Theodor Glocke

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Ernst Heinrich Theodor Glocke (geboren 20. November 1859 in Erfurt; gestorben 3. Juli 1933 in Berlin) war ein deutscher sozialdemokratischer Verleger und Berliner Stadtverordneter.

Theodor Glocke erlernte den Beruf eines Tischlers. Er trat 1884 in die SPD und in die Gewerkschaft (Fachverein der Tischler, Berlin) ein. Er war Delegierter auf dem sozialdemokratischen Parteitag in St. Gallen im Oktober 1887.[1] Wegen des Sozialistengesetzes war der Parteitag ‚illegal‘ und Glocke führte deshalb den Tarnnamen Georgi.[2]

Er kandidierte bei der Reichstagswahl 1890 am 20. Februar 1890 für die SPD im Wahlkreis Nordhausen (Regierungsbezirk Erfurt) erzielte zwar Stimmengewinne, gegenüber der Wahl von 1887, unterlag aber dem freisinnigen Fritz Schneider. Auch bei der Reichstagswahl 1898 und 1907 kandidierte Glocke erfolglos in diesem Wahlkreis.[3]

Glocke war Geschäftsführer, des Berliner Volksblatts[4] ab 1. Juni 1888 und des Verlages „Verlag Expedition der Buchhandlung Vorwärts (Th. Glocke)“ ab 1890.[5][6] Glocke wurde auch im Frühjahr 1889 zum Delegierten für den Internationalen Arbeiterkongress in Paris gewählt, der u. a. den Beschluss über den 1. Mai traf.[7]

Auf der Gewerkschaftskonferenz vom 16. – 17. November 1890 wurde Glocke als „Repräsentant der Berliner Gewerkschaftsbewegung“ in Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands gewählt, der er bis 1892 angehörte.[8]

Er war Redakteur der Wochenzeitschrift In freien Stunden. Eine Wochenschrift. Romane und Erzählungen für das arbeitende Volk (1897–1919), die im „Verlag Expedition der Buchhandlung Vorwärts (Th. Glocke)“ erschien.[9]

Zum Gedenken an den 18. März 1848, der Märzrevolution in Berlin, an der es zu dem so genannten Barrikadenaufstand kam, wurden von der SPD von 1893 bis 1900 acht Märzzeitungen herausgegeben.[10] Die Märzzeitung von 1899 stammte von Theodor Glocke, er war auch Autor der Silvester-Festzeitung von 1899 mit dem Titel "Das Jahrhundert", dieses Flugblatt zog Bilanz über 100 Jahre Klassenkampf.

Theodor Glocke wurde z. B. wegen der Veröffentlichung eines Flugblattes „Arbeitslos. Weihnachtszeitung für 1901“[11] nach § 130 StGB.[12] angeklagt und verurteilt. Die Begründung des Gerichts zeigt, wie stark die Sozialdemokraten im Deutschen Reich auch nach dem Fall des Sozialistengesetzes verfolgt wurden.[13]

Von 1902 bis 1933 war er Stadtverordneter der SPD in der Berliner Stadtverordnetenversammlung.[14] 1920 gründete er den Universitas Verlag in Berlin. Am 5. August 1932 legte er sein Amt als Geschäftsführer der „Vorwärts GmbH“, das er seit 1919 gemeinsam mit Otto Wels wahrnahm, nieder.[15]

Seine letzte Wohnadresse in Berlin war „Lausitzer Str. 52“.[16] Er starb am 3. Juli 1933 in Berlin.[17] Seine verfolgten Genossen widmeten ihm einen Nachruf im Prager Neuen Vorwärts.

