Gaza-Landungsbrücke

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Montagearbeiten an der Offshore-Schiffsanlegestelle im April 2024

Die Gaza-Landungsbrücke, eine schwimmende Offshore-Schiffsanlegestelle der US-Navy (Roll-On/Roll-Off Distribution Facility, RRDF)[1] für Hochsee- und Küstenschiffe, wurde im April 2024 als Komponente eines Joint Logistics Over-the-Shore-Projekts (JLOTS-Projekt) von den Streitkräften der Vereinigten Staaten im Mittelmeer, mehrere Kilometer vor der Küste des Gazastreifens errichtet und am Meeresgrund verankert. Lebensmittel, Wasser, Medikamente und andere Hilfsgüter für die Zivilbevölkerung Gazas sollen dort von Schiffen mit großem Tiefgang auf kleinere Schiffe mit geringeren Tiefgang umgeladen und von diesen dann zu einem ebenfalls schwimmenden Pier (Trident Pier)[2], das mit dem Strand des Küstenabschnitts verbunden ist, transportiert werden. Die am Trident Pier entladenen Hilfsgüter sollten anschließend mit LKWs in das Kriegsgebiet gebracht werden, um die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifens sicherzustellen. Die Trident Pier brach nach weniger als zwei Wochen bei hohem Seegang auseinander und ist aktuell nicht in Betrieb.[3][4]

Zweckbestimmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gaza-Landungsbrücke – schwimmende Offshore-Schiffsanlegestelle der US-Navy (RRDF) vor der Küste von Gaza (©️ U.S. Central Command)[5]
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Trotz der unmittelbaren Lage Gazas am Mittelmeer gibt es an der Küste Gazas keinen Hafen, der großen Schiffen einen Liegeplatz mit genügend Tiefgang bietet. Auf Grund des niedriegen Fahrwassers ist es Schiffen mit großem Tiefgang deshalb nicht möglich humanitäre Hilfsgüter in größerem Umfang an Land zu bringen. Das JLOTS-Projekt der US-Streitkräfte ermöglicht dies in mehreren Schritten. Dazu muss zunächst das Umladen der Hilfsgüter von Frachtschiffen mit großen Tiefgang auf LKW's mit Sattelauflieger erfolgen, die dann von speziellen Leichtern (RoRo-Schiffe mit geringem Tiefgang) an den Strand von Gaza zu einer ebenfalls schwimmenden, am Strand verankerten Anlege- und Entladebrücke, der Trident Pier, gebracht werden. Nach dem Anlegen fahren die LKW's von Bord und bringen ihre jeweilige Ladung an Land, wo diese bis zum Weitertransport zwischengelagert wird.[6] Von dort werden die Hilfsgüter von UN-Hilfsorganisationen in das Kriegsgebiet gebracht, wo sie an die notleidende Zivilbevölkerung verteilt werden sollen.[7][8]

„Ein Lastwagen transportiert am 19. Mai 2024 humanitäre Hilfsgüter über den Trident Pier zum Strand von Gaza. (Foto: US Army Central via Reuters)“[9]
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Obwohl die Trident Pier bereits knapp zwei Wochen nach Inbetriebnahme bei hohem Seegang auseinanderbrach, besteht die US-Regierung darauf, dass über die provisorische Hafenanlage in den Küstengewässern Gazas, in Ergänzung zu der für den Norden des Gazastreifens relevanten landgebundenen Hilfsroute über den Grenzübergang Erez, auch weiterhin humanitäre Hilfslieferungen auf dem Seeweg nach Gaza-Nord abgewickelt werden sollen.[9] Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) haben Lastwagen mit Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifen erstmals seit Kriegsbeginn am 19. April 2024 den neu von Israel geöffneten Grenzübergang passiert. Zwei Tage zuvor waren zudem erstmals Hilfslieferungen für den Gazastreifen über den Hafen von Aschdod in Südisrael abgewickelt worden.[10] Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA (NSC), John Kirby, erklärte gegenüber Reportern: „Es war nie beabsichtigt, das zu ersetzen, was man vor Ort durch Lastwagen und die Öffnung der Grenzübergänge tun kann.“[9] Zweifel daran ob die provisorische Hafenanlage in den Küstengewässern Gazas ein Kraftmultiplikator sein kann und ob das JLOTS-Projekt der US-Armee dazu wesentlich beiträgt, dass mehr Hilfslieferungen als bisher den Gazastreifen über Landweg erreichen, um eine humanitäre Katastrophe zu lindern, versuchte John Kirby zu zerstreuen: „Auf jeden Fall, und ich glaube, sie haben bisher mehr als tausend Tonnen allein von der provisorischen Anlegestelle geholt, was in Anbetracht des Wetters und der Komplexität des Vorgangs - der Stopp an mehreren Knotenpunkten, den man durchführen muss, um vom Schiff zur Anlegestelle zum Lkw auf den Boden zu gelangen - immer noch ein beeindruckender Rekord ist.“[9]

