Betschicht

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Als Betschicht,[1] Betstunde[2] oder Beetstunde[3] bezeichnete man im Bergbau den zeitlichen Anteil der Arbeitsschicht der Bergleute,[1] den die Bergleute zur Gottesverehrung nutzten[2] und ihr Berggebet verrichteten.[1] Die Betschicht verbrachten die Bergleute je nach Bergrevier in der Kaue,[4] in einer von der Kirche zur Verfügung gestellten Kapelle,[3] in einem Raum des Huthauses[5] oder im eigens dafür vorgesehenen Bethaus.[6] Neben der religiösen Erbauung diente die Betschicht auch der Anwesenheitskontrolle der Bergleute.[7]

Grundlagen und Geschichte

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Die ersten Betstunden der Bergleute sind bereits für das 16. Jahrhundert datiert.[3] Der Glaube an Berggeister, Bergteufel oder andere Dämonen, die man mit den Gefahren in Verbindung brachte, die den Bergleuten bei ihrer Arbeit unter Tage drohten, drängte die Bergleute des frühen Bergbaus dazu, vor und nach der Arbeit Gott durch andächtiges Gebet und gemeinsamen Gesang um Schutz zu bitten und ihm für die bisherige Bewahrung zu danken.[7] Die Teilnahme an der Betstunde war für die Bergleute nicht freiwillig, sondern Pflicht.[4] Bergleute, die die Betstunde versäumten, wurden mit Abzug vom Lohn bestraft.[7] Andererseits gab es eine Zeit, in der der Stadtrat die Betstunde verboten hatte. Das gemeinsame Beten war den Bergleuten aber insbesondere in den ersten Jahren so wichtig, dass einige von ihnen im Beharren auf diesen Brauch selbst vor körperlicher Gewalt gegen Mitglieder des Stadtrates[ANM 1] nicht zurückschreckten.[8] Anfang des 18. Jahrhunderts wurden in einigen Bergbauregionen auch im Privatbereich der Bergleute pietistische Betstunden abgehalten, die jedoch sehr bald von den zuständigen Regierungen per Edikt verboten und unter Strafe gestellt wurden.[9] Die täglichen Betstunden wurden für die Bergleute ein Brauch, den sie in einigen Bergbauregionen bis Anfang des 20. Jahrhunderts pflegten.[10] Während der Nazizeit wurde die Betschicht propagandistisch umgedeutet und instrumentalisiert.[11] Nachdem mit Beginn des 20. Jahrhunderts für die Betstunden die Teilnahmepflicht entfallen war, hielten dennoch viele der Bergleute bis in die Mitte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an dieser Tradition fest und feierten ihre Betstunde in der Kaue unter Leitung des ältesten Steigers.[4]

Ein bergbauhistorisches Bethaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befindet sich mit dem Bethaus der Bergleute im Muttental der Stadt Witten am südlichen Rand des Ruhrgebiets.

Zeitlicher Aufwand

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Die Dauer der Arbeitsschicht der Knappen variierte in den verschiedenen Bergrevieren in den unterschiedlichen zeitlichen Epochen.[12] So gab es, je nach Region, Achtstunden- und Zwölfstundenschichten.[13] Ebenso variierte aber auch, je nach Bergrevier, die Dauer und zeitliche Lage der Betschicht.[14] Die Betschicht war Bestandteil der Arbeitszeit.[15] Die Betstunden fanden in der Regel morgens früh statt.[16] Bei Mehrschichtbetrieb der Bergwerke wurden sie auch zu unterschiedlichen Tageszeiten vor der Schicht gehalten.[17] Aber selbst bei reinem Einschichtbetrieb variierte die Anfangszeit[ANM 2] der Betschicht in einigen Bergrevieren sogar zwischen Sommer und Winter.[14] Es gab auch Bergreviere, in denen jeweils vor und nach der Schicht eine Betstunde abgehalten wurde.[7] Zudem war die Betstunde in den Bergrevieren teilweise unterschiedlich lang.[13] Im Clausthal Bergrevier dauerte die Betschicht beispielsweise bis zu einer Stunde.[18] In anderen Bergrevieren dauerte die Betstunde nur 30 Minuten.[13] Nach der Betstunde hatten die Bergleute teilweise noch einen 30 Minuten dauernden Fußweg[ANM 3] vom Bethaus bis zu ihrem Bergwerk.[18] Anschließend erfolgte die Anfahrt, die, wenn sie per Fahrkunst erfolgte, auch noch einmal bis zu einer Stunde dauern konnte.[7] Im Laufe der Jahre wurde die Anzahl der Betstunden erheblich reduziert, sodass gegen Ende des 19. Jahrhunderts teilweise nur noch einmal in der Woche eine Betstunde abgehalten wurde.[4]

