Schweiz neuartig, einzigartig und richtungsweisend waren. Auch hier ist ausser den Schwarzweiss-Fotos nichts mehr sichtbar – die Gastronomie muss sich stets dem Wandel der Zeit anpassen um erfolgreich zu bleiben.

Zollinger wurde am 6.5.1886 in Fällanden geboren, Name und Beruf des Vaters sind unbekannt, die Mutter, Anna Zollinger, war Näherin. Nach ihrem frühen Tod erzog ihn der Dorfpfarrer – deshalb vielleicht seine Sensibilität für Kirchenprojekte, welche aber alle nicht realisiert wurden: Solothurn 1916, Arbon 1921, Dietikon 1923, Saarbrücken 1926. Es waren alle fast kathedralenartige Projekte und von den Kirchgemeinden vermutlich als zu gross oder unpassend empfunden. Wenigsten durfte er die Kirche seines Geburtsortes Fällanden 1920 renovieren.

Im Jahre 1908 heiratete er Anna Ida Dättwiler und aus dieser Ehe stammten eine Tochter und ein Sohn, beide blieben kinderlos.

1919 heiratete er Freda Streiff. Aus dieser Ehe stammt die Tochter Elian. Freda Zollinger-Streiff realisierte für Otto Zollinger viele Wandgemälde in Innenausbauten, insbesondere in der Gastronomie in Saarbrücken sowie in den ersten Mövenpicks.

1943 heiratete er Helene Golnhofer, die Ehe blieb kinderlos.

Verstorben ist Otto Zollinger am 22.4.1970 in Adliswil, wo er ein selbstentworfenes Einfamilienhaus bewohnte im Quartier Hündlistrasse (heute neu überbaut). Die Gemeinde Adliswil wurde zu seinem Lebensmittelpunkt. Hier hatte er neben dem Schwimmbad 1948 (ursprüngliches Garderobenhaus mit gewächshausähnlicher Fensterfassade noch erhalten) und der Tal- und Bergstation der Felseneggbahn 1958 (heute renoviert) auch weitere diverse Aufträge erhalten für Privathäuser und auch Grossüberbauungen mit Mietwohnungen, Projekte für die Zentrumsgestaltung und für ein Hotel (beide nicht ausgeführt) sowie für die Kirchgemeinde 1956 mit der (damaligen) Abdankungshalle (heute Helen Dahm-Haus mit Fresken der Künstlerin).

Von Zollingers Schaffen in der Schweiz ist die Villa Streiff in Küsnacht durch die Vorgaben der Denkmalpflege im Aeusseren vollständig und im Innern teilweise erhalten. Auch das Casino Kursaal Lido Ascona (heute Delta Beach Lounge) zeigt sich mit den Renovationen und Umbauten wunderschön und der Kenner kann Otto Zollingers Handschrift erkennen.

Beim Seebad Vevey-Corseaux Plage sind das eindrückliche Haupthaus und der markante Sprungturm erhalten und unter Denkmalschutz. Eine würdige Renovation wär wünschenswert.

Das wertvollste erhaltene und geschützte Objekt im Ausland ist die Villa Schock in Metz, Frankreich.

Das besterhaltene, eindrücklichste und für jedermann/frau sichtbare und betretbare Werk ist das Wehrmännerdenkmal auf der Forch. Hier ist auch der Erhalt durch die Oeffentlichkeit gesichert und ein würdiger Gedenkort für Otto Zollinger.

Der Enkel Thommi Maurer (geb.1953, Enkel von Zollingers zweiter Ehefrau, der Malerin Freda Zollinger-Streiff) befasst sich mit dem Lebenswerk von Grossvater Otto Zollinger und hat dafür eine Website erstellt: https://www.zollingerottoarchitekt.ch

Bauten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1909              Schloss Hülchrath, Düsseldorf. Ruinenausbau

