Verb-framed Language

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Die Begriffe verb-framed languages (etwa: „verbal gefasste Sprachen“) und sein Gegenteil satellite-framed languages dienen in der Linguistik dazu, zwei grammatische Typen von Sprachen zu unterscheiden. Es geht hierbei um Unterschiede in der Art, wie Informationen auf Wortbedeutungen bzw. Satzteile verteilt werden, nämlich welche Arten von Informationen im Verb ausgedrückt werden und welche stattdessen in Ergänzungen bzw. „Satelliten“ des Verbs.

Die Unterscheidung geht im Wesentlichen auf sprachvergleichende Studien des US-amerikanischen Linguisten Leonard Talmy über den Ausdruck von Bewegungsereignissen zurück, die er in den 1970er und 80er Jahren im Rahmen seiner Arbeit an einer kognitiven Semantik entwickelte; wichtige Beiträge lieferte neben anderen auch Dan Slobin.

In der Beschreibung von Bewegungsereignissen lassen sich die Komponenten des „Pfades“ (engl. path) von solchen der „Art und Weise“ trennen. Die Pfad-Komponente bezeichnet Richtung und Lokalisierung der Bewegung, die Art-und-Weise-Komponente z. B. die Fortbewegungsmethode, Bewegungsform, Kraftaufwand etc.

Bei der Untersuchung von Bewegungsverben setzte Talmy zwei verschiedene Arten von Sprachen oder Konstruktionen an: In den Konstruktionen der verb-framed-languages werden Informationen über Pfadeigenschaften im Verb selbst ausgedrückt, genauer gesagt bereits in der Verbwurzel. Beispielsweise benutzt das Spanische[1] viele allgemeine Richtungsverben wie salir (sich hinausbewegen), entrar (sich hineinbewegen), pasar (sich vorbeibewegen). Dort wo Sprecher es für nötig halten, können über Adverbiale zusätzlich Informationen über die Bewegungsweise hinzugefügt werden.

Anders in den Konstruktionen der satellite-framed-languages: Hier werden bevorzugt Verben bzw. Verbwurzeln verwendet, die Informationen über die Bewegungsweise enthalten, hingegen erfolgt die Beschreibung des Pfads außerhalb davon, durch einen Satelliten wie, z. B. durch Präpositionalphrasen (z. B. aus dem Haus), oder Adverbien (z. B. im Deutschen heraus, vorbei). Als Satelliten zählen jedoch auch schon Verb-Präfixe und -Partikeln (wie ein-, über- etc.), die sich mit einem Art und Weise bezeichnenden Verbstamm verbinden (z. B. in ein-treten).

Zu den im Wesentlichen satellite-framed-languages, gehören also die deutsche, die englische und die lateinische Sprache. Zu den verb-framed-languages, die spanische- und französische Sprache und die gesamten romanischen Sprachen.[2]

Ein solcher satelliten-basierter Satz wäre z. B.

  • im Englischen „into“ : „He ran into the house.“,

ein Beispiel für das Gegenstück eines verbal verfassten Satzes wäre

  • im Französischen „Il est entré dans la maison en courant“. (in wörtlicher englischer Übersetzung: He entered into the house running.) Hierbei beschreibt und betont der Zusatz „en courant“ die Weise der Bewegung in diesem Fall „rennend“, dies ist aber nicht obligatorisch.

oder ein Vergleich zwischen dem Deutschen und Spanischen:

Die Frau rennt ins Zimmer.“

Die Frau (figure) rennt (motion, manner) ins (path) Zimmer (ground)

La mujer entra en la habitación corriendo.“

La mujer (figure) entra (motion, path) en la habitación (ground) corriendo (manner)

Wörtliche deutsche Übertragung: „Die Frau sich-hinein-bewegen in das Zimmer renn-Gerundio“ In der spanischen Sprache, als eine typische verb-framed-language, vereint sich die Bewegung, motion und der Weg, path in einem Verb. Die Art und Weise, manner hingegen erscheint weder im Verb, noch im Satelliten, sondern in Form der Konstituente des spanischen Gerundio.

Für Talmy (2000) lassen sich zur Beschreibung der Grundkonzepte von Fortbewegungsszenen folgende sechs zentrale Aspekten oder Begriffe verwenden:

  • Figure oder entsprechend dem Subjekt der klassischen Grammatik,[3] das sich bewegende Objekt;
  • Ground oder das Referenzobjekt, reference object, der Hintergrund, vor dem eine Bewegung stattfindet;
  • Motion oder das Bewegungsereignis, die Tatsache der Bewegung;
  • Path oder „Weg“ dem im Laufe der Bewegung gefolgt wird, die Richtung oder der Weg, den die Figur hinsichtlich eines Hintergrundes nimmt;
  • Manner oder Art und Weise,[4] die Art und Weise der Bewegung;
  • Cause oder Ursache, die Ursache oder der Verursacher der Bewegung.

Die Begriffe für figure und ground hat Talmy von der Gestaltpsychologie übernommen, Figur-Grund-Wahrnehmung. Die Dichotomie von Figur und Hintergrund stellt für Talmy ein wichtiges syntaktisches Ordnungsprinzip dar. So wäre mit dem Begriff figure ist jene Entität beschrieben, die sich letztlich bewegt und sie bewegt sich hierbei relativ zum ground. Mit path wird von Leonard Talmy der Bewegungsweg bezeichnet, den die Figur zurücklegt. Manner ist die Art und Weise dieser Bewegung.

