Stephan Kessler (Maler)

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„Die Vertreibung Heliodors aus dem Tempel“, Öl auf Leinwand, ca. 1670

Stephan Kessler (* 16. Januar 1622 in Donauwörth; † 31. August 1700 in Brixen) war einer der bedeutendsten Barockmaler Tirols. Als gefragter Künstler des städtischen Klerus und Adels malte er unter anderem Altarblätter und biblische Historienbilder und gestaltete zusammen mit Caspar Feichtmayr den Barocksaal des Klosters Benediktbeuern.

Zum Leben Stephan Kesslers finden sich in den Archiven seiner Heimat zahlreiche verstreute Spuren. Sie betreffen zum Beispiel Eheschließungen und Kindstaufen, Erb- und Grundstücksangelegenheiten, Vereinbarungen und Streitigkeiten über Honorare. Eine lückenlos geschlossene Biografie, zuverlässige Auskünfte über Charakter und Lebensweise des Malers lassen sich daraus jedoch nicht ableiten.[1]

Kesslers Vater Georg war von Beruf Maler und aus Breslau nach Donauwörth gekommen. Dort heiratete er 1621 Anna, die Witwe seines Meisters. Stephan Kessler, Sohn aus dieser Ehe, wurde am 16. Januar 1622 in Donauwörth geboren. Für 1643 ist sein Aufenthalt in Brixen verbürgt, 1644 erhielt er das dortige Bürgerrecht, wobei ihm vorgeschlagen wurde, statt der dafür fälligen Zahlung eine Bildtafel für das Rathaus zu malen; es ist nicht bekannt, wie sich der Maler in dieser Frage entschied. 1643 hatte Kessler seine erste Ehe geschlossen, mit seiner Frau Margretha hatte er sieben Kinder. Nachdem seine Frau 1692 gestorben war, ging er wenige Monate später eine zweite Ehe ein und heiratete 1698, aus dem gleichen Grund und nach ebenso kurzer Frist, zum dritten Mal. Knapp zwei Jahre später, am 31. August 1700, starb Stephan Kessler, „der freyen Khunst Mahler“.[2]

Kessler hatte bald nach seiner Ankunft in Brixen eine Malerwerkstatt gegründet und diese mit großem unternehmerischen Geschick geführt. Schon nach kurzer Zeit erhielt er viele Aufträge von kirchlichen und adligen Auftraggebern. Er wurde über Südtirol hinaus bekannt und hatte Kunden in Städten wie Graz und Wien. In späteren Jahren arbeiteten seine Söhne Michael, Gabriel und Raphael in seiner Werkstatt mit[3].

Zur Lebenszeit Kesslers war es gängige Praxis unter bildenden Künstlern, auf Bildformulierungen zurückzugreifen, die von berühmten Kollegen entwickelt worden waren. In Kesslers gesamtem Werk lassen sich mehr oder weniger ausführliche Bildzitate dieser Art erkennen, Bausteine gewissermaßen, die in wechselnden Handlungsrahmen eingesetzt wurden. Solches Verhalten wurde seinerzeit generell nicht als Versuch eines Plagiats verurteilt, sondern im Gegenteil als Beweis von fachlichem Wissen anerkannt. Neben einigen Einflüssen aus Deutschland und Italien (u. a. Paolo Veronese) war es vor allem das Werk des flämischen Malers Peter Paul Rubens, das Stephan Kessler für seine großformatigen, detailreichen und farbenfrohen Arbeiten Inspirationen lieferte. Dabei war hilfreich, dass die Bilder Rubens’ als grafische Reproduktionen längst weit verbreitet waren. Der Einfluss von Jan Brueghel dem Älteren ist ebenso nicht zu übersehen.

