Straftaten aus Gruppen

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Straftaten aus Gruppen ist eine Straftat aus dem Strafrecht Deutschlands. Sie zählt zum Sexualstrafrecht. Strukturell ist es eine Straftat mit einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit.

Geregelt ist sie in § 184j Strafgesetzbuch (StGB):

Straftaten aus Gruppen

Wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird und die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Der Täter muss sich an einer Gruppe von mindestens drei Personen beteiligen, zu der das Opfer nicht gehört.[1] Das Beteiligen ist nicht im Sinne der §§ 25–27 StGB zu verstehen, sondern untechnisch wie bei der Beteiligung an einer Schlägerei.[2] Ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken wird nicht verlangt.[3][4]

Diese Gruppe muss das Opfer „bedrängen“. Bedrängen bedeutet, „mit Nachdruck an der Ausübung seiner Bewegungsfreiheit oder seiner sonstigen freien Willensbetätigung [hindern]“.[5] Dies muss jedoch in gewissem Maße hartnäckig sein. Das kurzfristige bloße Versperren des Weges[1] oder kurzfristiges Einschüchtern durch lautes Grölen[5] soll beispielsweise nicht genügen.

Das Bedrängen muss zum Begehen irgendeiner Straftat (nicht notwendigermaßen einer Sexualstraftat) geschehen.[6]

Der Vorsatz (mindestens Eventualvorsatz) muss sich auf die Beteiligung an der Gruppe und das Bedrängen erstrecken sowie darauf, dass der Täter durch seinen Beitrag die Begehung einer Straftat ermöglicht oder erleichtert.[7][8]

Objektive Bedingung der Strafbarkeit

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Dass aus der Gruppe tatsächlich eine Sexualstraftat verübt wurde, ist bei § 184j bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit, muss also nicht vom Vorsatz des Täters mit erfasst sein.[1][5] Die Sexualstraftat muss eine solche nach § 177 (Sexueller Übergriff/Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung) oder § 184i StGB (Sexuelle Belästigung) sein.

Entstehungsgeschichte

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Die Norm ist mit dem 50. Strafrechtsänderungsgesetz[9] geschaffen worden und trat am 10. November 2016 in Kraft. Hintergrund waren vor allem die Übergriffe am Silvesterabend 2015 in Köln.[10][4]

Die Weite[11] dieser Vorschrift und die angeblich fehlende Rechtsstaatlichkeit wird kritisiert. Joachim Renzikowski schreibt: „Der neue Straftatbestand ist eine der schlimmsten Verirrungen des Gesetzgebers und hat mit einem rechtsstaatlichen Strafrecht nichts zu tun.“[1] Von anderer, bestrittener[11] Seite wird die Norm aber als vereinbar mit dem Schuldgrundsatz angesehen.[8]

Wolfgang Mitsch: Sexuelle Belästigung (§ 184i StGB) und Straftaten aus Gruppen (§ 184j StGB). In: KriPoZ Kriminalpolitische Zeitschrift 06/2019.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Joachim Renzikowski: Nein! – Das neue Sexualstrafrecht. In: NJW 2016, 3553 (3557).
  2. Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 184j Rn. 4.
  3. Theo Ziegler in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, 46. Edition Stand: 1. Mai 2020, § 184j Rn. 5.
  4. a b Tatjana Hörnle: Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes sexueller Selbstbestimmung. In: NStZ 2017, S. 13 (21).
  5. a b c BT-Drs. 18/9097, S. 31.
  6. Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 184j Rn. 3.
  7. Jörg Eisele in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, StGB § 184j III.
  8. a b Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 184j Rn. 5.
  9. Fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016, BGBl. 2016 I S. 2460.
  10. Martin Heger in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 184j Rn. 1.
  11. a b Monika Frommel in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 184j Rn. 6–8