Kampong Ayer

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Kampong Ayer

Kampong Ayer bezeichnet ein Wasserdorf in Bandar Seri Begawan, der Hauptstadt von Brunei. Der Name bedeutet „Wasser Dorf“ (malaiisch Kampung Air) und die Ansiedlung besteht tatsächlich aus einer Ansammlung von traditionellen Pfahlbau-Siedlungen über dem Brunei River. Sie liegen in unmittelbarer Nähe des heutigen Pusat Bandar (Stadtzentrum von Bandar Seri Begawan).[1][2] Kampong Ayer wird oft als eines der „Venice of the East“ (Venedig des Ostens) bezeichnet.[3][2]

In der Vergangenheit war Kampong Ayer die Hauptsiedlung von Brunei; sogar die De-facto-Hauptstadt, insbesondere das soziale und wirtschaftliche Zentrum des Bruneiischen Großreiches, sowie bis in die frühe Zeit während des britischen Imperialismus in Brunei.

Der gebräuchliche Name Kampong Ayer ist die veraltete Romanisierung des malaiischen Kampung Air („Wasserdorf“). Aus historischen Gründen wird weiterhin die veraltete Schreibweise beibehalten.[4]

Man geht davon aus, dass Kampong Ayer schon seit Jahrhunderten als Siedlung besteht. Es gibt zahlreiche historische Aufzeichnungen, speziell ausländische Quellen, in denen die Existenz einer 'Wassersiedlung' auf dem Brunei River bezeugt wird. Die bekanntesten davon sind die Berichte von Antonio Pigafetta, einem italienischen Entdecker, der im Gefolge der Flotte von Ferdinand Magellan 1521 Brunei besuchte,[5]

Er beschreibt das Siedlungsgebiet als

„komplett im Salzwasser gebaut... Sie besteht aus 25.000 Herdstellen (Familien). Die Häuser sind alle aus Holz konstruiert und vom Boden aus auf großen Säulen gebaut.“[6]

Möglicherweise war die Pfahlbausiedlung früher an einer anderen Stelle. Olivier van Noort, ein Niederländer, beschreibt die Häuser der Adligen anlässlich seines Aufenthalts in Brunei vom Dezember 1600 bis Januar 1601:

„Aus Holz hergestellt und auf so leichten Pfosten angebracht, dass, wenn ein Sturm kommt, oder irgend ein anderes ungünstiges Ereignis, die Häuser von einer Seite des Flusses auf die andere gebracht werden können.“[7]

Die Pfahlbausiedlung, die wir heutet als „Kampong Ayer“ bezeichnen war wohl schon immer die Hauptsiedlung und de facto Hauptstadt des Bruneiischen Großreiches[8] und überstand Bombardierungen während des Zweiten Weltkrieges.[9] Erst seit der erneuten Selbstständigkeit des Staates (Residential period, seit 1984) wurde ein Programm ins Leben gerufen, welches die Bewohner von Kampong Ayer aufforderte, sich an Land anzusiedeln. Erst nach einiger Zeit zeigte dieses Umsiedlungsprogramm Wirkung und die Einwohnerschaft schrumpfte. Trotzdem lebt noch immer eine große Gemeinschaft auf dem Wasser.

Kampong Ayer besteht aus zahlreichen kleinen Siedlungen, die offiziell den Status von „Kampung“ (Dörfer) haben, der dritten und niedrigsten Stufe in der Verwaltungshierarchie von Brunei; jedes Kampung hat seinen eigenen Ortsvorsteher malaiisch „ketua kampung“. Die Dörfer werden zusammengefasst zu Mukim (Subdistrikten) und gehören insgesamt zum Distrikt (Daerah) Brunei-Muara, welcher einem penghulu untersteht. Die Verwaltung der Mukim und Kampung in Kampong Ayer werden vom Brunei-Muara District Office überwacht.

