Interfacedesign

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Interfacedesign (aus dem englischen interface design entlehnt, für „[die] Schnittstellengestaltung[1]) ist eine Disziplin des Designs, die sich mit der Gestaltung von Benutzerschnittstellen zwischen Mensch und Maschine beschäftigt. Dafür werden die Bedingungen, Ziele und Hindernisse dieser Interaktion sowohl von menschlicher als auch von technischer Seite erforscht und später – soweit möglich – auf den Menschen hin optimiert.

Ziel des Interfacedesigns ist eine Anwenderschnittstelle, die so gestaltet ist, dass ein möglichst breiter Kreis von Nutzern eine optimale Wunsch-/Bedürfnis-/Zielerfüllung durch angemessene Handlungsschritte erfährt.

Während sich Designer übergreifend im Zuge der Interaktionsgestaltung (engl.: Interaction Design) eingehend mit dem Verhalten und der Konzeption (Nutzungsszenarien) eines Produkts beschäftigen, geht es im Interfacedesign um die konkrete Gestaltung, wenn auch nicht nur visuell, einer Schnittstelle. Beide Disziplinen sind schwer voneinander zu trennen, die Grenzen sind fließend, denn jeder Interaktionsdesigner gestaltet meist im Laufe des Prozesses eine grafische Schnittstelle. Typische Arbeitsfelder von Interfacedesignern sind Softwaredesign, Usability-Forschung, Webdesign oder Produktdesign.

In der Definition des Begriffes begrenzt Jef Raskin die Bedeutung nicht nur auf die Gestaltung grafischer Benutzeroberflächen (GUI), sondern nutzt den mit Interface bezeichneten Begriff stellvertretend für eine „Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine oder Mensch und Computer“. Eine Spracherkennung ist demnach ebenfalls ein Interface. Konkret sagt er: „Ein Interface bezeichnet nämlich die Art und Weise, wie ein Produkt eine bestimmte Aufgabe ausführt – also was der Benutzer tun kann und wie das System darauf reagiert“[2] In dieser Bedeutung wird der Begriff, welcher auch mit dem ins Deutsche lehnübersetzten „Schnittstellengestaltung“ bezeichnet wird,[1] eher gerecht, da damit der Schwerpunkt nicht ausschließlich auf der visuellen und grafischen Gestaltung liegt.

Eine gelungene Abgrenzung der Begrifflichkeiten Interfacedesign und Interactiondesign ist die Betrachtung des Interactiondesigns als Gestaltung eines Prozesses, während das Interfacedesign der Gestaltung eines Endprodukts am nächsten kommt.

Die Interaktion mit einer Bedienoberfläche – zumeist ein Bildschirm, aber auch mit Automaten oder etwa Maschinen – soll vom Interaktionswunsch des Nutzers über angelegte Rückkopplungsmechanismen (Ein- und Ausgabe von Daten per Tastatur/Steuerung/gezielter Handlung) in angemessener Zeit zu einem abgeschlossenen und sinnvollen Ergebnis führen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass der Nutzer bei der Interaktion ein möglichst positives Anwendungserlebnis User Experience erfahren soll.

Das weitaus größte Feld innerhalb des Interface-/Interaktionsdesigns ist die Interaktion mit einem Computer. Hier ist Interfacedesign ein Teilbereich der Mensch-Computer-Interaktion. Ziel ist das optimale Finden, Bewerten, Verändern und Speichern von Information, die der Nutzer innerhalb eines digitalen Wissensraumes (Webseite, Datenbank, Programm, Angebote aller Art) vornimmt. Dabei werden konzeptionelle (mess- und steuerbare, „harte“), sowie ästhetische (individuelle, „weiche“) Aspekte der Interaktion berücksichtigt. In der Praxis werden dafür üblicherweise schon während der Entwurfsphase Tests an der jeweiligen Zielgruppe durchgeführt.

Interfacedesign kommt in den unterschiedlichsten Bereichen zur Anwendung.