Verb-framed-languages Satellite-framed-languages
Französische Sprache Spanische Sprache Deutsche Sprache Englische Sprache
Il entra en courant. Entró corriendo. Er lief hinein. He ran in.
Elle traversa la rivière à la nage. Atravesó el río a nado. Sie durchschwamm den Fluss. She swam across the river.
Descendez du train sur la gauche. Bajen del tren a la izquierda. Steigen Sie links aus dem Zug. Step out of the train to the left.
Il ouvrit la porte d'un coup de pied. Abrió la puerta de una patada. Er stieß die Tür mit dem Fuß auf. He kicked the door open.
J'allume la lumière. Prendo la luz. Ich mache das Licht an. I turn the light on.
J'éteins la lumière. Apago la luz. Ich mache das Licht aus. I turn the light off.

Einteilung der verschiedenen Sprachen (Auswahl)

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Dan Slobin (2004) listed die satellite- und verb-framed languages wie folgt auf:

  • Leonard Talmy: Toward a Cognitive Semantics. Band 1: Concept structuring systems. Band 2: Typology and process in concept structuring. MIT Press, Cambridge, MA 2000, ISBN 0-262-70097-2
  • Leonard Talmy: Lexicalization patterns. 1985
  • Leonard Talmy: Path to realization: A typology of event conflation. Berkeley Linguistics Society, 17, 1991, S. 480–519.
  • Roberto Carlos Arias Oliveira2000.: Boundary-crossing: Eine Untersuchung zum Deutschen, Französischen und Spanischen. Dissertationsschrift, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2012 (edoc.ub.uni-muenchen.de PDF).
  • Dan Slobin: The many ways to search for a frog: linguistic typology & the expression of motion events. In S. Strömqvist, L. Verhoeven (Hrsg.): Relating Events in Narrative. Vol 2, Mahwah, NJ: LEA. (2004) S. 219–257.
  • Paula Cifuentes Férez: Motion in English and Spanish a perspective from cognitive linguistics, typology and psycholiguistics. Dissertationsschrift, Universidad de Murcia, Murcia 2008 (tdx.cat).
  • Ana Rojo, Javier Valenzuela: Verbs of sensory perception: An English-Spanish comparison. Universidad de Murcia, S. 1–27 (academia.edu).
  • James Hawthrone: The acquisition of prepositional constructions and their associated case-making properties in the L2 German of L1 English speakers. Newcastle University, S. 123–136 (ncl.ac.uk PDF).
  • Brigitte Handwerker: Denken und Sprechen in mehreren Sprachen: Die Konkurrenz im eigenen Kopf. Humboldt-Universität Berlin, Estudios Filológicos Alemanes. 24, 2012, S. 21–36 (www2.hu-berlin.de PDF).
  • Renée Lambert-Brétière: Serializing languages languages as satellite-framed: The case of Fon. In: Annual Review of Cognitive Linguistics. 7, 2009, S. 1–29, ISSN 1572-0268 (academia.edu).
  • Minjeong Son: Linguistic Variation and Lexical Parameter: The Case of Directed Motion. U. Penn Working Papers in Linguistics, Band 15.1, 2009, S. 213–222 (repository.upenn.edu).
  • Víctor Acedo Matellán, Jaume Mateu: From satellite-framed Latin to verb-framed Romance: A syntactic approach. Universitat de Barcelona-Universitat Autònoma de Barcelona-CLT, S. 1–49 (filcat.uab.cat PDF).
  • Till Wörfel: Wie sich Menschen bewegen. Sprache und Raum zwischen Grammatik und Kognition. Linguistik im Schloss IV Workshop 'Raum' 18.–20. Juni 2010 (www2.hu-berlin.de PDF).
  • Shanju Lin, Amanda J. Owen Van Horne: Perceiving and encoding motion events in children of English and Mandarin. Dept of Communication Sciences and Disorders & DeLTA Center, The University of Iowa (slideplayer.com).
  • Bhuvana Narasimhan, Melissa Bowerman, Penny Brown, Sonja Eisenbeiss, Dan Slobin: "Putting Things in Places": Effekte linguistischer Typologie auf die Sprachentwicklung. Forschungsbericht 2004 - Max-Planck-Institut für Psycholinguistik (mpg.de).
  • Juan Cuartero Otal: Ein Vergleich zwischen Motion und Manner-of-motion-Verben im Sprachenpaar Deutsch - Spanisch. Universidad Pablo de Olavide, Sevilla (www1.ids-mannheim.de PDF).

Einzelnachweise

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  1. Juan Cuartero Otal: Ein Vergleich zwischen Motion und Manner-of-motion-Verben im Sprachenpaar Deutsch - Spanisch. Universidad Pablo de Olavide, Sevilla, S. 1–15 (www1.ids-mannheim.de PDF).
  2. Raphael Berthele: Ort Und Weg = Verbal References to Objects in Space in Varieties of German, Rhaeto-Romanic, and French. In: Linguistik, Impulse & Tendenzen. Band 16. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2006, ISBN 3-11-018879-1, S. 25 f.
  3. Christa Dürscheid: Syntax: Grundlagen und Theorien. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 3-525-26546-8, S. 186.
  4. Till Wörfel: Wie sich Menschen bewegen. Sprache und Raum zwischen Grammatik und Kognition. Linguistik im Schloss IV Workshop 'Raum' 18.–20. Juni 2010 (www2.hu-berlin.de@1@2Vorlage:Toter Link/www2.hu-berlin.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. PDF).