Siedlungsgliederung

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Mukims und Siedlungen in Kampong Ayer
Mukim[10] Siedlungen[11]
Burong Pingai Ayer Burong Pingai Ayer, Lurong Dalam, Pandai Besi 'A', Pandai Besi 'B', Pekan Lama, Pengiran Setia Negara, Sungai Pandan 'A', Sungai Pandan 'B'
Peramu Bakut Berumput, Bakut Pengiran Siraja Muda 'A', Bakut Pengiran Siraja Muda 'B', Lurong Sikuna, Pekilong Muara, Peramu, Setia Pahlawan Lama
Saba Saba Darat 'A', Saba Darat 'B', Saba Laut, Saba Tengah, Saba Ujong
Sungai Kebun Bolkiah 'A', Bolkiah 'B', Setia 'A', Setia 'B', Sungai Kebun, Sungai Siamas, Ujong Kelinik
Tamoi Pengiran Bendahara Lama, Pengiran Kerma Indera Lama, Pengiran Tajuddin Hitam, Tamoi Tengah, Tamoi Ujong

Bis vor kurzem gab es einen weiteren Mukim in Kampong Ayer: Sungai Kedayan. Dieser Mukim und die zugehörigen Kampung sind jedoch verschwunden, weil zum goldenen Krönungsjubiläum von Sultan Hassanal Bolkiah 2017 der Taman Mahkota Jubli Emas (Jubiläumspark am Flussufer) errichtet wurde und dafür Teile der Siedlungen am Kedayan River aufgelöst wurden.[12][13]

Wassertaxis in Kampong Ayer.

Die Häuser und Siedlungen des Kampong Ayer sind durch Brücken und Stege aus Holz oder teilweise auch Zement verbunden.[2] Dadurch ist ein großer Teil der Gebäude zu Fuß erreichbar. Zwischen den Siedlungen, die keinen Anschluss ans Ufer haben oder, die nicht verbunden sind, gibt es „Wassertaxis“ (malaiisch perahu tambang),[2] hölzerne Motorboote, die gegen ein Fährgeld Fahrgäste und Güter transportieren.

Vergleichbar zu öffentlichem Wohnungsbau an Land, gibt es im Kampong Ayer mehrere Sozialwohnungs-komplexe in Form von Pfahlbauhäusern. Ein Pilotprojekt zu „upgrading“ von Kampong Ayer ließ zahlreiche ein- bis zweistöckige Gebäude in den Siedlungen von Saba und Peramu entstehen.[14]

In den Siedlungen gibt es daneben zahlreiche Einrichtungen die gemeinschaftlich aufgebaut wurden, wie Elektrizität, fließendes Trinkwasser, Telefon-Verkabelung, Internet-Zugang und Fernsehen.[1]

Awang Semaun Secondary School

In den Wasserdörfern gibt es zahlreiche Schulen, sowohl Grundschulen, als auch weiterführende und religiöse Schulen. Jeder Mukim hat wenigstens eine Grundschule. Die Awang Semaun Secondary School ist die einzige Schule ihrer Art mit den Schulgebäuden komplett aus Pfahlbauten. Daneben hat auch die Sayyidina Umar Al-Khattab Secondary School am Ufer ein Einzugsgebiet in die Siedlungen von Kampong Ayer. Daneben gibt es sogar Moscheen auf dem Wasser, Feuerwachen und Polizeiposten. Vor allem die Feuerwache spielt eine wichtige Rolle, da schlechte Elektro-Installationen, und die Holzkonstruktionen der Häuser oft Feuer auslösen.[15]

Herausforderungen

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Bevölkerungsentwicklung

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Kampong Ayer bildet ein bedeutendes historisches und kulturelles Erbe von Brunei. Aus diesem Grund werden Bedenken zum Überleben der Gemeinschaft besonders beachtet. In den letzten Jahrzehnten sind zunehmend Einwohner aufs Festland abgewandert. Die Bevölkerung ist von 28.000 Personen 1981 auf 13.000 2011 geschrumpft.[16] Neben der Abwanderung bildet der moderne Lebensstil eine Bedrohung für die Gebräuche und Traditionen in den Siedlungen und schwächt den Gemeinschaftssinn der Anwohner.[16]