1912–15         Div. neuklassizistische Villen in Zürich. Um- und Neubauten

1920              Kirche Fällanden. Umbau

1921               Wehrmännerdenkmal Forch

1924               Haus Herz, Saarbrücken. Innenausbau

1925               Emil Kahn, Konfektion & Schuhwaren, Saarbrücken. Innenausbau

                      Haus Kohlmaier, Saarbrücken. Innenausbau

1926               Tanzdiele Monopol, Saarbrücken. Innenausbau

1927               Haus Hannig, Ensdorf. Inkl. Innenausbau

1928               Restaurant Rheinischer Hof, Saarbrücken. Innenausbau

                      Walsheim Brauerei, Walsheim

1929               Villa Streiff, Küsnacht. Inkl. Innenausbau

                      Strandbad Vevey-Corseaux. Inkl. Innenausbau

1930               Casino Kursaal Lido, Ascona. Inkl. Innenausbau

                      Arbeiterwohlfahrt, Saarbrücken. Inkl. Innenausbau

                      Geschäftshaus Bata, Saarbrücken. Innenausbau

                      Geschäftshaus Spier, Saarbrücken. Innenausbau

1933               Haus Gärtner Riggenbach, Höngg. Inkl. Innenausbau

                      Div. Restaurants in Metz, Turin, Genua, Ascona. Innenausbau

1934               Villa Schock, Metz. Inkl. Innenausbau

                      Schnellgaststätte Eins-Zwei-Drei, Saarbrücken. Innenausbau

                      Ausstellungsrestaurant, Thionville. Innenausbau

                      Restaurant Sur la Pouce, Metz. Innenausbau

                      Caffè Giolitto, Turin. Innenausbau

                      Restaurant Fauvre Bock, Metz. Innenausbau

1937               Doppelhaus Schug und Presser, Spicheren. Inkl. Innenausbau

                      Geschäftshaus Overbeck, Saarbrücken. Innenausbau

1948               Mövenpick Claridenhof, Zürich. Innenausbau

                      Schwimmbad Adliswil. Inkl. Innenausbau

1952               Mövenpick Luzern. Innenausbau

1953               Mövenpick Bern. Innenausbau

                      Haus Freda Zollinger-Streiff, Küsnacht. Inkl. Innenausbau

1956               Hotel Kibitz, Herisau. Inkl. Innenausbau

                      Leichenhaus Adliswil. Inkl. Innenausbau

1958               Seilbahnstation Adliswil-Felsenegg

1959               Haus Deslarzes, Adliswil

1961               Wohnüberbauung Rütiwiese, Adliswil

1969               Wohnüberbauung Buttenau, Adliswil

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Bauwerk in der Landschaft. Arbeiten von Architekt Otto Zollinger – Saarbrücken. In: Innen-Dekoration, Jg. 43, 1932, S. 86–95 (Digitalisat).
  • Lebenskeime der Architektur. Weinbrenner, Stuttgart 1943.
  • Mövenpick – ein Restaurantbegriff. Eigenverlag Otto Zollinger. Ca. 1953

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Im Land der begrenzten Möglichkeiten. Schweizer Spiegel & Mövenpick. 1954. Ueli Prager Werk – Archithese, Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur und Kunst, 1978, Band 65, Heft 23–24. Hanspeter Rebsamen Ueli Pragers Mövenpick Story. Rothenhäusler Verlag 1993. Pierre Itor Otto Zollinger – Ein Schweizer Architekt im Saargebiet 1924–1944. Verlag Edition Europa. 1999. Marlen Dittmann Zerstörung eines Lebenswerkes (Das Schicksal der Walsheim-Brauerei von Hans Kanter in den dreissiger Jahren). Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 52, 2004. Dr. Claudia Schoch Zeller Das Wehrmännerdenkmal auf der Forch. Historisches Seminar Universität Zürich. 2010. Kurt Scheibler Einst und Jetzt. Stiftung für Archäologie und Kulturgeschichte im Kanton Zürich. Ausgabe 4/2012 TEC21 – Schweizerische Bauzeitung. Nr.49–50, 30.11.2012. Pietro Wallnöfer Zürcher Denkmalpflege. 21. Bericht 2011–2012 Das vereinnahmte Monument (Wehrmännerdenkmal Forch) Neue Zürcher Zeitung. 23.9.2022. Stefan Hotz
  • Vanessa Giannò Talamona: Zollinger, Otto. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Zollinger, Otto. In: Register (= INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920. Band 11). 2004, ISBN 3-280-05094-4, S. 317 (e-periodica.ch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur von und über Otto Zollinger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]