Ann Demeulemeester

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Ann Demeulemeester (* 29. Dezember 1959 in Waregem) ist eine belgische Modedesignerin. Sie gehört zu der Designergruppe Antwerp Six und gilt neben Martin Margiela als Hauptvertreterin der dekonstruktivistischen Mode der späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahre.

Ann Demeulemeester studierte Modedesign an der Antwerpener Königlichen Akademie der Schönen Künste.[1] Nach ihrem Abschluss 1981 arbeitete sie einige Jahre für eine belgische Modefirma. Zusammen mit ihrem Ehemann und Jugendfreund, dem Fotografen Patrick Robyn (* 1957), gründete sie 1985, im Jahr ihrer Hochzeit, ihre eigene Produktionsfirma.[2] Im selben Jahr erwarb sie mit ihm ein von Le Corbusier entworfenes, 1926 erbautes Haus namens Maison Guiette (benannt nach dem belgischen Maler und Auftraggeber René Guiette) in Antwerpen, in dem sie auch ihr Studio einrichtete. Das Paar hat einen Sohn.

Ann Demeulemeester gehört mit Marina Yee, Dries Van Noten, Dirk Bikkembergs, Walter Van Beirendonck und Dirk Van Saene, mit denen sie zusammen studiert hatte, zu dem Kreis der Antwerp Six, einer Generation von Modemachern, die den Ruf der Belgier als Konzeptualisten begründeten. Ihre Arbeiten beschäftigten sich mit den Themen Metamorphosen, Identität, Androgynie und Sexualität.[3] Der Stil der Antwerp Six[1][4] war von japanischen Designern, besonders Yohji Yamamoto beeinflusst. Barbara Vinken beschrieb ihn als „Mode nach der Mode“, jenseits der Forderung nach ewiger Jugend und Schönheit.[5] Ihre erste gemeinsame Fashionshow hatte die Gruppe 1986 in London.[6]

Stilprägend war für Ann Demeulemeester ein Schwarz-weiß-Foto von Patti Smith auf dem Albumcover Horses von 1975, auf dem Smith ein weißes Hemd mit schwarzen Hosenträgern trug und ein über die Schulter geworfenes schwarzes Jackett. Schwarz dominierte seitdem Demeulemeesters Kollektionen. Den „Patti Smith-Look“ zitierte sie in verschiedenen Kombinationen und Schnitten immer wieder. Große weiße Hemdoberteile, eine Anzugweste, schwarze Hose oder langer Rock, dazu flache grobe Schnürstiefel: das sei die Demeulemeester-Uniform, die Frauen das Gefühl geben will, sich zugleich verwegen als auch beschützt zu fühlen, schrieb 2013 die Journalistin Brigid Grauman.[7]

Mit ihrer ersten Damenkollektion debütierte Ann Demeulemeester auf der Fashion Week 1992 in Paris. Ingrid Loschek beschrieb die Schau folgendermaßen: „Ann Demeulemeester schockierte mit ihrer Mode des Trostlosen. […] Schwarze Charmeuse-Unterkleider hingen an bleich geschminkten Mannequins mit strähnigen Haaren herab, dazu abgerissene Säume, eingebügelte Falten, triste Farben, kein Schmuck, keine Dekolletés, allerdings zuweilen vollkommen durchsichtige Tops oder nackte Oberkörper […] Demeulemeester wollte weg vom altmodischen Sexy-Look und der Betonung der Weiblichkeit bis hin zur Karikatur.“ Sie finde nicht ihre Mode deprimierend, wie manche Kritiker meinten, sondern falschen Optimismus.[8] Frauen seien keine Barbie-Puppen, kommentierte Demeulemeester in einem Interview, und sie schätze eine Spur von Weiblichkeit bei Männern.[2] Ihre frühen Arbeiten wirkten streng, mit einem absichtlich unfertigen Aussehen und asymmetrischen Schnitten. Federn waren der einzige Schmuck, den sie gelten ließ. Ihre Mode trug ihr das Etikett „Grunge“ ein, „Rock“, „Punk“ und „Gothic“ sind weitere Attribute aus der Musik für ihren Stil.[7] Ihre späteren Entwürfe wurden weicher mit übereinander gebauschten Stofflagen und farbigen Elementen. Ann Demeulemeester könne die Designerin sein, die das „Lexikon der modernen Frau des 21. Jahrhunderts geschaffen hat“, meinte 2010 die Modekritikerin der New York Times, Suzy Menkes.[9]

