Altägyptische Kryptographie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Ausdruck Altägyptische Kryptographie bezeichnet in der Ägyptologie hieroglyphische Schriftsysteme, die von der üblichen Darstellungsform abweichen und aufgrund der schwierigen Lesung nur von einem kleinen Kreis der Ägyptologen erschlossen werden können. Die Vermutung, dass die Lesung auch für die Ägypter erschwert werden sollte, ist vereinzelt nur in religiösen Texten belegt, kann aber für die übrigen Fälle ausgeschlossen werden. Hauptunterscheidungsmerkmal der verschiedenen Epochen ist die seltene Nutzung im dritten und zweiten Jahrtausend v. Chr., während in der spätägyptischen Monumentalorthographie das System häufig angewandt wurde und zu einer weiteren Ausbildung einer eigenen Unter-Kryptographie führte.

Die ältere Kryptographie tritt einerseits in kurzen und einfachen Inschriften und andererseits in längeren religiösen Texten auf. Während die einfache Verwendung hauptsächlich dekorative sowie innovative Charakterzüge aufweist, liegen bei religiösen Texten feste Systeme vor, die einen deutlich reduzierten Zeichenvorrat verwenden und – soweit feststellbar – keinen dekorativen Nutzen aufweisen.

Im Vergleich mit kosmologischen Darstellungen zeigt sich eine fast identische Verwendung. Es besteht daher die Annahme, dass speziell für diese Texte die Informationen verschlüsselt werden sollten. Hierbei zeigen sich weitere Unterscheidungen der Systeme Unterweltsbücher (Ausnahme Amduat) und Himmelsbücher.

Alle Unterweltsbücher benutzen als graphisches Leitmotiv die Heuschrecke
L4
, das Pflanzenzeichen
M2
und die Stoffhieroglyphe
S28
. Da der Zeichenvorrat sonst strikt umrissen und sparsam ist, fällt die häufige Verwendung dieser Hieroglyphen stark ins Auge. Im Amduat, Nutbuch und in den Büchern vom Tage und der Nacht taucht dagegen die Heuschrecke nicht auf, das Pflanzenzeichen nur vereinzelt und unregelmäßig (sporadisch) und die Stoffhieroglyphe nur im Amduat. Das System der Unterweltsbücher tritt teilweise in eigenständigen Texten auf, beispielsweise im Unterweltsbuch des Tutanchamun,[1] oder ist nur sporadisch belegt (33. Szene im Pfortenbuch, Gerichtshalle des Osiris).

Laute „r“, „l“ und „d“

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Insbesondere in den Bereichen Schattenuhr und im Nutbuch fällt die Schreibung des altägyptischen „3“, dargestellt durch die Hieroglyphen
D36
D36
, für den Lautwert „r“ auf. Dieses Kryptogramm fußt auf der historischen Phonetik. Einerseits diente diese Schreibung im Alten Reich zur Wiedergabe des Lautes „d“, andererseits lag das altägyptische „r“ in der Nähe des „d“. Erstmals ist im Mittleren Reich die Schreibung
D36
D36
zur Wiedergabe des semitischen „d“ belegt. Umgekehrt wurde das semitsche „d“ für das altägyptische „r“ verwendet. Diese Handhabung erklärt die Lautähnlichkeit der verwendeten Hieroglyphen.[2] In den Ächtungstexten diente außerdem das altägyptische „3“ der ausschließlichen Schreibung des semitischen „r“ und „l“. Mit Beginn des Neuen Reiches nach der Zweiten Zwischenzeit endeten in der neuägyptischen Sprache diese Schreibvarianten.
  • Henry George Fischer: Hieroglyphen, Abschnitt H: Cryptography. In: Wolfgang Helck (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie (LÄ). Band II, Harrassowitz, Wiesbaden 1977, ISBN 3-447-01876-3, Sp. 1196.
  • Jan Assmann: Zur Ästhetik des Geheimnisses. Kryptographie als Kalligraphie im alten Ägypten. In: Susi Kotzinger (Hrsg.): Zeichen zwischen Klartext und Arabeske; Konferenz des Konstanzer Graduiertenkollegs "Theorie der Literatur" veranstaltet im Oktober 1992. (= Internationale Forschungen zur allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft. Bd. 7) Rodopi, Amsterdam 1994, ISBN 90-5183-728-3, S. 175–186. (online)
  • John-Coleman Darnell: The enigmatic netherworld books of the Solar-Osirian Unity. Cryptographic compositions in the tombs of Tutankhamun, Ramesses VI and Ramesses IX. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-53055-2.
  • Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das sogenannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (u. a.), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Alexandre Piankoff: The shrines of Tut-Ankh-Amon. Pantheon Books, New York 1955, S. 120–131.
  2. Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne. Kopenhagen 2007, S. 32.