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die provisorische Hafenanlage, welche die schwimmende Gaza-Landungsbrücke auf See und die Trident Pier zum Löschen der Ladung am Strand von Gaza umfasst, liegt südwestlich von Gaza-Stadt und nördlich einer Straße, welche die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) während des laufenden Gazakrieges gebaut haben.[11]

Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 320 Millionen US-Dollar teure provisorische Hafenanlage, welche aus der RRDF auf Hoher See und dem Trident Pier am Strand von Gaza bestehr, wurde im Rahmen eines JLOTS-Projeks des US-Militärs in Zusammenarbeit mit dem israelischen Militär errichtet. Die Militärperation war von US-Präsident Joe Biden am 7. März 2024 im Rahmen seiner „State of the Union“-Rede als eine „Notfall“-Mission zur Ermöglichung humanitärer Hilfslieferungen angekündigt worden.[12][13]

Am 17. Mai 2023 teilte das Zentralkommando der Vereinigten Staaten (CENTCOM) mit, dass im Rahmen multinationaler Anstrengungen über den vom US-amerikanischen Militär eingerichteten maritimen Korridor humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen bereitgestellt werden soll; diese wird Spenden von Hilfsorganisationen aus verschiedenen Ländern umfassen. Am Tag zuvor waren die Arbeiten am schwimmenden Pier und zu dessen Verankerung an der Küste abgeschlossen worden.[14]

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trident Pier am Strand von Gaza

Humanitäre Hilfsgüter, wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente, werden zunächst auf dem Luft- oder Seeweg nach Zypern gebracht, dort untersucht und anschließend mit Handelsschiffen zur schwimmeden Gaza-Landungsbrücke vor der Küste Gazas gebracht. Hier werden die Hilfsgüter auf kleinere Armeeschiffe mit geringerem Tiefgang umgeladen, die jeweils etwa 15 Lastwagen (LKW) aufnehmen können. Die mit Hilfsgütern beladenen LKW's werden von den Armeeschiffen zu einem ebenfalls schwimmenden, zweispurige 550 Meter langen Trident Pier am Strand von Gaza transportiert. Die humanitären Hilfsgüter werden zunächst an Land entladen und zwischengelagert, bevor sie an UN-Hilfsorganisationen zur Weiterverteilung in das Kriegsgebiet übergeben und von diesen in das Kriegsgebiet gefahren werden, um dort an die Zivilbevölkerung Gazas verteilt zu werden. Zunächst könnten nach Schätzungen des US-Militärs bis zu 90 Lkw-Ladungen/pro Tag an Land gebracht werden, später könne der Umfang der Hilfslieferungen auf bis zu 150 Ladungen/pro Tag erweitert werden.[15][5][8][16]

Bau und örtliche Bedingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Benavidez

