Kirchen in Neapel

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„Was uns in Neapel am außergewöhnlichsten erschien, ist die Zahl und die Pracht seiner Kirchen; ich kann Euch ohne zu übertreiben sagen, dass es die Vorstellungskraft weit übertrifft.“

Maximilien Misson, Nouveau Voyage d’Italie (Amsterdam 1743).[1]
Certosa di San Martino, Neapel

Unter Kirchen in Neapel sind hier vor allem Bauwerke von historischem und künstlerischem Interesse gemeint, die über einen Zeitraum von der frühchristlichen Periode bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Laut Geschichtsschreibung und nach den zuverlässigsten Quellen handelt es sich etwa um ein halbes Tausend. Die neapolitanischen Kirchen bilden ein reiches Erbe an Kunst-, Architektur-, Kultur- und Geistesgeschichte, das sich über siebzehn Jahrhunderte gebildet hat: nicht umsonst wird Neapel „die Stadt der fünfhundert Kuppeln“ genannt.[2] Andere Quellen meinen allerdings, dass ihre Zahl weit darüber hinausgeht (insbesondere, wenn man auch noch Kultstätten wie diejenigen des großen Friedhofs von Poggioreale hinzuzählt, die nicht selten in staatlichen Zählungen oder entsprechenden Erhebungen fehlen).

Die Basilica di San Giovanni Maggiore mit ihrer frühchristlichen Apsis

Die ersten christlichen Kirchen in Neapel gehen auf die Zeit kurz nach dem Toleranzedikt von Mailand von Konstantin dem Großen im Jahre 313 zurück.

In der Stadt finden sich verschiedene Arten frühchristlicher Spuren: Am häufigsten sind Überreste wie Fresken oder anderes, die sich z. B. im Hypogäum viel jüngerer Barockkirchen befinden, oder solche, in denen die frühchristliche Architektur mit nachfolgenden architektonischen und künstlerischen Strömungen verschmolzen ist, ein bedeutendes Beispiel dafür ist die Basilica di Santa Restituta, die heute zum Dom gehört; auch die Krypta von Santa Maria della Sanità geht auf eine frühchristliche Kirche zurück. Daneben gibt es Beispiele für fast intakte frühchristliche Kirchen in einigen Katakomben von Neapel.

Zu den ältesten frühchristlichen Kirchen gehört die Basilica di San Pietro ad Aram. Obwohl später in anderen Stilen umgebaut, ist sie doch stark von ihren Ursprüngen geprägt, was vor allem ihre unterirdischen Strukturen bezeugen, welche die Kunst und Architektur der Spätantike streng bewahrt haben. Ähnlich liegt der Fall bei San Giorgio Maggiore, die im Inneren ein seltenes Beispiel für eine komplette antike Apsis besitzt.[3] Schließlich ist da noch die Basilika von San Giovanni Maggiore, die in der Apsis die Überreste eines schon vorher existierenden heidnischen Tempels bewahrt, und bereits im 6. Jahrhundert zusammen mit San Giorgio Maggiore eine der wichtigsten Kultstätten der Stadt war.[4]

Apsis mit Deambulatorium in gotischem Stil der Basilika San Lorenzo Maggiore

Von den Kirchen des frühen Mittelalters und der Romanik sind nur noch wenige erhalten. Was die Gotik betrifft, ist das prominenteste Beispiel die Basilika Santa Chiara, die in ihrer eleganten provençalischen Gotik und mit ihrem etwa 130 Meter langen und ca. 45 Meter hohen Kirchenschiff das größte gotische Bauwerk der Stadt ist. Die Kirche wurde allerdings im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört und ist in ihrer heutigen Form eine Rekonstruktion. Erhalten blieben gotische Grabdenkmäler verschiedener Dynastien oder Adelsfamilien im Inneren. Ein weiteres Wahrzeichen ist die Kirche San Domenico Maggiore, die nach dem klassischen Kanon der Gotik gebaut wurde, jedoch später im Stil von Renaissance und Barock überarbeitet wurde. Die Kirche San Lorenzo Maggiore dagegen stellt eine gelungene Mischung der französischen Gotik mit dem franziskanischen Stilideal dar; auch sie erhielt später barocke Akzente. Bei San Pietro a Majella versuchte man durch eine Restaurierung Ende des 19. und 20. Jahrhunderts das ursprüngliche schlichte Aussehen wiederherzustellen, mit Ausnahme der barocken Decke. Zu den besterhaltenen und interessantesten gotischen Kirchen zählt San Giovanni a Carbonara, die auch bedeutende Elemente der Renaissance aufweist.