Einige der wichtigsten Branchen und Anwendungsgebiete sind:

  • Automotive
    • InCar-HMI und Navigationsgeräte
    • Fahrerassistenzsysteme
    • Fahrzeug-Personalisierung
    • Verkehrsleit- und Telematiksysteme
    • Automotive Engineering Systeme
    • Prüfstand- und Mess-Systeme
    • Produktionssysteme für Automotive
    • Steuerungen für Spezialfahrzeuge
  • Consumer
    • Mobile Geräte (Handy, Tablet, Navi, MP3-Player, Apps)
    • Home Entertainment (TV, Smart TV, Spielkonsolen, Media Center)
    • Haus- und Küchengeräte (Weiße Ware)
    • Home Automation (Haussteuerung, vernetztes Wohnen, Assisted Living, Hausroboter)
  • Enterprise
  • Industry
  • Medical & Pharma

Insbesondere in der Medizintechnik kommt zur Ästhetik noch die Sicherheit der medizinischen Geräte als weiterer Faktor hinzu. Fehlbedienungen an Medizintechnik zählen zu den häufigsten Ursachen von Unfällen im Gesundheitswesen. Das Deutsche Institut für Normung hat in der DIN-Norm EN 60601-1-6 allgemeine Festlegungen für die Sicherheit definiert.

Interfacedesign ist eine junge Disziplin, deren Geburtsstunde mit dem Ende der textgesteuerten Computersteuerung, und dem Beginn von visuellen Anwenderschnittstellen einherging (Arbeiten mit der Maus; grafische Darstellung von Inhalten; siehe auch Benutzeroberfläche des Apple Macintosh ca. 1980). Mit der Zunahme von Bildschirmarbeitsplätzen entstand der Begriff der Software-Ergonomie, der seit 2000 in Deutschland per Gesetz oder bei Software-Herstellern in internen Entwicklungsrichtlinien fixiert ist.

Das Internet mit seiner weltweiten Verbreitung ab Ende der 90er Jahre brachte den Begriff der Usability, unter dem zunächst Privatpersonen (Jakob Nielsen) das neue Medium auf Gebrauchstauglichkeit durch heterogene Benutzergruppen untersuchten. Der fortschreitende weltweite Einsatz und die Akzeptanz von digitalen Angeboten, verbunden mit ihrer hohen Interaktivität, führten zur gegenwärtigen universitären und kommerziellen "Usabilityforschung", die strukturiert Problemfelder in der Mensch-Maschine-Interaktion untersucht.

Zu unterscheiden sind in jedem Fall die Begriffe Interactiondesign und Interfacedesign, auch, wenn beides ineinander übergeht.

Mit dem Begriff Interfacedesign wird der Schwerpunkt auf die sinnvolle Gestaltung von interaktiven Oberflächen gelegt. Diese können aber nur dann erfolgreich sein, wenn man die involvierten Nutzer, Daten und Ziele des zu untersuchenden Prozesses kennt, und diese mit einbezieht. Der Begriff „Schnittstelle“ impliziert jedoch die Konzentration auf die interaktiven Bedienelemente für ein interaktives Produkt. Kurz: Der Schwerpunkt liegt auf Oberfläche und Informationsdarstellung, unter Berücksichtigung einer dynamischen Umgebung.

Das Interfacedesign ermöglicht den Dialog zwischen dem User und der Maschine, zwischen Sender und Empfänger. Dies gilt für analoge wie auch für digitale Geräte. Die Fragestellung nach dem „Was?“ oder „Wie?“ wird aufgeklärt. „Was ist es? Wie funktioniert es? Wie ist es zu bedienen?“

Dabei ist ein Interface mehr als lediglich eine Maschine oder ein Produkt. Es stellt eine Situation dar und repräsentiert eine interaktive Wechselbeziehung zwischen Mensch und Maschine. „Dabei geht es aber vielmehr um das Antizipieren von Verhaltensformen und Bedürfnissen und den Erwartungen, die ein Anwender an ein Produkt richtet. Interfacedesign dient nicht nur dazu, Kommunikation und Information auf Basis einer formalen Gestaltung zu ermöglichen, sondern auch dazu, selbst Verhalten auszulösen und dynamisch darauf reagieren zu können. Interfacedesign wird dann über die Information und den Dialog hinaus zur Erlebnisumgebung und kann wesentlich dazu beitragen, dass ein Produkt und sein Interaktionsangebot vom Anwender im Idealfall als ein am Menschen orientiertes System wahrgenommen wird.“[3]

Beim Begriff Interaction Design ist das generelle Interaktionskonzept gemeint, das hinter der Oberfläche liegt. Die Betrachtung ist ganzheitlich – es wird nicht für ein bestehendes Produkt eine Schnittstelle zum Benutzer definiert, sondern das Produkt wird aus der gewünschten Interaktion heraus neu erdacht. Hierfür sind anschließend natürlich auch interaktive Schnittstellen vonnöten, ohne die diese Prozesse nicht erfolgreich sein können. Kurz: Schwerpunkt Nutzungsszenarien und -prozesse, dynamische Umgebung und Informationstransport, unter Berücksichtigung der dafür notwendigen Interaktionselemente.