  • Karl Kautsky Nachlass. Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam. Signatur D XI 173-174 (zwei Briefe an Karl Kautsky 1902)Digitalisat
  • Beschluss des Kgl. Amtgerichtes Berlin im Prozess gegen Theodor Glocke wegen Pressevergehens. 1901. in ebenda, Prozesse. Signatur 1851.
  • Überwachung des sozialdemokratischen Tischlers Ernst Heinrich Theodor Glocke 1888–1902.[18]
  • Paul Umbreit: 25 Jahre deutscher Gewerkschaftsbewegung 1890-1915. Erinnerungsschrift zum 25 jährigen Jubiläum der Begründung der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Berlin 1915, S. 12. (Fotografie u. a. von Theodor Glocke)
  • Siegfried Aufhäuser: Theodor Glocke zu einem 40–jährigen Dienstjubiläum am Vorwärts. 1. Juni 1888 bis 1. Juni 1928. In: Vorwärts, Berlin 1928.
  • (Nachruf): Neuer Vorwärts vom 16. Juli 1933, Nr. 5 Spalte 4.
  • Heinrich Walter: Zeitung als Aufgabe. 60 Jahre Verein Deutscher Zeitungsverleger, 1894–1954. Verein Deutscher Zeitungsverleger, Wiesbaden 1954, S. 103.
  • Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914. Ein Handbuch über ihre Organisation und Tätigkeit im Klassenkampf. Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 152, 577, 578, 678.
  • Fritz Kirchner, Horst Propp: 1050 Jahre Nordhausen. Beiträge zur Geschichte der Stadt Nordhausen / herausgegeben vom Rat der Stadt Nordhausen im Auftrag der Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Kreisleitung der SED. Rat der Stadt Nordhausen, Nordhausen 1977, DNB 800809793, OCLC 612355538, S. 9.
  • Heinz Habedank u. a.(Hrsg.): Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung. Band.1. Von den Anfängen bis 1917. Dietz Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-320-00824-2, S. 269, 300–302, 311, 322, 337, 345, 382, 529.

Einzelnachweise

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  1. Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914, S. 152.
  2. Heinz Habedank u. a.(Hrsg.): Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung, S. 301.
  3. Peter Kuhlbrodt: Chronik der Stadt Nordhausen. 1802 bis 1989. Geiger, Horb am Neckar 2003. ISBN 3-89570-883-6, S. 178 und 203.
  4. Heinz Habedank u. a.(Hrsg.): Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung, S. 269.
  5. „Noch 1890 wurde die spätere Buchhandlung Vorwärts, zunächst als Verlagshaus Singer & Co., Lindenstraße 3, eröffnet. Die Leitung übernahm Richard Fischer, die Expeditiion Theodor Glocke“. (Annemarie Lange: Berlin zur Zeit Bebels und Bismarcks. Zwischen Reichsgründung und Jahrhundertwende. deb, Berlin 1972, ISBN 3-920-303-65-2, S. 685.)
  6. Eines der ersten Bücher des Verlages war Wilhelm Liebknecht: Wissen ist Macht. Neue Auflage. Berlin 1891.
  7. Heinz Habedank u. a.(Hrsg.): Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung, S. 311.
  8. Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914, S. 678.
  9. DNB Nachweis.
  10. März 1848 – Revolution in Berlin von Dorlis Blume, März 2012 in Lemo Lebendiges Museum Online
  11. Die Zeitung enthielt u. a. Zeichnungen des Tschechischen Künstlers Emil Holárek (1867–1919).
  12. „Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft.“
  13. Beschluss des Kgl. Amtgerichtes Berlin im Prozess gegen Theodor Glocke wegen Pressevergehens. 1901.
  14. Dieter Fricke: Die deutsche Arbeiterbewegung 1869–1914, S. 577 f.
  15. Der Zeitungs-Verlag. Fachblatt für das gesamte Zeitungswesen. 1932, S. 568.
  16. Berliner Adreßbuch 1933. Scherl, Berlin 1933. Band 1, S. 751.
  17. Christine Fischer-Defoy, Christiane Hoss: Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933-1945. (Ausstellung Berliner Rathaus 30. September – 30. November 2005, Berliner Abgeordnetenhaus 8. Juni – 8. Juli 2006). Verein Aktives Museum, Berlin 2006, S. 388.
  18. Lorenz Friedrich Beck: Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Überlieferung aus der preußischen Provinz Brandenburg. Colloquium-Verlag, Berlin 1999. ISBN 3-598-23256-X, S. 37.