Gliederung der Betschicht

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In einigen Bergbauregionen bestand die Betschicht nur aus dem gemeinschaftlichen Schichtgebet.[12] In anderen Bergbauregionen war der Ablauf der Betschicht liturgisch streng geregelt.[7] Hier wurde während der Betschicht eine Predigt gehalten, zudem wurde gesungen und gebetet.[3] Das Vorlesen, Vorsingen und das Gegensprechen war in einigen Bergbauregionen Aufgabe eines zum Vorbeter[ANM 4] gewählten Bergmanns.[19] Die Betschicht begann der zuständige Steiger mit dem Aufrufen der Namen der Bergleute zwecks Anwesenheitskontrolle,[ANM 5] anschließend stimmte der Vorsänger[ANM 6] ein für die Bergleute geeignetes Morgenlied an.[20] Hierfür gab es eine Vielzahl von Liedern.[21] Im Mansfelder Bergrevier gab es ein Gesangbuch zur Morgenandacht der Hüttenarbeiter, das während der Betschicht verwendet wurde.[7] Anschließend wurde eine kurze Predigt gehalten.[20] Der Predigt folgten das Vaterunser und teilweise auch das Glaubensbekenntnis.[7] Abschließend sprach der Vorbeter das Schichtgebet, danach wurde ein Liedvers gesungen.[20] Am Ende der Betschicht begaben sich die Bergleute zu ihrer Arbeit.[19]