Das Interactiondesign beschreibt den Funktionsweg und die Art und Weise, wie der User angeregt wird, zu agieren und zu interagieren. Die Fragestellung nach dem „Auf welchem Weg?“ wird kommuniziert und wirkt sich wesentlich auf die Wahrnehmung des Inhaltes aus. „Die funktionalen Aspekte der interaktiven Arbeit sind nicht Selbstzweck, sondern essentieller Bestandteil des Inhaltes und des gesamten Designs. Das Interaction Design kann beim User neue Erfahrungen ermöglichen und neue abrufen.“[4]

Literatur, Forschung, Lehre

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wichtige Namen in diesem Zusammenhang (einschließlich des für das Interfacedesign äußerst relevanten Bereichs der kognitiven Psychologie) sind Donald Norman, Jef Raskin, Ben Shneiderman, Bruce Tognazzini, Jakob Nielsen und Steve Krug, die alle einen Schwerpunkt auf den „Common-Sense-Approach“ legen. Für den Bereich Design wäre hier der Designtheoretiker Dr. h. c. Gui Bonsiepe zu nennen, der ab 1993 die erste Professur für Interfacedesign an einer Hochschule für Design in Deutschland hatte (am Fachbereich Design der Fachhochschule Köln, heute KISD) und das Design generell als Gestaltung von Interfaces interpretiert.

In den USA gibt es einen sehr engagierten Fachbereich am MIT. In Europa entstehen derzeit stetig neue Lehrangebote zu dieser Disziplin. Lehrstühle mit anerkannter Reputation sind beispielsweise die Hochschule Malmö in Schweden und die Fachhochschule Potsdam mit eigenen Studiengängen zu diesem Thema vertreten. Die Designhochschule Umeå (Schweden) bietet einen Masterstudiengang in Interaction Design an. Außerdem wird an der Universität von Süddänemark das IT-Produktdesign-Masterstudium unterrichtet.

In Deutschland bieten neben der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und der Hochschule Magdeburg-Stendal (Master of Arts in Interaction Design) auch die Hochschule Potsdam und seit dem Herbst 2007 die Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd Studiengänge an. Seit 2009 bietet der Mediendesign-Studiengang der Hochschule Hof Interfacedesign in Kombination mit Service Design an. Die Hochschule Fulda hat zur Thematik seit 2005 ein interdisziplinäres und fachbereichsübergreifendes Kompetenzzentrum für Mensch-Computer-Interaktion.

In diesem Zusammenhang sind auch das Interface Labor der Kunsthochschule für Medien Köln, das Institut HyperWerk der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Basel/Schweiz, der Studienbereich Interaction Design an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich und das Interaction Design Institute Ivrea in Italien zu nennen.

Im Umfeld der Informatik bietet die Universität Konstanz die Vertiefungsrichtung Mensch-Computer-Interaktion im Rahmen des Bachelor- oder Master-Studiums Information Engineering an, die sich im interdisziplinären Spannungsfeld zwischen Informatik, Design und Psychologie bewegt. Einen ähnlichen Studiengang findet man an der Universität Duisburg-Essen. Dort gibt es den Master-Studiengang „Kognitions- und Medienwissenschaft“ mit Schwerpunkt Human Computer Interaction (Vertiefung Informatik oder Psychologie).

Der Begriff Interfacedesign sollte nicht mit dem alleinstehenden Begriff Interface verwechselt werden. Der Interface-Begriff steht im Designdiskurs ganz allgemein für die Beziehung zwischen Menschen, Produkten (bzw. Werkzeugen) und Handlungen. Er bildet in diesem speziellen Sinne einen gemeinsamen Nenner zwischen verschiedenen Designdisziplinen.