Unter Alfons V. von Aragonien verwandelte sich Neapel in eine der wichtigsten Städte der Renaissance.[5] Die künstlerischen und kulturellen Bindungen zu Florenz führten zu einer teilweisen Veränderung des architektonischen Gefüges der Stadt. Dies zeigt sich vor allem an der Kirche Gesù Nuovo, die mit ihrer klassischen Diamantquader-Fassade zu den ersten Beispielen von Renaissance-Elementen in Neapel zählt. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist die Kirche Sant’Anna dei Lombardi (auch bekannt als: Santa Maria di Monteoliveto), die durch ihre großen Kapellen bei zentralem Grundriss deutlich den Einfluss ähnlicher Bauwerke in Florenz zeigt. Erwähnenswert ist auch die kleine Kirche Santa Maria del Parto a Mergellina mit dem Grab des Renaissance-Dichters Jacopo Sannazaro.

Ein deutlicher Einfluss des Manierismus findet sich in Santi Severino e Sossio und Gesù delle Monache, auch wenn beide Kirchen später barockisiert wurden. Santa Maria la Nova und San Gregorio Armeno verfügen beide über außergewöhnliche spätmanieristische Kassettendecken.

Fresken von Lanfranco und Domenichino in der Kuppel der Cappela di San Gennaro im Dom

Die monumentalen Kirchen von Neapel präsentieren sich besonders häufig im barocken Gewand. Zu den wichtigsten Architekten des neapolitanischen Barock gehören Giovan Giacomo Di Conforto, Fra Nuvolo, Bartolomeo Picchiatti und sein Sohn Francesco Antonio Picchiatti, Cosimo Fanzago und Dionisio Lazzari. Im Spätbarock wirkten Domenico Antonio Vaccaro, Arcangelo Guglielmelli, Ferdinando Sanfelice und Nicola Tagliacozzi Canale. Die zahlreichen Altargemälde, insbesondere die des 17. Jahrhunderts, wurden direkt oder indirekt von Caravaggio beeinflusst, die bedeutendsten Maler in Neapel waren Jusepe de Ribera, Massimo Stanzione, Battistello Caracciolo, Bernardo Cavallino, Luca Giordano, Francesco Solimena, Nicola Malinconico u. a. Die Freskenmalerei spielte ab dem späten 16. Jahrhundert bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle für die Dekoration der Kirchen; sie stand zunächst unter dem Einfluss des Cavalier d’Arpino und wurde ab etwa 1630 durch die Schüler der Carracci, Domenichino und Lanfranco, geprägt. Zu den berühmtesten und meistbeschäftigten Freskanten, die ihre Spuren in vielen Kirchen Neapels hinterließen, gehörten Belisario Corenzio, Paolo De Matteis, Luca Giordano, Giovanni Battista Benaschi, Francesco Solimena, Francesco de Mura u. a. Ab 1600 oder 1610 und in den kommenden Jahrzehnten wurden in Neapel zahlreiche Barockkirchen gebaut, die oft mit reichen polychromen Marmor- oder Stuckdekorationen verziert sind; dieser typisch neapolitanische Dekorationsstil wurde entscheidend von Cosimo Fanzago geprägt. Die Certosa di San Martino, einer der größten religiösen Komplexe Neapels, ist eines der großartigsten und bedeutendsten Beispiele dieses neapolitanischen Barock.