Mehrere Schiffe des US-amerikanischen Militärs waren am Bau der Gaza-Landungsbrücke beteiligt, darunter das RoRo-Schiff USNS Benavidez, ein Schiff der Bob-Hope-Klasse, das vom Military Sealift Command betrieben wird,[11] die USAV General Frank S. Besson Jr., ein Logistikschiff des US-Militärs und mehrere andere Militärschiffe, so die USAV SP4 James A. Loux (LSV-6), USAV Montorrey (LCU-2030), USAV Matamoros (LCU-2026) und die USAV Wilson Wharf (LCU-2011).[11][17] Britisches Militär unterstützte den Bau logistisch.[18] US-amerikanische Soldaten sollen den Boden Gazas jedoch nicht betreten.[13]

Der Trident Pier wurde ebenso wie die Gaza-Landungsbrücke von Spezialkräften des US-amerikanischen Militärs errichtet und anschließend von den Israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) am Strand von Gaza verankert.[11] Für die Anlieferung der Hilfsgüter aus Zypern mieteten die USA als erstes Schiff die Sagamore an.[19]

Anfang Mai 2024 wurde bekannt, dass sich der Zusammenbau der Gaza-Landungsbrücke auf See wegen hohem Seegang verzögert hatte, weil die Arbeitsbedingungen auf Grund der Wetterlage vor Ort für die Soldaten auf der Oberfläche des teilweise bereits montierten schwimmenden Plattform zu ungünstig waren. Die teilweise montierte Schwimmplattform wurde von den am Bau beteiligten Militärschiffen der US-Navy in den israelischen Hafen Ashdod geschleppt, wo die Montage fortgesetzt wurde. Nachdem der Seegang nachgelassen hatte, wurde die Schwimmplattform wieder zum vorgesehenen Standort auf See geschleppt und dort am Meeresboden verankert.[19]

Am 16. Mai 2024 wurden die provisorischen Hafenanlagen in Betrieb genommen, doch bereits wenige Tage danach durch hohen Seegang beschädigt und außer Betrieb gesetzt.[20] Eine Pentagon-Sprecherin sagte am 28. Mai, die Anlage müsse nun aus ihrer Verankerung gelöst und nach Aschdod geschleppt werden; dort werde das amerikanische Militär Reparaturarbeiten von mindestens einwöchiger Dauer vornehmen. Danach werde die Landungsbrücke erneut vor der Küste Gazas verankert.[3][4]