Verwandte Wissensgebiete

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da beim Interfacedesign komplexe Prozesse erfolgreich miteinander verknüpft werden sollen, liefern andere Wissensgebiete Erkenntnisse und Anregungen für das Interfacedesign:

  • Design und Gestaltung – insbesondere in Typografie, Farbenlehre, Layout (siehe auch Screendesign)
  • Heuristik – die Wissenschaft der allgemein wiederholbaren Vorgehensweisen in Lern-, Erkenntnis- und Problemlösungsprozessen. D. h. wie der Mensch sich Wissen aneignet und gedanklich organisiert.
  • Psychologie – insbesondere die kognitive Psychologie, also die Erkenntnis über unsere Rezeption und Bewertung von Kommunikation.
  • Archivierung – Wissenschaft und Praxis darüber, wie man Daten zum erfolgreichen Wiederfinden durch Dritte ablegt und dabei erhält.
  • Medientheorie – die eher theoretische Untersuchung, welche Typologien und innewohnenden Eigenschaften Medien haben und wie diese beim Gebrauch durch den mediennutzenden Menschen zum Tragen kommen.
  • Informatik, Programmierung und Künstliche Intelligenz (KI) – Da ein Interface immer die Landkarte der darunter liegenden Datenagglomeration ist, müssen auch die Abläufe und Bedingungen der Datenverarbeitung bekannt sein.
  • Soziologie – ein Wissensbereich, der derzeit noch wenig mit dem Interfacedesign verbunden ist, aber in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird: Wie begegnen unterschiedliche Lebensalter und Kulturen einer Mensch-Maschine-Schnittstelle?
  • Alan Cooper: The Inmates Are Running the Asylum, Sams (31. März 2004), ISBN 0-672-32614-0.
  • Alan Cooper: About Face 3.0: The Essentials of Interaction Design. Wiley & Sons, Auflage: 3. überarb. (30. Mai 2007), ISBN 978-0-470-08411-3.
  • Maximilian Eibl, Harald Reiterer, Peter Fr. Stephan: Knowledge Media Design. Theorie, Methodik, Praxis. Oldenbourg; Auflage: 2., korr. Aufl. (Juni 2006), ISBN 3-486-58014-0.
  • Steven R. Johnson: Interface Culture: How New Technology Transforms the Way We Create and Communicate. Basic Books; Auflage: Reprint (Oktober 1999), ISBN 0-465-03680-5.
  • Cyrus D. Khazaeli: Systemisches Design. Rowohlt Tb. (Juli 2005), ISBN 3-499-60078-1.
  • Steve Krug: Don't Make Me Think!: A Common Sense Approach to Web Usability, New Riders, Auflage: 2nd ed. (8. September 2005), ISBN 978-0-321-34475-5.
  • Bill Moggridge: Designing Interactions (with CDROM), The MIT Press (30. Oktober 2006), ISBN 0-262-13474-8.
  • Donald A. Norman: Things That Make Us Smart: Defending Human Attributes in the Age of the Machine. Perseus Books; Auflage: Reprint (Mai 1994), ISBN 0-201-62695-0.
  • Donald A. Norman: The Invisible Computer: Why Good Products Can Fail, the Personal Computer Is So Complex and Information Appliances Are the Solution. Mit Press; Auflage: Reprint (August 1999), ISBN 0-262-64041-4.
  • Bernhard Preim, Raimund Dachselt: Interaktive Systeme; Springer, 2010
  • Jef Raskin: Das intelligente Interface. Neue Ansätze für die Entwicklung interaktiver Benutzerschnittstellen. Addison-Wesley; Auflage: 1. Aufl. (15. April 2001), ISBN 3-8273-1796-7.
  • Ben Shneiderman: Designing the User Interface. Addison-Wesley Longman, Amsterdam (Mai 2004), ISBN 0-321-26978-0.
  • Ben Shneiderman: Leonardo's Laptop. Human Needs and the New Computing Technologies. B&T (September 2003), ISBN 0-262-69299-6.
  • Rainer Dorau: Emotionales Interaktionsdesign: Gesten und Mimik interaktiver Systeme, Springer 2011, ISBN 978-3-642-03100-7.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Benutzungszentrierte Schnittstellengestaltung (Memento des Originals vom 11. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iaw.rwth-aachen.de (PDF) – Institut für Arbeitswissenschaft an der Universität Aachen, aus FIR+IAW — Unternehmen der Zukunft, Ausgabe 4/2003, S. 14 und 15
  2. Vgl. Raskin, Das Intelligente Interface, 2001, S. 18.
  3. Torsten Stapelkamp: Interaction- und Interfacedesign-, Web-, Game-, Produkt- und Servicedesign-Usability und Interface als Corporate Identity, Springer Verlag Heidelberg, Dordrecht, London, New York 2010, ISBN 978-3-642-02073-5, S. 19.
  4. Torsten Stapelkamp: Interaction- und Interfacedesign-, Web-, Game-, Produkt- und Servicedesign-Usability und Interface als Corporate Identity, Springer Verlag Heidelberg, Dordrecht, London, New York 2010, ISBN 978-3-642-02073-5, S. 19.