Ein bedeutendes Barock-Juwel Neapels ist außerdem die berühmte Cappella del Tesoro di San Gennaro im Dom von Neapel: ihre Ausstattung mit Marmor, Fresken, Gemälden und anderen Kunstwerken wurde von den besten Künstlern der Zeit geschaffen, die Malereien der Kuppel und Decke stammen von Lanfranco und Domenichino, Skulpturen, Dekorationen und Architektur von neapolitanischen Künstlern.

Die Basilika San Francesco di Paola

Zu den „jüngeren“ Kirchen der Stadt gehören diejenigen aus der Zeit des Klassizismus. Sie lassen sich in zwei verschiedene Kategorien einteilen: zur ersten gehören solche, die grundsätzlich noch vom Spätbarock geprägt sind, zur zweiten zählen Kirchen, deren Innenräume und/oder Fassaden den Klassizismus in absoluter und strenger Reinheit verkörpern. Zwei bedeutende Exponenten des frühen Klassizismus sind Ferdinando Fuga und Luigi Vanvitelli. Das größte Beispiel und eine der bedeutendsten „neoklassischen“ Kirchen in ganz Italien ist die Basilica di San Francesco di Paola,[6] die von Pietro Bianchi realisiert wurde.[7]

Kirchen im historischen Zentrum von Neapel

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Die folgenden religiösen Bauwerke – die Certosa di San Martino, die Basiliken und die „großen“ Kirchen (chiese maggiori) – befinden sich alle im historischen Zentrum mit Ausnahme der Basilica di Santa Maria della Neve von Ponticelli und der Kirche San Giuseppe Maggiore dei Falegnami. Es werden auch Bauten genannt, die keine Kirchen oder Kapellen (mehr) im eigentlichen Sinne darstellen, die jedoch als Bauwerk interessant und manchmal wenig bekannt sind. Es gibt z. B. einige Kirchen, die als Gebetsstätte „verwaist“ sind, da sie mittlerweile dekonsakriert, also aufgehoben, wurden, die aber auf jeden Fall auch wichtige Zeugnisse der historischen religiösen Architektur von Neapel darstellen. Hinzu kommen religiöse Bauten von besonderem historischem Interesse.

Die Basilika Santa Chiara
Die Basilika San Paolo Maggiore

Die Bezeichnung Basilika in der folgenden Auflistung basiert auf Daten des Erzbistums Neapel.

„Größere“ Kirchen (Chiese maggiori)

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Gesù Nuovo

Der Namenszusatz „maggiore“ (= größer) vieler der untengenannten Kirchenbauten, ist nicht als Titel zu verstehen, der von der aktuellen Römisch-katholischen Kirche verliehen wurde, sondern:

  • stammt teilweise noch aus der neapolitanischen Geschichte, als manche Kirchen offiziell den Zusatz „maggiore“ erhielten, weil sie damals tatsächlich die wichtigsten Gotteshäuser der Stadt waren: zum Teil blieb diese Zusatzbezeichnung bis heute erhalten, zum Beispiel bei der Kirche San Giorgio Maggiore.
  • Die Bezeichnung „maggiore“ kann auch auf eine Kirche von größerem religiösem, historischem usw. Status hinweisen, wie z. B. bei der Kirche Gesù Nuovo, die auch als Trinità Maggiore bekannt ist, oder bei der Chiesa dei Girolamini, die auch als Chiesa Maggiore bekannt ist. Insbesondere von der letzteren gibt es nur wenige Quellen, die sie mit diesem Namen erwähnen, und es scheint, dass er sich ausschließlich auf ihre Größe bezieht, und auch, um sie vom Oratorio dell’Assunta zu unterscheiden (das zum selben Komplex gehört).
  • Im Fall der Kirche von „San Giuseppe Maggiore“ lautet der Hauptname des aktuellen Bauwerks eigentlich „San Diego all’Ospedaletto“: in diesem Fall wurde der zweite Name San Giuseppe Maggiore in Erinnerung an eine frühere Kultstätte gegeben, die jedoch in der Zeit des Faschismus zerstört wurde.
Chiesa dei Girolamini
San Domenico Maggiore

Es gibt auch mehrere von der Erzdiözese anerkannte Basiliken, die neben dem Ehrentitel Basilika auch noch den Superlativ „maggiore“ verwenden: wie z. B. die Basilika Santa Maria del Carmine Maggiore. Im Übrigen weist der Begriff „maggiore“ nicht unbedingt auf einen objektiv überlegenen Zustand des Gebäudes hin, im Vergleich zu anderen „kleineren“ Kirchen, deren historische, künstlerische und kulturelle Bedeutung in manchen Fällen sogar größer sein kann, als die von einigen größeren Kirchen oder Basiliken. Beispiele dafür sind die Kirchen Sant’Anna dei Lombardi, Sant’Angelo a Nilo, Santa Caterina a Formiello usw.