Angriffe durch die Hamas[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 25. April 2024 wurden Mitarbeiter der Vereinten Nationen und der israelischen Armee mit Mörsergranaten genau an der Stelle beschossen, an der die schwimmende Pier mit dem Land verbunden werden sollte. Khalil al-Hayya, ein Vertreter der Hamas, teilte der Associated Press mit, dass seine Organisation jede nicht-palästinensische Macht, die für den Schutz des Piers als Besatzung eingesetzt wird, als Aggressor ansehen und sich ihr widersetzen werde.[21]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entwicklungen des Projekts stellen das US-Militär in Gaza vor logistische und organisatorische Herausforderungen. Sicherheitsprobleme verzögerten die Lieferung von Hilfsgütern. Das Pentagon hatte eine kontinuierliche Versorgung über die schwimmende Anlegestelle im Gazastreifen geplant. Ende Mai 2024 teilte das US-amerikanische Verteidigungsministerium mit, dass bisher nur wenig Hilfe den belagerten Streifen erreicht hat. Erschwerend käme hinzu, dass US-Truppen nicht vor Ort sein können, um das begonnene Projekt zu unterstützen. Lastwagen wurden von Menschenmengen umringt und geplündert, ehe sie das Lagerhaus erreichen konnten. Das geplante Ziel, täglich 90 Lastwagen anzuliefern und schließlich auf 150 zu erhöhen, konnte bisher nicht annähernd erreicht werden. Nach Angaben des Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) sollen in der Woche nach der Eröffnung der provisorischen Hafenanlage etwa 70 LKW's die für die angelieferten Hilfsgüter an Land vorgesehenen Lagerhäuser erreicht haben.[22][23]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gaza floating pier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Construction of JLOTS Pier Begins in Mediterranean. In: Defense Visual Information Distribution Service (DVIS). 30. April 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  2. Trident Pier Emplacement. In: Defense Visual Information Distribution Service (DVIS). 16. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  3. a b USA setzen Gaza-Hilfslieferungen über provisorischen Pier aus. In: Der Spiegel. 28. Mai 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  4. a b David Smith: US aid to Gaza stalls after temporary pier breaks apart in heavy seas. In: The Guardian. 28. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  5. a b Images show US military building floating pier off Gaza. Pentagon says it will cost $320 million. In: cnn.com. 30. April 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  6. Schwimmender Hafen im Gazastreifen: So missglückten die ersten Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet. So funktioniert die Hilfslieferung über den Seeweg. In: nzz.ch. 25. Mai 2024, abgerufen am 28. Mai 2024.
  7. USA beginnen Bau von Anlegestelle vor Küste Gazas. Wie der provisorische Hafen funktionieren soll. In: tagesschau.de. 26. Mai 2024, abgerufen am 26. Mai 2024.
  8. a b USA stellen temporären Hafen fertig. In: tagesschau.de. 16. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  9. a b c d David Smith: US aid to Gaza stalls after temporary pier breaks apart in heavy seas. In: The Guardian. 28. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 29. Mai 2024]).
  10. Erste Hilfsgüter passieren Grenzübergang Erez. In: aerzteblatt.de. 19. April 2024, abgerufen am 30. Mai 2024.
  11. a b c d Jon Gambrell: US military ships are working to build a pier for Gaza aid. It’s going to cost at least $320 million. In: apnews.com, 30. April 2024, abgerufen am 6. Mai 2024.
  12. Dan Lamothe, Alex Horton, Karen DeYoung: Pentagon says Gaza pier anchored, but U.N. casts doubt on distribution. In: Washington Post. 17. Mai 2024, ISSN 0190-8286 (washingtonpost.com [abgerufen am 27. Mai 2024]).
  13. a b A. B. C. News: Biden announces 'emergency' US military mission to build pier off Gaza coast to deliver aid. Abgerufen am 27. Mai 2024 (englisch).
  14. Erste Hilfslieferungen erreichen provisorischen Hafen vor Gaza. In: www.zeit.de. 17. Mai 2024, abgerufen am 24. Mai 2024.
  15. USA beginnen Bau von Anlegestelle vor Küste Gazas. Wie der provisorische Hafen funktionieren soll. In: tagesschau.de. 26. Mai 2024, abgerufen am 26. Mai 2024.
  16. Update on the Construction of the Joint Logistics Over-the-Shore Capability in Mediterranean Sea. In: centcom.mil. 3. Mai 2024, abgerufen am 29. Mai 2024.
  17. Army Watercraft Depart for Gaza Port Mission, Navy Preparing East Coast Reserve Ship to Sail. 12. März 2024
  18. Danica Kirka: British troops may be tasked with delivering Gaza aid, BBC report says. In: apnews.com, 27. April 2024.
  19. a b US military pauses construction of pier off Gaza due to bad weather. 1. Mai 2024
  20. Pier für Gaza-Hilfe durch hohen Seegang beschädigt, US-Militärschiffe in Aschdod gestrandet. Spiegel, 25. Mai 2024
  21. Terrorists Attack U.S. Pier Under Construction Off Gaza Coast. In: fdd.org, 26. April 2024
  22. Helene Cooper, Adam Rasgon: U.S. Military Faces Reality in Gaza as Aid Project Struggles. In: www.nytimes.com. 23. Mai 2024, abgerufen am 23. Mai 2024.
  23. UN suspends Rafah aid distribution and warns US pier may fail. In: The Guardian. 21. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 25. Mai 2024]).

Koordinaten: 31° 29′ 51″ N, 34° 24′ 29″ O