Ab 1996 entwarf sie auch Herrenkollektionen. Sie arbeitete u. a. mit Jim Dine zusammen, der Kleidungsstücke mit seinen Texten beschriftete, und ließ sich von dem Maler Jackson Pollock und dem amerikanischen Fotografen Steven Klein inspirieren.[2]

1994 beteiligte sich die belgische Unternehmerin Anne Chapelle als Investorin finanziell am Unternehmen von Demeulemeester, übernahm dort die Geschäftsführung und fungiert seither als CEO. Zu Chapelles Unternehmen 32 Bvba, das als Holding gegründet wurde, gehörte neben Ann Demeulemeester bis 2013 auch die Modefirma des belgischen Designers Haider Ackermann.[10] Der erste Flagship-Store wurde 1999 in Antwerpen eröffnet. Es existieren weitere Ladengeschäfte in Tokio, Hongkong und Seoul. Ihre Mode wird in 30 Ländern weltweit verkauft.[11]

Im November 2013 teilte Ann Demeulemeester mit, dass sie ihr Unternehmen verlasse. Die Marke mit eigenen Einzelhandelsgeschäften wird unter der Leitung ihrer Geschäftspartnerin Anne Chapelle weitergeführt.[12][13] Auf den Fashionshows im Februar 2014 präsentierte das von Demeulemeester ausgebildete Designteam aus Mirjam van den Akker, Sébastien Meunier und Patrick van Ommeslaghe seine erste Kollektion für das Label.[14]

Ausstellungen (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. a b How Antwerp’s Royal Academy of Fine Arts Birthed the Contemporary Avant-Garde. In: The New York Times. 13. April 2020, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 30. Juni 2023]).
  2. a b c James Anderson: Ann Demeulemeester, in: Terry Jones, Susie Rushton: Fashion Now 2, Taschen Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8365-0336-5, S. 74
  3. Adam Geczy, Vicki Karaminas (Hrsg.): Fashion and Art, Bloomsbury Academic, London u. a. 2012, ISBN 978-1-84788-783-2, S. 69
  4. In Antwerp, Royal Academy of Fine Arts Students Wear Their Art to Class. 19. November 2020, abgerufen am 30. Juni 2023 (amerikanisches Englisch).
  5. Ingrid Loschek: When Clothes Become Fashion. Design and Innovation Systems, Bloomsbury Academic, London u. a. 2009, ISBN 978-1-84788-366-7, S. 105
  6. Ann Demeulemeester | BoF 500 | The People Shaping the Global Fashion Industry. Abgerufen am 7. Februar 2024 (britisches Englisch).
  7. a b Brigid Grauman: Deconstructing Demeulemeester. The Belgian Fashion Designer Is Still Doing It Her Way, Wall Street Journal vom 14. Februar 2013
  8. Ingrid Loschek: Modedesigner: ein Lexikon von Armani bis Yamamoto, Verlag Beck, München 1998, ISBN 978-3-406-42049-8, S. 59
  9. Bonnie English: A Cultural History of Fashion in the 20th and 21st Centuries, Bloomsbury Academic, London u. a., zweite Auflage 2013, ISBN 978-0-85785-135-2, S. 155
  10. Haider Ackermann and Ann Demeulemeester Split, Vogue, 4. Juni 2013
  11. Kevin Davies: Ann Demeulemeester, in: Fashion Now, Taschen Verlag 2003, pdf (Memento vom 31. Dezember 2010 im Internet Archive)
  12. Ann Demeulemeester Leaves Her Company, The New York Times, 20. November 2013
  13. Ann Demeulemeester verlässt ihr Label. Nach 28 Jahren zieht sich die Designerin von der Marke Ann Demeulemeester zurück, Vogue, 21. November 2013 (Memento vom 20. März 2014 im Internet Archive). Abgerufen am 2. November 2023.
  14. Fashionshows, Ann Demeulemeester / Fall 2014 RTW, Review von Dan Thawley, Vogue (Memento vom 20. März 2014 im Internet Archive)
  15. WILD: Fashion Untamed. Abgerufen am 2. November 2023.
  16. Ann Demeleumeester. Abgerufen am 2. November 2023.
  17. Stacey Anderson: Inside the Met’s New Exhibit, ‘Punk: Chaos to Couture’, Rolling Stone, 7. Mai 2013