Einzelnachweise

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  1. a b c Heinrich Veith: Deutsches Bergwörterbuch mit Belegen. Verlag von Wilhelm Gottlieb Korn, Breslau 1871.
  2. a b Carl Friedrich Richter: Neuestes Berg-und Hütten-Lexikon. Erster Band, A bis L, Kleefeldsche Buchhandlung, Leipzig 1805.
  3. a b c d Erich Hofmeister, Arbeitskreis Bergbau der Volkshochschule Schaumburg (Hrsg.): Das Erzbergwerk Rammelsberg bei Goslar im Harz. Exkursionsführer und Veröffentlichungen Schaumburger Bergbau, Heft Nr. 25, Hagenburg 2010, S. 17.
  4. a b c d Förderverein Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar e.V. (Hrsg.): 50 Jahre Harzer Knappenverein Goslar. Eigenverlag des Fördervereins, Druck Papierflieger Clausthal-Zellerfeld, Goslar 2014, S. 22–26.
  5. M. von Süßmilch genannt Hörnig: Das Erzgebirge in Vorzeit, Vergangenheit und Gegenwart. Zweite wohlfeile Volks - Ausgabe, Hermann Grafer's Verlag, Annaberg 1894, S. 309.
  6. Gerhard Koetter, Förderverein Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall e.V. (Hrsg.): Als Kohle noch Zukunft war. 2. veränderte Auflage, Klartext Verlag, Essen 2017, ISBN 978-3-8375-1844-3, S. 39.
  7. a b c d e f g h Verein Mansfelder Berg- und Hüttenleute e. V. (Hrsg.): Mitteilung 78, Juni 2005, S. 2–7.
  8. Heinrich Pröhle: Harzsagen. Gesammelt auf dem Oberharz und in der übrigen Gegend von Harzburg und Goslar bis zur Grafschaft Hohenstein und bis Nordhausen, Avenarius & Mendelssohn, Leipzig 1854, S. 261, 262.
  9. Friedrich von Raumer (Hrsg.): Historisches Taschenbuch. Dritte Folge, vierter Jahrgang, F. U. Brockhaus, Leipzig 1853, S. 180.
  10. Rudolf Ruprecht: Der Pietismus des 18. Jahrhunderts in den Hannoverschen Stammländern. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1919, S. 15, 16.
  11. Kai Gurski: Schlägel, Eisen und Hakenkreuz - Das Thema Bergbau im Werk des Malers Karl Reinecke-Altenau. Genehmigte Dissertation an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK), Braunschweig 2008, S. 198.
  12. a b W. Schulz: Wirklichkeit, Aberglaube und Sage bei den deutschen Bergknappen der Vergangenheit. Öffentlicher Vortrag gehalten in der königlichen technischen Hochschule zu Aachen, Verlag Graz & Gerlach, Freiberg 1890, S. 7, 8.
  13. a b c Wilfried Ließmann: Historischer Bergbau im Harz. 3. Auflage, Springer Verlag, Berlin und Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-31327-4, S. 38, 39, 41.
  14. a b Swen Rinmann: Allgemeines Bergwerkslexikon. Nach dem Schwedischen Original bearbeitet und nach den neuesten Entdeckungen vermehrt von einer Gesellschaft deutscher Gelehrten und Mineralogen, Zweyter Theil, Fr. Chr. W. Vogel, Leipzig 1808.
  15. Historische Kommission für Niedersachsen (Hrsg.): Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. Band 34, Verlagsbuchhandlung August Lax, Hildesheim 1962, S. 88–91.
  16. Carl Hartmann: Handwörterbuch der Mineralogie, Berg-, Hütten- und Salzwerkskunde. Nebst der französischen Synonymie und einem französischen Register, Erste Abtheilung A bis K, gedruckt und verlegt bei Bernhard Friedrich Voigt, Ilmenau 1825.
  17. Franz Ludwig Canerinus: Beschreibung der vorzüglichen Bergwerke in Hessen, in dem Waldhessischen, an dem Haarz, in dem Mansfeldischen, in Chursachsen, und in dem Saalfeldischen. In der Andreäischen Buchhandlung, Frankfurt an dem Main 1767, S. 133, 134.
  18. a b Karl August Tolle: Die Lage der Berg- und Hüttenarbeiter im Oberharze. Unter Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gesammten Bergarbeiter – Verhältnisse, Puttkammer & Mühlbrecht Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft, Berlin 1892, S. 49–53.
  19. a b D. Christoph Wilhelm Jacob Gätter: Beschreibung des Harzes. Erster Theil, Verlag der Bauer- und Mannischen Buchhandlung, Nürnberg 1792, S. 96.
  20. a b c Heinrich Andreas Pröhle: Kirchliche Sitten. Ein Bild aus dem Leben evangelischer Gemeinden, Verlag von Wilhelm Herz, Berlin 1858, S. 248–250.
  21. Emil Dietz: Liederbuch der Bergleute. Druck und Verlag der Vorländer'schen Buchdruckerei, Siegen 1856, S. I, II, 1, 56.
  1. So wird berichtet, dass der Bergschreiber Martin Hoffmann einige Mitglieder des Stadtrates der Stadt Clausthal die Treppe des Rathauses hinunterschubste, weil sie die Betstunde mit Umzug der Puchknaben abgeschafft hatten. Nach diesem Vorfall wurde die Betstunde wieder eingeführt. (Quelle: Heinrich Pröhle: Harzsagen.)
  2. So fand z. B. im Goslarer Bergbau die Betstunde im Winter zwischen 5 Uhr und 6 Uhr und im Sommer zwischen 7 Uhr und 8 Uhr statt. Andererseits war im Oberharzer Bergrevier die Zeit der Betstunde zu jeder Jahreszeit immer zwischen 4 Uhr und 5 Uhr. (Quelle: Swen Rinmann: Allgemeines Bergwerkslexikon.)
  3. Das lag daran, dass nicht jedes Bergwerk ein eigenes Bethaus hatte. Oftmals waren die Bergwerke rings um das Bethaus verteilt. (Quelle: Gerhard Koetter, Förderverein Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall e.V. (Hrsg.): Als Kohle noch Zukunft war. )
  4. Der Vorbeter erhielt für seine Tätigkeit einen Lohn von vier Mariengroschen. Dafür musste er neben den Aufgaben während der Betschicht auch Vorbereitungsarbeiten wie z. B. das Schneeschaufeln im Winter übernehmen. Um das erledigen zu können, begann sein Arbeitstag bereits um 3 Uhr morgens. (Quelle: D. Christoph Wilhelm Jacob Gätter: Beschreibung des Harzes.)
  5. Diese Form der Anwesenheitskontrolle wurde mit Einführung der Markenkontrolle abgeschafft. (Quelle: Verein Mansfelder Berg- und Hüttenleute e. V. (Hrsg.): Mitteilung 78.) In einigen Bergbauregionen erfolgte die Anwesenheitskontrolle erst nach dem religiösen Teil. (Quelle: Eduard Heuchler: Album für Freunde des Bergbaues. )
  6. Der Vorsänger war zugleich auch Vorbeter. Meist wurde für diese Aufgabe der Knappschaftsälteste gewählt. (Quelle: Heinrich Andreas Pröhle: Kirchliche Sitten.)