Negerkönig

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Negerkönig ist ein Wort für monarchische Herrscher Afrikas. Der Ausdruck ist heute gänzlich veraltet und nicht politisch korrekt.

Schon im beginnenden Kolonialismus der frühen Neuzeit galten gewisse Konventionen, die die Vorläufer des heutigen Völkerrechts darstellen. Durch einfache Flaggensetzung „für Gott und Krone“ in Besitz genommen konnten nur Landgebiete, die tatsächlich neu (für Europa) entdeckt wurden. Andernorts musste die Legitimität einer Niederlassung durchaus urkundlich bewiesen werden, um in bilateralen Verhandlungen oder vor schiedsgerichtlichen Instanzen wie dem Heiligen Stuhl in Rom bestand zu haben, also Verträge wie durch Kauf, Pacht, Schenkung, durch freiwillige Unterschutzstellungen – seien sie auch von schriftunkundigen Kulturen erschlichen oder durch militärische Maßnahmen erpresst – oder eine (in europäischen Augen) rechtmäßige militärische Eroberung.[1] Dies galt insbesondere für den afrikanischen Kontinent, der ja unstrittig von alters her bekannt war, also nicht „entdeckt“ werden konnte. Diese politischen Erwägungen flossen auch in die frühe wissenschaftliche Länderkunde ein, als Afrika im späteren 17. Jahrhundert erstmals europäischerseits ethnographisch genauer beschrieben wurde, insbesondere Subsahara-Afrika, das „unbekannte“ südliche Afrika abseits des Maghreb im Mittelmeerraum, der ja in der europäischen Kulturtradition durch die Römerzeit präsent war. Dabei wurde schon früh beschrieben, dass es durchaus auch dort größere vollständig souveräne staatsähnliche Gebilde gab. Für die Oberhäupter dieser Territorien hatte man folglich kein anderes Wort als die Entsprechung zum König europäischen Verständnisses,[2][3] der im System des Feudalismus keiner weiteren weltlichen Macht unterstand. Daher bildete sich in der Ethnographie und politischen Geographie der Begriff „Negerkönig“ und „Negerkönigreich“. So findet sich beispielsweise das Oberhaupt des – so genannten – „König“-Reichs Kongo erwähnt,[4][5] aber auch die Häuptlinge andere Stämme.[6][7] Übertragen wurde der Ausdruck dann auch auf von den europäischen Kolonialverwaltungen eingesetzte Marionettenregierungen, wie auch die Anführer von Unabhängigkeitsbewegungen schwarzer Gruppen in Afrika und den beiden Amerikas (beispielsweise die Führer Toussaint und Dessalines des kurzlebigen – als solches selbsternannten – „Kaiser-“Reichs Haiti 1804).[8] Entsprechend finden sich auch englisch Negro king[9][10] oder französisch Roy nègre.

Daneben findet sich das Wort für Balthasar, denjenigen der Heiligen Drei Könige, der dunkelhäutig dargestellt wird, auch um die afrikanische Urchristenheit zu repräsentieren.[11] Daher findet sich der Negerkönig in der kunstgeschichtlichen Ikonographie sowohl als Heiliger König, wie als Symbol der Heiden.[12]

Heute gilt der Ausdruck als fachsprachlich völlig untauglich. Zum einen ist „Neger“ für Schwarze nunmehr ein Ethnophaulismus, zum anderen werden – bis auf einige Bezeichnungen für bestehende Monarchien oder solche, die sich schon im 19. Jahrhundert völkerrechtlich etabliert haben – für Amtstitel nicht mehr die Bezeichnungen der christlich-europäischen Tradition auf andere Kulturen übertragen, die landessprachlichen Ausdrücke werden zunehmend unübersetzt im Sinne eines Fachvokabulars verwendet.[3][10] Allgemein findet sich eher Stammeshäuptling und Ähnliches.

In der Heraldik wird die Figur eines Schwarzen mit Krone von alters her korrekt blasoniert als Mohrenkönig oder gekrönter Mohr bezeichnet (das Wort steht zu Mauren), diese Bezeichnungen findet sich heute auch sonst in der Kunstgeschichte.

In Diskussion geriet das Wort wieder in den 2010ern, es findet sich in Astrid Lindgrens populärem Kinderbuch Pippi Langstrumpf für ihren Vater (im schwedischen Original Pippi Långstrump: „negerkung“) – der Oetinger-Verlag ersetzte es in seiner deutschen Übersetzung durch „Südseekönig“ (siehe dazu Neger: Kontroverse um die Verwendung in Literatur und Produktnamen).