2005 wurde an Stephan Kessler in einer großen Sonderausstellung mit dem Titel Stephan Kessler. Ein Tiroler Maler der Rubenszeit erinnert, in der zahlreiche Bilder aus Privatbesitz zum ersten Mal überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Die Ausstellung fand im Diözesanmuseum in der Hofburg Brixen sowie in den Außenstellen Augustiner Chorherrenstift Kloster Neustift, Schloss Schenna und Schloss Fahlburg (Südtirol) statt. Der Rezensent einer Lokalzeitung urteilte anlässlich dieser Ausstellung:

„Die üppigen Dekorationen, die prunkvollen Kostüme, die hinreissenden Momentaufnahmen mit Kindern, die hingebungsvollen Musikanten, die ausgelassenen, wirbelnden, erotisch anmutenden Tanzszenen, die wollüstigen „leichten Mädchen“ stehen im krassen Gegensatz zu [seinen] frommen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament mit der dem Barock eigenen Sinnlichkeit und Körperlichkeit.“[4]

Von einzelnen Stiftern und vom katholischen Klerus wurde Kessler häufig beauftragt, Altarretabel zu gestalten. Seine Altarbilder befinden sich in zahlreichen Kirchen Tirols, werden heute aber auch in einigen Museen aufbewahrt, unter anderem im Meraner Stadtmuseum und im Tiroler Landesmuseum. Darüber hinaus malte Kessler Heiligenbilder, Szenen aus dem Leben Christi und andere Darstellungen der biblischen Geschichte.

Am bekanntesten ist sein langgestrecktes Bild vom „Gastmahl im Haus des Simon“ von 1660, das im Augustiner-Chorherrenstift Kloster Neustift über der barocken Täfelung an der Nordwand des Refektoriums angebracht ist. Es ist 10,20 m breit, 2,35 m hoch und mit einer Fläche von ca. 24,5 m² ein ungewöhnlich großes Leinwandbild. Das zentral angelegte Hauptmotiv ist die Fußwaschung Christi durch Maria Magdalena. Die linke Tischhälfte lässt sich auf einen Rubensstich zurückführen. Andere Partien verweisen auf Gastmahl-Bilder von Paolo Veronese – das gilt für den architektonischen Rahmen sowie für den Apostel mit weißem Bart ganz rechts außen und den sitzenden Hund in der rechten Bildhälfte. Auf dessen Halsband hat der Maler das Wappen des seinerzeit amtierenden Propstes angebracht, dazu seine eigenen Initialen (S.K.). Die Figur eines stehenden Dieners mit Bierkrug am rechten Bildrand wird gelegentlich als Selbstbildnis Kesslers interpretiert.[5]

Zu den Auftraggebern von Kesslers profanen Bildern gehörten oft Schlossbesitzer. Sie bestellten in der Regel Historienbilder und Porträts, aber auch Bilder über Festlichkeiten oder die verschiedenen Jahreszeiten. Manche Bilder, zum Beispiel Türkischer Sklavenmarkt oder Kolumbus vor dem Kaziken zeigen, dass auch erotisch-fremdländische Themen gefragt waren. Beim Tiroler Adel waren Darstellungen des Gleichnisses vom verlorenen Sohn beliebt, von denen sechs Folgen bis heute erhalten sind, jede Folge umfasst vier oder sechs Bilder. „Im Mittelpunkt steht barocke Festkultur, die moralisch hinterfragt wird. […] All diese Bilder dienen letztlich der Erbauung und Belehrung, wobei die Augenfreude nicht zu kurz kommen sollte.“[6]

Zu den Deckengemälden, die Kessler geschaffen hat, gehören die acht Marienleben in der Liebfrauenkirche auf Säben und die Saaldecke im Schloss Fahlburg in Prissian. Am bekanntesten sind seine Deckenbilder im großen barocken Festsaal im Westflügel des Konvents von Kloster Benediktbeuern. Er schuf sie zusammen mit Caspar Feichtmayr in der Zeit von 1672 bis 1675. Sie zeigen unter anderem die vier Elemente, die Erde als Einheit von Mensch, Tierwelt und Pflanzen sowie antike Göttergestalten, die das Reich der Planeten darstellen. Dort malte er auch zwischen 1675 und 1680 den zwölfteiligen Monatsbildzyklus Reigen der Monate. Auch im Schloss Schenna befinden sich noch sieben von zwölf im Jahr 1675 entstandenen Monatsbildern.