Kirchen im historischen Stadtzentrum von Neapel

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San Gregorio Armeno
Gesù Vecchio
Santi Severino e Sossio
Santissima Trinità dei Pellegrini
Santa Maria la Nova
Santa Maria Egiziaca a Forcella
Chiesa della Pietà dei Turchini
Santa Teresa a Chiaia
Chiesa di San Domenico Soriano
Chiesa di San Ferdinando
San Michele Arcangelo
San Nicola alla Carità
Chiesa di San Pietro a Majella
Sant’Anna dei Lombardi
Sant’Anna di Palazzo
Santa Brigida
Santa Caterina a Formiello
Santa Maria della Carità
Santa Maria della Pace
Santa Maria delle Anime del Purgatorio ad Arco
Santa Maria di Costantinopoli
Santa Maria di Monteverginella
Santa Maria Donnaregina Nuova
Santa Maria Donnaromita
Santa Maria Regina Coeli
Santa Teresa degli Scalzi

Sogenannte Complessi religiosi

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Complesso di Santa Lucia Vergine al Monte
Monte di Pietà
Oratorio dell’Assunta im Complesso dei Girolamini

Christliche Bauwerke außerhalb des historischen Zentrums von Neapel (Auswahl)

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Einzelnachweise

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  1. « Ce qui nous a paru le plus extraordinaire à Naples, c’est le nombre et la magnificence de ses églises ; je puis vous dire sans exagérer que cela surpasse l’immagination »: Maximilien Misson, Voyage d’Italie, Edition augmentée de remarques nouvelles et intéressantes, Amsterdam, Clousier, 1743, tome 2, p. 90 (Originaltext, Text in italienisch).
  2. Enzo Striano: The rest of Nothing, Loffredo ed., Salerno 1996. ISBN 88-8096-422-4
  3. La chiesa di San Giorgio Maggiore a Napoli. Abgerufen am 7. März 2019.
  4. AA. VV.: La basilica di San Giovanni Maggiore, (vom Erzbistum von Neapel herausgegebener Kirchenführer), Fondazione Ordine Ingegneri, Neapel, 2012.
  5. Enrico de Rosa: Alfonso I d’Aragona, il re che ha fatto il Rinascimento a Napoli, D’Auria M. editore, 2007. ISBN 978-88-7092-280-6
  6. R. Middleton, D. Watkin: Architettura dell’Ottocento, Martellago (Venezia), Electa, 2001, S. 292
  7. Alenapoli Tour: San Francesco Di Paola (Memento vom 17. Mai 2008 im Internet Archive)
  • Vincenzo Regina: Le chiese di Napoli. Viaggio indimenticabile attraverso la storia artistica, architettonica, letteraria, civile e spiriturale della Napoli sacra, Newton e Compton editore, Neapel 2004.
  • Francesco Domenico Moccia e Dante Caporali: NapoliGuida-Tra Luoghi e Monumenti della città storica, Clean, 2001
  • Nicola Spinosa (wissenschaftl. Leitung), Gemma Cautela, Leonardo Di Mauro, Renato Ruotolo: Napoli sacra. Guida alle chiese della città, Neapel 1993–1997.
  • Gennaro Aspreno Galante: Guida sacra della città di Napoli, 1872 (Neuausgabe: Solemar Edizioni, Mugnano di Napoli, 2007).
  • Maria Caputi: Napoli rivelata. Gli spazi sacri del centro antico, D’Auria M. Editore, 1994. Codice EAN 9788870920970