Einzelnachweise

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  1. Schilderungen solcher Inbesitznahmen in Bezug auf „Negerkönige“ finden sich beispielsweise zu Diogo de Azambuja 1481 im Kongogebiet in:
    Oscar Peschel: Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, Band 2, Verlag Cotta, 1858, S. 89 (Google eBook, vollständige Ansicht);
    L. Aulander: Die Seehelden Portugals, ihre Reisen und Entdeckungen an den Küsten Afrikas und Ostindiens im 15ten u. 16ten Jahrhundert. Nach ältern u. neuesten Quellen für die reifere Jugend bearbeitet, Verlag Winckelmann u. S., 1850, S. 13 (Google eBook, vollständige Ansicht).
  2. Als Beispiel: Erasmus Francisci: Neu-polirter Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völcker / führnemlich der Sineser / Japaner / Indostaner /… in sechs Büchern / sechserley Gestalten, II. Buch (Das Andre Buch) Der Policey- und Krieg-Ordnungen / Gebräuchen / Sitten / und Gewohnheiten / Tugenden und Laster. Verlag Johann Andreas Endter, Nürnberg 1670 (Google eBook, vollständige Ansicht) – der Autor behandelt die „Könige hinter capo verde/Africanischen Könige hinter dem Haupt der guten Hoffnung“ (Kapitel XXIX Die Wapen / Helmen / und Petschaffte. S. 697, Sp. 2; Kapitel ab S. 683 – „Kap der guten Hoffnung“ hier nicht im heutigen Sinne) und „der ungläubigen Könige Titel …“ (Kapitel XXX Der Titel. S. 698, Sp. 1).
  3. a b Beispielsweise König von Siam/Thailand (Phra mh̄ā ks̄ʹạtriy̒ thịy); analog auch Kaiser von China (Huáng/Di), Kaiser von Japan (Tennō), auch hier aber: Zar von Russland (Tsar), Schah von Persien (Šāh); diese Ausdrücke datieren in das 17. Jahrhundert; vgl. obengenanntes Francisci: Neu-polirter Geschicht- Kunst- und Sitten-Spiegel ausländischer Völcker …, 1670 – der Autor nennt den „Kaiser/König/Großkönig von Sina“ (S. 967, Sp. 2, S. 968, Sp. 1 u. 2), „Kaiser von Japan“ (S. 968, Sp. 1), „König in Celon (Zeilan)“ (S. 967, Sp. 1), „König von Achem (oder Acen)“ (S. 701, Sp. 2), aber auch den „Padeschach (Kaiser) der Türcken“ (S. 702, Sp. 2) und „Schach (oder König) von Persien“ (S. 967, Sp. 1; Diskussion des Wortes S. 702, Sp. 2), „Zaar von Russland“ (S. 967, Sp. 2), „Großen Indianischen Mogol“ (S. 967, Sp. 1, S. 701, Sp. 2); und auch die „Abyssinischen Könige“ (S. 703, Sp. 2) Äthiopiens, die also nicht zu den „Africanischen Königen“ gezählt wurden.
  4. J. B. Weis: Der Negerkönig. In: Der Osterreichische Volksfreund. 1830, Abschnitt Völkerkunde. S. 63–65 (Google eBook, vollständige Ansicht); Abschnitt ab S. 54 – über Charakterbild und einige rassentheoretische und rechtliche Gruppen der „Neger“ Südamerikas und Afrikas.
  5. Gottlieb August Wimmer: Die Enthüllung des Erdteils oder Allgemeine Geschichte der Entdeckungsreisen … 2. Band Die geographischen Entdeckungen in Afrika. 1834, 2. Buch, Kapitel 10. Bathels Abenteuer. S. 146 (Kapitel ab S. 141, Google eBook, vollständige Ansicht).
  6. So finden sich etwa der „Negerkönig von Grand Bassa“ oder der „Negerkönig Peter Harris“ in Nachbarschaft zu Liberia um 1830 genannt in: Friedrich Wilhelm Carové: Skizzen zur Kultur- und Kunstgeschichte. Band 3 von Neorama, Verlag O. Wigand, 1838, Abschnitt III. Tabletten zur Völker- und Weltkunde, Kapitel 12. Die Kolonien freier Neger in Afrika. S. 292 (Google eBook, vollständige Ansicht, Abschnitt ab S. 243).
  7. „Negerkönig der Joloffen“ in Gambia in: Carl Ritter: Die Erdkunde im Verhältniss zur Natur und zur Geschichte des Menschen. 1. Theil, 1. Buch. Afrika. 2. Auflage. Verlag G. Reimer, 1822, S. 412 (Google eBook, vollständige Ansicht).
  8. August Wilhelm von Zimmermann: Die Erde und ihre Bewohner nach den neuesten Entdeckungen: ein Lesebuch für Geographie, Völkerkunde, Produktenlehre und den Handel. Band 2 Westindien. Verlag Fleischer, 1810, S. 161 f (Google eBook, vollständige Ansicht) – der Autor diskutiert dort durchaus völkerrechtlichen Kontext zur Abschaffung der Sklaverei.
  9. Z.b. Life and Landscapes from Egypt to the Negro Kingdom of the White Nile: Being a Journey to Central Africa. O.A., 1855.
  10. a b Die englische Bezeichnung negro kingdom wird aber noch durchaus als Fachausdruck verwendet, beispielsweise: Robert Bernasconi: Race and Racism in Continental Philosophy. Indiana University Press, 2003, ISBN 0-253-11067-X, S. 294 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Vgl. etwa: Zeitschrift für christliche Kunst. Bände 29–30, Verlag L. Schwann, 1916, S. 50 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Vgl. H. Boehmer: Die Jesuiten. 1907, S. 93 (Nachdruck Salzwasser Verlag, Paderborn 2013, ISBN 978-3-8460-3611-2; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) – dort eine Ikonographie des Hl. Ignatius, der einen „gekrönten Negerkönig dem Gesetz Gottes unterwirft.“