Abfälle und Abwässer in den Gewässern um die Siedlungen bilden ein andauerndes Problem, obwohl mittlerweile Maßnahmen von Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen getroffen wurden.[17] Dabei handelt es sich nicht nur um Abfälle aus den Siedlungen selbst, sondern zum Teil um Verschmutzungen vom Land und von den Einzugsgebieten des Flusses. Daher muss ein effektives Müll-Management eingeführt werden.[18] Die Regierung hat Abwassersysteme in den Einzugsgebieten und Müllsammelstellen in den Siedlungen eingerichtet.[18][19] Systematische Abwasserentsorgung gibt es trotzdem bisher nur in den öffentlichen Bauprojekten wie Bolkiah 'A', Bolkiah 'B' und Sungai Bunga.[18] Auch Programme zur Bildung eines Umweltbewusstseins benötigen noch Zeit um Wirkung zu zeigen.

Commons: Kampong Ayer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Kampong Ayer (Water Village). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Juni 2018; abgerufen am 13. Dezember 2017.
  2. a b c d Road Map and Street Index of Brunei Darussalam. ISBN 99917-901-0-1, S. 34.
  3. Welcome to Brunei Darussalam : the complete traveller's guide. 1. Auflage. Brunei Press, [Bandar Seri Begawan, Brunei Darussalam] 2000, ISBN 99917-32-05-5, S. 23.
  4. Kampong Ayer Cultural and Tourism Gallery. Tourism Development Department. Abgerufen am 26. März 2019.
  5. Robert Nicholl (Hrsg.): European sources for the history of the Sultanate of Brunei in the sixteenth century. 3. Auflage. Brunei Museums Department, [Bandar Seri Begawan] 2007, ISBN 978-99917-30-31-8, S. 8.
  6. entirely built in salt water... It contains twenty-five thousand hearths (families). The houses are all constructed of wood and built up from the ground on tall pillars. Antonio Pigafetta. In: European Sources for the History of the Sultanate of Brunei in the Sixteenth Century. 11
  7. made of wood, and built on such light piles that when there is a storm or some other untoward event these houses can be removed from one side of the river to the other. Olivier van Noort In: Robert Nicholl (Hrsg.): European Sources for the History of the Sultanate of Brunei in the Sixteenth Century. 1975, S. 96.
  8. Rozan Yunos: Retracing history of streets of Bandar. In: The Brunei Times. 18. Januar 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. August 2016; abgerufen am 18. Juli 2016.
  9. S. C. Chi: The changing socio-economic profile of Kampong Ayer, Negara Brunei Darussalam. Faculty of Arts and Social Sciences, Universiti Brunei Darussalam, 1994, S. 65 (google.com).
  10. Brunei-Muara District. (PDF) S. 8, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  11. Geoportal - Survey Department. Abgerufen am 13. Dezember 2017 (amerikanisches Englisch).
  12. Jimi-Ha: LOCAL NEWS. 3g.modasys.net, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Oktober 2017; abgerufen am 13. Dezember 2017 (britisches Englisch).
  13. His Majesty launches Taman Mahkota Jubli Emas – Borneo Bulletin Online. In: Borneo Bulletin Online. 23. Oktober 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. Dezember 2017; abgerufen am 13. Dezember 2017.
  14. Projek Perintik Menaik Taraf Kampung Ayer. (PDF) Abgerufen am 13. Dezember 2017.
  15. War on Kampong Ayer fire – Borneo Bulletin Online. In: Borneo Bulletin Online. 16. Juni 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Juni 2017; abgerufen am 13. Dezember 2017.
  16. a b Khai Zem Mat Sani: Kampong Ayer Research. apb.ubd.edu.bn, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  17. Kg Ayer’s long drawn battle with rubbish. In: Green Brunei. 25. April 2016, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  18. a b c Department of Environment, Park and Recreation - Don't Destroy Our River. www.env.gov.bn, abgerufen am 13. Dezember 2017.
  19. Arifubillah Masli: Kg Ayer's rubbish impossible to eliminate, says JASTRe. modasys.net, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 13. Dezember 2017.@1@2Vorlage:Toter Link/modasys.net (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)

Koordinaten: 4° 53′ N, 114° 57′ O