Bilder des Leben Mariä in der Liebfrauenkirche in Säben

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Öffentlich zugängliche Werke

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Bildtitel Entstehung Maße Technik Aufbewahrungsort
Die Opferung Isaaks[7] um 1650/60 51 × 94 cm Öl auf Holz Städtische Kunstgalerie im Deutschordenshaus, Donauwörth
Engelspietà um 1650 153 × 110 cm Öl auf Leinwand Brixner Dom
Marienleben 1658 Freskomedallions Liebfrauenkirche (Säben)
Jehu lässt die Baalsdiener hinrichten um 1660 162 × 228 cm Öl auf Leinwand Landesmuseum Joanneum, Graz
Gastmahl im Haus des Simon 1660 235 × 1010 cm Öl auf Leinwand Augustiner Chorherrenstift Kloster Neustift
Der Reigen der Monate[8][9] 1675/1980 Deckenbilder Kloster Benediktbeuern
Die Reue des verlorenen Sohnes um 1675/80 107 × 90 cm Öl auf Leinwand Schloss Schenna
Der Reigen der Monate (7 Gemälde) um 1675/80 128 × 95 cm Öl auf Leinwand Schloss Schenna
Der Karneval von Venedig um 1675/80 215 × 150 cm Öl auf Leinwand Schloss Schenna
Auszug in den Krieg, Die Türkenbelagerung Wiens 1683[10] 215 × 150 cm Öl auf Leinwand Schloss Schenna
  • Erich EggKessler, Stefan. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 544 (Digitalisat).
  • Leo Andergassen u. a. (Hrsg.): Stephan Kessler (1622–1700). Ein Tiroler Maler der Rubenszeit. Ausstellungskatalog, Diözesanmuseum Hofburg Brixen, Brixen 2005, ISBN 88-88570-05-5.
  • Friederike Aspernig: Biographie. In: Der Bilderzyklus des Brixner Barockmalers Stephan Kessler im Schloss Aistersheim. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines. Jahrgang 163, Linz 2018, S. 139–142 (zobodat.at [PDF]).
  • Anton Huber: Die Brixner Malerfamilie Kessler. Stephan Kesslers Malwerk in der Beurteilung tirolischer Kunstgeschichtsschreibung II. Athesia Bozen, Brixen 1963.
  • Peter Stoll: Der Südtiroler Barockmaler Stephan Kessler in Schwaben: Zwei biblische Gastmähler und eine Arche Noah. Universitätsbibliothek, Augsburg 2012 (Volltext).
Commons: Stephan Kessler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eduard Scheiber: Archivalische Belege zu Stephan Kessler und dessen Familie. In: Stephan Kessler. Ausstellungskatalog 2005, op. cit. S. 25 ff.
  2. Eduard Scheiber: Archivalische Belege zu Stephan Kessler und dessen Familie. In: Stephan Kessler. Ausstellungskatalog 2005, op. cit. S. 25.
  3. Venti secoli d'arte in Alto Adige. Il periodo della controriforma. Pittura. In: suedtirol-altoadige.it. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 17. Januar 2011 (italienisch, Absätze über Stephan Kessler und seine Söhne Gabriel und Raffaele).
  4. NN: Der Tanz um das Goldene Kalb. Ausstellung Stephan Kessler im Schloss Schenna. In: Dorfzeitung Schenna, Ausgabe vom 27. Juni 2005, S. 15.
  5. Stephan Kessler. Ausstellungskatalog 2005, op. cit. S. 230 ff.
  6. Helmut Stampfer: Von Fest und Historien. Zu Stephan Kesslers profanen Bildern. In: Stephan Kessler. Ausstellungskatalog 2005, op. cit. Ohne Seitenangabe.
  7. Städtische Kunstgalerie im Deutschordenshaus. In: museen-in-bayern.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 11. Februar 2013 (mit dem Bild Die Opferung Isaaks).
  8. Rainer Gruenter: Der Reigen der Monate. Die Monatsbilder (1675/80) im Alten Festsaal der Abtei Benediktbeuern von Stephan Kessler. In: Ders.: Das Reich der Jahreszeiten. OZV Offizin Verlags-AG, Zürich 1989, ISBN 3-907495-01-2, S. 38–45.
  9. Leo Weber: Der frühbarocke Festsaal und seine Deckenbilder im Kloster Benediktbeuern. Bayerischer Volksbildungsverband, München 1996.
  10. Timo Trümper: „(…) in einem elenden Wirtshaus als Tapete angetroffen“. Zur Geschichte eines monumentalen Schlachtenbildes mit der Befreiung Wiens 1683, in: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (Hrsg.): Beiträge zur Residenzkultur. Festschrift für Bernd Schäfer. Gotha 2017, S. 11–88.